Viele Menschen werden von Selbstzweifeln geplagt. Wie schön wäre es nun, kritisches Feedback, das oft genug sogar unsachlich ist, selbstbewusst kontern zu können. Hier erfahren Sie wie.

Schlagfertig statt Selbstzweifel: Feedback selbstbewusst kontern!

Negatives Feedback – und jetzt?

“Alles ganz toll”, sagen Sie vielleicht. “Doch leider wird heutzutage im Job eben viel erwartet und es ist selbstverständlich, ständig kritisiert zu werden. Daher ist es kein Wunder, dass ich versuche, so wenig Kritikpunkte wie möglich zu bieten, indem ich möglichst perfekt bin.

Ich will schließlich nicht erwischt werden, wenn ich einen Fehler machen!” Nach allem, was Sie bis jetzt darüber gelesen haben, wie wenig Erfolg versprechend das Vermeiden von Fehlern ist, sollten Sie wissen, dass Sie mit dieser Taktik nicht weiterkommen werden.

Anfällig für Kritik

Eines sollte Ihnen klar sein: Als Perfektionist haben Sie ja ohnehin schon einen gewissen Hang zum Selbstzweifel. Die Kritik von Chefs oder den lieben Kollegen trifft Sie also viel härter als Menschen mit einem gesunden Selbstbewusstsein. Und nicht selten kommt es vor, dass Sie sich bei Kritik anderer geradezu ertappt fühlen – gerade weil Sie selbst sich insgeheim schon selbst für die Sache kritisiert haben – oder?

Kritik kann Sie kaum treffen, wenn Sie ganz und gar zu sich stehen. Wenn Sie das entsprechend schlagfertig demonstrieren, können Sie die Kritik ins Leere laufen lassen: Ein Kollege beleidigt Sie etwa in der Weise: “Sie haben ja keine Ahnung, Sie haben ja nichtmal Ihr Studium abgeschlossen!” – Antworten Sie: “Das sehen Sie richtig”, “Das haben Sie gut beobachtet” oder “Daran werden Sie sich gewöhnen müssen.” Und wenn es Ihnen egal ist, was die anderen denken, können Sie auf den Vorwurf “Das können Sie so nicht machen…” schlicht antworten: “Doch, das kann ich!”

Die anderen haben immer recht?

Das Hauptproblem vieler Perfektionisten, die mit Selbstzweifeln und zu hohen Ansprüchen an sich selbst kämpfen, ist, dass sie dazu tendieren, ihren Kritikern vorbehaltlos zu glauben. Wie Isabel, die zu einem wichtigen Vorstellungsgespräch geladen war.

Als Perfektionistin hat sie sich akribisch darauf vorbereitet. Sie hat Informationen zur Firma eingeholt, Fakten recherchiert, Formulierungen überlegt und sich extra ein neues Kostüm gekauft. Alles soll hundertprozentig sein. Doch trotz ihrer Vorbereitung ist sie unsicher. In der Stellenausschreibung waren gute Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch erwünscht. Isabel weiß: Ihr Englisch ist hervorragend, aber ihr Französisch ist ein wenig eingerostet – ihr wunder Punkt sozusagen. Daher hat sie extra einige französische Standardsätze geübt, mit denen sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen möchte.

Beim Schummeln ertappt?

Das Gespräch läuft gut, der Personaler ist begeistert von ihren Englischkenntnissen und Isabel will schon erleichtert aufatmen – da hört sie plötzlich: “Da Sie ja sogar einen französischen Vornamen haben, können Sie bestimmt eben so gut Französisch. Erzählen Sie mir doch einmal etwas über ihren letzten Urlaub in Frankreich.” Der Personaler nickt ihr freundlich zu, doch Isabel fühlt sich ertappt: “Über den Urlaub reden” hat sie nicht geübt, sie hat sich mehr auf berufliche Themen konzentriert. Alles, was sie jemals über französische Grammatik wusste, scheint wie weggeblasen, mühsam stottert sie etwas vor sich hin. “Na, Sie werden doch noch ein paar einfache Sätze hinbekommen, schließlich haben Sie doch sechs Jahre lang Französisch gelernt”, zeigt sich der Personaler erstaunt.

Isabel ist sauer auf sich selbst: Nicht nur, dass sie versagt hat, nun steht sie auch noch wie jemand da, der über seine Fähigkeiten gelogen hat. “Du könntest vielleicht einen Fränzösischkurs in Frankreich belegen, damit so etwas nicht noch einmal passiert”, meint ihr Freund liebevoll ein paar Tage später. Isabel flippt völlig aus: “Wie kannst Du mir so in den Rücken fallen? Ich kann Französich. Darüber diskutiere ich nicht mehr!”

The Show must go on

Am Ende erfährt sie, dass eine Bekannte von ihr die Stelle bekommen hat, deren Französischkenntnisse sehr begrenzt sind. Die verrät Isabel ihr Erfolgsgeheimnis: “Ich habe einfach irgendwas gelabert, was gut klingt. Das ist nicht aufgefallen, denn der Personaler konnte auch kaum Französisch.” Hätte der Personalchef Isabels Englischkenntnisse kritisiert, wäre Sie davon wahrscheinlich kaum berührt gewesen. “Aber woher wusste er nur, dass ausgerechnet Französisch meine Schwachstelle ist? Und warum bin ich in diesem Punkt nicht einfach selbstbewusster?”

Mitunter ist Kritik berechtigt, etwa wenn Sie wirklich einen Fehler gemacht haben. Oder wenn Sie die Kritik nicht zurückweisen können, weil der Kritiker Ihr Vorgesetzter ist: Stehen Sie dann unumwunden zu Ihrem Fehler: “Ich verstehe, dass Sie sauer sind. Ich werde mich sofort um das Problem kümmern.” Versuchen Sie erst gar nicht, sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen – damit schaden Sie sich nur selbst. Zeigen Sie lieber, dass Sie konstruktiv mit Ihrem Fehler umgehen.

Mehr Selbstbewusstsein bitte!

Vermutlich geht es Ihnen ähnlich: Es gibt Situationen, in denen Sie mit Kritik gut fertig werden, einfach weil Sie sich sicher und unangreifbar fühlen. Manchmal fühlen Sie sich vielleicht sogar so sicher, dass Sie die Kritik gar nicht bemerken. Daher sind Ihnen diese Momente möglicherweise gar nicht bewusst. Und es gibt Situationen, in denen jemand Ihren wunden Punkt berührt und Sie sich angegriffen fühlen, auch wenn Sie vielleicht niemand kritisieren wollte.

Der Personaler beispielsweise wollte Isabel eine gute Vorlage liefern, ihre Fähigkeiten zu zeigen. Als Perfektionistin wollte sich Isabel hingegen rigide an ihre eingeübten französischen Sätze halten, um alles im Griff zu haben; dass sie plötzlich spontan und völlig ungeplant reagieren sollte, war für Isabel ein derartiges Problem, dass sie einen Blackout bekam. Aber mehr noch: Isabel glaubte, der Personaler habe sie mit Absicht aufs Glatteis führen wollen, indem er überhaupt auf ihre Französischkenntnisse zu sprechen kam und sie etwas absurd Einfaches gefragt hatte. Ihre Bekannte hingegen hatte ihrer Ansicht nach frech gehandelt.

Schlagfertigkeit ist nicht jedermanns Sache. Vielleicht ist eine “freche” Antwort auf Kritik auch nicht immer angebracht. Dann bleiben Sie ganz sachlich. Rechtfertigen Sie sich nicht, damit würden Sie sich nur in eine Opferrolle begeben. Bleiben Sie ruhig und sagen Sie so gelassen wie möglich: “Das sehe ich anders. Ich würde gerne meine Sicht des Sachverhalts darstellen.”

Eine absolute Übertreibung

Leider sind wir nicht immer gleich selbstbewusst. Und jeder Mensch reagiert anders auf Kritik. Das hängt damit zusammen, dass jeder von uns bestimmte verletzende Erfahrungen mit sich herumträgt. Deshalb liegen diese verletzlichen Punkte bei jedem von uns an einer anderen Stelle. Wenn ein Kritiker nun diese wunden Punkte trifft, reagiert so gut wie jeder empfindlich. Doch auch wenn es für niemanden schön ist, kritisiert zu werden – viele Perfektionisten machen es sich zusätzlich unnötig schwer. Denn oft sind sie nicht einmal durch den Inhalt einer Kritik verletzt, sondern darüber, dass überhauptetwas Negatives gesagt wurde: Schließlich wollen sie perfekt sein. Wenn sie dennoch einen Fehler machen, kommt das für sie in typisch-perfektionistischer Alles-oder-Nichts-Denkweise einer absoluten Katastrophe gleich.

Perfektionisten wie Isabel nehmen Kritik darüber hinaus nicht nur einfach an, sondern verknüpfen sie auch noch direkt mit ihrer Person. Der Personaler hat sachlich festgestellt, dass Isabel doch nach sechs Jahren Französischunterricht mehr herausbringen müsse. Dass er auf ihre Bewerbung verweist, gibt ihr einen empfindlichen Stich: Offenbar glaubt er ihren Angaben nicht. Das ist für Isabel, als hätte er sie als Lügnerin bezeichnet. Und plötzlich wird ihr innerer Kritiker aktiv, als hätte er nur auf die Bestätigung von außen gewartet und Isabel beginnt selbst zu glauben, sie habe den Personaler arglistig täuschen wollen und dass sie es verdient habe, den Job nicht zu bekommen. Als ihr Freund Isabel freundlich vorschlägt, einen Französischkurs zu machen, ist das für Isabel eine versteckte Kritik an ihren Sprachkenntnissen. In beiden Fällen hat Isabel mehr in die Äußerungen hineininterpretiert, als tatsächlich gesagt wurde.

Wie Sie Kritik weniger persönlich nehmen

Allerdings kommt es auch vor, dass Kritik tatsächlich versteckt und sehr indirekt geäußert wird: “Gute Idee – aber noch nicht so gut, dass Sie es mir nicht hätten zeigen können, bevor Sie es präsentieren!” Dadurch, dass Sie die Abstimmung mit Ihrem Chef vermeiden, laufen Sie Gefahr, mögliche Kritik einfach zu übergehen – das kann bei bestimmten Chefs ein Problem werden. Die Kunst besteht darin, zwischen echter und eingebildeter Kritik zu unterscheiden. Gehen Sie gezielt auch auf indirekte Kritik ein: “Tut mir leid, das war keine Absicht. Wie können wir das beim nächsten Mal besser abstimmen?”

Überlegen Sie einen Moment: Vielleicht geht es Ihnen auch gelegentlich so wie Isabel? Sie hören einen Satz, vermuten dahinter Kritik und reagieren entsprechend beleidigt oder gereizt, einfach weil Sie Perfektionist sind – und der Chef oder Kollege, der das gesagt hat, versteht die Welt nicht mehr. Oder eine Kollege sagt: “Der Chef war heute aber ungehalten” und sie denken sofort: “Oh Gott, habe ich etwa etwas gemacht?”, weil Sie diese Bemerkung sofort auf sich beziehen oder weil eine Äußerung Ihren wunden Punkt trifft. Meist läuft dieses Denkschema automatisch ab. Doch Sie können dagegen etwas tun, indem Sie sich genauer bewusst machen, was Sie denken.

Bitte kurz nachdenken

Sobald Sie sich von einer Aussage getroffen fühlen, sollten Sie einen Moment innehalten, sachlich nachdenken und sich langsam einige Fragen beantworten: Was denke ich gerade? Welche Bedeutung messe ich diesen Worten oder Handlungen bei? Woher weiß ich, dass ich richtig vermute? Was genau wurde gesagt? Welcher Wortlaut wurde verwendet? Was das wirklich eine Kritik an mir oder eine Forderung? Oder interpretiere ich diese Aussage nur als Forderung oder Kritik?

Fragen Sie sich, ob es auch eine andere Erklärung für diese Aussage geben könnte. Dabei geht es nicht darum, dass Sie sich wirklich hieb- und stichfest beweisen, dass Sie mit ihrer Annahme, Sie würden kritisiert, daneben liegen. Vielmehr sollen Sie die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es auch noch andere Gründe geben könnte.

Richtig reagieren

Es ist natürlich schön, wenn Sie wissen, wie Sie für sich selbst mit der Kritik umgehen können, wenn Sie diese einordnen und bewerten können. Das allein reicht jedoch nicht immer, gerade im Berufsalltag nicht. Denn sonst stehen Sie schnell als Schwächling da. Denn im Berufsalltag kommt es immer auch darauf an, wie Sie sich verkaufen und vor anderen darstellen.

Wie jedoch zeigen Sie einem Kritiker, dass Sie seine Meinung nicht teilen, ohne Ihre Verletzlichkeit zu zeigen? Die beste Methode ist die schlagfertige oder rhetorisch geschickte Entgegnung, mit der Sie aus so mancher Kritik oder Forderung eines Kollegen noch einen Imagegewinn für sich herausholen können. Probieren Sie es aus: Sie werden überrascht sein, wie wenig Sie wirklich schlucken müssen und wie offensiv Sie mit Kritik und Forderungen anderer umgehen können.

Kritik hinterfragen

Warum aber können Perfektionisten ungerechtfertigte Kritik nicht einfach abblocken oder zumindest hinterfragen? Die Antwort: Sie haben es nicht gelernt. Blicken Sie einmal auf Ihre eigene Kindheit zurück. Uns allen wird früh beigebracht, Kritik einfach hinzunehmen. Die Absicht dahinter ist, uns die Regeln und Normen nahezubringen, die wir einhalten müssen, wenn wir in der Gesellschaft zurechtkommen wollen. Doch werden uns manchmal die falschen Informationen vermittelt.

Isabel beispielsweise hatte im Französischunterricht Probleme mit der Aussprache. Eine einfache, sachliche Kritik ihrer Lehrerin wäre gewesen: “Deine Aussprache ist schlecht, übe das bitte zu Hause.” Stattdessen verband die Lehrerin die Kritik mit einer Wertung: “Wenn Du Dir nicht endlich Mühe gibst, Deine Aussprache zu verbessern, wirst Du nie Französisch lernen. Und wenn Du kein Französisch kannst, wirst Du es nicht weit bringen.”

Kritik filtern und bewerten

Die Absicht der Lehrerin war es sicher, Isabel zu mehr Leistung anzuspornen. Isabel jedoch ist seitdem überzeugt, im Leben zu versagen, wenn sie nicht perfekt Französisch lernt. Tatsächlich hatte Isabel das anfänglich auch angezweifelt: “Warum brauche ich denn unbedingt Französisch”, hatte sie ihre Lehrerin gefragt und zur Antwort bekommen: “Weil ich es sage, darum!”. Und als sie ihre Eltern fragte: “Ist Französisch denn wirklich so wichtig im Leben?”, manifestierten diese die Auffassung noch: “Wenn Deine Lehrerin es sagt, wird es schon so sein!” Und so hat Isabel gelernt, Kritik nicht in Frage zu stellen.

Das aber ist die falsche Reaktion. Denn selbst wenn Sie nach eingehender Überlegung zu dem Schluss gekommen sind, dass Sie tatsächlich kritisiert wurden, heißt das noch lange nicht, dass Sie die Kritik einfach so hinnehmen müssen. Besser ist es, die Kritik zunächst zu filtern und zu bewerten, bevor Sie sie ernst nehmen. Fragen Sie sich bei jeder Kritik:

Ist diese Meinung wirklich wichtig

Ist die Meinung des Personalers wirklich wichtig für Isabels weiteren Lebensweg? Ist Isabels Freund kompetent genug, ihre Französischkenntnisse zu beurteilen? Beide Fragen kann Isabel vermutlich mit einem klaren “Nein” beantworten. Ihre Antwort auf die Frage “Wer hat das gesagt” lautet also: “Niemand, auf dessen Meinung ich wert legen muss!”.

Wenn Sie beim Nachdenken über eine Kritik zu diesem Schluss kommen, können Sie die Aussage bedenkenlos vom Tisch wischen: Sie brauchen nicht weiter darüber nachzudenken. Wenn die Aussage des anderen es nicht wert ist, dass Sie ihr Gehör schenken: Ignorieren Sie die Kritik einfach. Auch wenn Sie glauben, Sie müssten reagieren oder wenn der andere seine Kritik laut vorbringt und ihr sogar Nachdruck verleiht: Lassen Sie sich auf keine Diskussion ein – auch wenn der andere sich ärgert. Das können Sie auch ganz bewusst machen: Verstehen Sie die Kritik absichtlich nicht. Wenn Sie etwas nicht verstehen (wollen), gerät Ihr Gegner in Erklärungszwang. Und auf jede Erklärung reagieren Sie erneut verständnislos. Oder bitten Sie um eine Erklärung: “Sie sind ja inkompetent!” – “Definieren Sie Inkompetenz!”

Machen Sie nicht den Fehler, nur von einer Meinung auf die Meinung aller anderen zu schließen. Holen Sie stattdessen noch andere Meinungen ein.

Pauschale Kritik ist nicht nützlich

Manche Kritik mag von einer kompetenten Person stammen, aber ist nicht hilfreich. Isabel zum Beispiel ist etwas unsicher, ob sie der Kritik ihres Freundes glauben schenken soll. Zudem ist ihr eine Aussage wie “Deine Französischkenntnisse sind schlecht” zu pauschal. Daher befragt sie eine französische Freundin, die ihr ein viel differenzierteres Urteil gibt: “Du könntest noch an Deinen Grammatikkenntnissen arbeiten, das kannst Du jedoch auch ohne Kurs erreichen. Deine Aussprache ist jedoch sehr gut.” Isabel ist der Freundin für diese hilfreiche Kritik sogar dankbar, denn nun weiß sie konkret, was sie verbessern kann. Die wenig hilfreiche Kritik ihres Freundes kann sie hingegen getrost überhören und muss sich nicht weiter damit beschäftigen.

Achten Sie einmal darauf, wie oft Kritik pauschal geäußert wird. Kennzeichen solcher Verallgemeinerungen sind so kleine und unscheinbare Worte wie “nie”, “immer” oder “alles”. Sie werden bald feststellen: Solche pauschalisierenden Äußerungen sind in der Regel wenig hilfreich, weil sie Ihnen nicht aufzeigen, was Sie besser machen können. Tatsächlich zielen diese Bemerkungen viel häufiger darauf ab, die Kritik unnötigerweise zu übertreiben und ihre Wirkung noch zu verstärken – wer immer Sie so kritisiert, will seiner Kritik noch zusätzliches Gewicht verleihen Wenn Sie sich dessen bewusst sind, brauchen Sie nicht mehr beleidigt zu sein, sondern können aktiv darauf reagieren.

Das Muster der Kritik beachten

Ein typisches Muster: Der Chef kritisiert, indem er eine einzelne Verhaltensweise als typisch für die ganze Person hinstellt, etwa: “Sie hören nie zu, wenn ich etwas erkläre.” Der Angegriffene wird als ganze Person abgewertet. Da hilft es nur, die Pauschalisierung, die ja an sich schon eine Übertreibung ist, deutlich ins Absurde zu treiben:

Kritik annehmen und zurückweisen

Manchmal ist die Kritik zwar berechtigt, Ihr Kritiker vergreift sich aber im Tonfall, etwa indem er Sie beleidigt – und das trifft Sie dann erst recht. Stellen Sie sich einmal Ihren Chef vor, der zu Ihnen sagt: “Es passt mir nicht, wie Sie das machen. Nur ein Idiot würde das so machen!”

Sie geben der Kritik an sich vielleicht recht, wenn Sie wirklich einsehen, dass Sie etwas falsch gemacht haben, aber gleichzeitig sind Sie gekränkt über die Unsachlichkeit der Bemerkung. Sie können Kritik in einem solchen Fall gleichzeitig annehmen und zurückweisen: “Gut, ich sehe ein, dass Ihre Art, das zu machen, besser ist.” Damit haben Sie dem Chef in der Sache selbst recht gegeben, aber gleichzeitig klar gemacht, dass Sie nicht seine unsachliche Meinung akzeptieren, ein Idiot zu sein.

Druck, der keiner ist

Einige Perfektionisten sind aber nicht nur gegenüber Kritik empfindlich, sie haben auch ein Problem mit Druck, den andere auf sie ausüben oder auszuüben scheinen. Und sie haben eine ganz eigene Methode entwickelt, sich dagegen zu wehren.

Ein Beispiel ist Michael, der in seinem Traumberuf als selbständiger Grafiker arbeitet. Sein aktueller Auftrag liegt ihm besonders am Herzen und voller Enthusiasmus macht er sich an die Entwürfe. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden erweist sich jedoch als schwierig: Jeden zweiten Tag schneit dieser mit neuen Ideen in Michaels Büro und will diese sofort in den Auftrag eingearbeitet sehen. Michael schafft es nicht, Nein zu sagen, obwohl der Arbeitsaufwand für diesen Auftrag den abgesprochenen Zeitaufwand bei Weitem übersteigt. Er setzt also die gewünschten Änderungen um. Innerlich aber kocht er vor Wut, dass der Kunde ihn so unter Druck setzt.

Die beste Art, sich die Freude an der Arbeit zu verderben

Obwohl er diesen Auftrag unbedingt haben wollte, hat er nun jede Freude daran verloren und zählt die Tage bis zum Abgabetermin. “Ich muss durchhalten, ich darf es mir mit dem Kunden nicht verderben”, zwingt er sich selbst. “Sie wissen ja, es ist sehr wichtig, dass der Auftrag pünktlich fertig wird”, sagt der Kunde beim letzten Gespräch. “Aber klar doch”, sagt Michael und weiß plötzlich, wie er sich rächen kann: Der Auftrag wird zum Abgabetermin nicht fertig. “Ein technisches Problem”, lügt Michael. Der Kunde ist jedoch sehr erbost: “Ich hatte doch extra darauf hingewiesen, wie wichtig die pünktliche Fertigstellung ist. Sie sind ja absolut unfähig. Ich werde Sie für die mir entstandenen Ausfälle haftbar machen.” Michael wird bewusst, dass er sich mit seinem irrationalen Verhalten selbst mehr geschadet als genutzt hat. Vielleicht hätte er dem Kunden doch einfach sagen können, dass er zu viel verlangt hat?

Machen Sie sich klar: Es gibt nur ein ganz klares Nein oder aber ein ganz klares Ja. Und wenn Sie zu einer Forderung Ja sagen, muss das aus vollem Herzen kommen. Sagen Sie noch zusätzlich: “…mach ich gern für dich” – dann machen Sie es auch viel lieber, weil Sie sich Ihren eigenen Worten verpflichtet fühlen.

Angst vor dem Nein?

Natürlich müssen wir alle in unserem Berufsalltag bestimmte Anforderungen erfüllen. Selbst wenn wir unseren Beruf freiwillig aufgrund persönlicher Vorlieben gewählt haben, können wir nicht immer tun und lassen, was uns Spaß macht. Das ist auch prinzipiell nichts Schlechtes, denn manchmal motiviert uns der Druck sogar – Stichwort positiver Eustress! Perfektionisten wie Michael jedoch haben ein Problem, die Wünsche, Bitten und Forderungen, die andere an sie stellen, abzulehnen. Sie haben Furcht, es sich mit anderen zu verderben, erwarten von sich, stets höflich zu sein oder bestimmte Verhaltensregeln und Normen zu erfüllen – ganz einfach um perfekt dazustehen. Daher können sie nicht Nein sagen. “Können Sie für mich nicht schnell diese Akte durchsehen?” oder “Haben Sie vielleicht kurz Zeit, mir dieses Computerprogramm zu erklären?” – kommen Ihnen solche Situationen bekannt vor? Und auch wenn Sie keine Zeit hatten, haben Sie vielleicht Ihr Arbeit liegen gelassen und sind der Bitte Ihres Kollegen oder Chefs nachgekommen – nicht, ohne sich hinterher über die verlorene Zeit zu ärgern.

Aber haben Sie keine Angst, jemanden zu verärgern, wenn Sie eine Bitte ablehnen! Andere Menschen akzeptieren offene Absagen viel leichter als dumme Ausreden, die sie ohnehin durchschauen: ” Tut mir leid, ich würde es sonst tun, aber ich habe auch heute Abend etwas vor.” Eine klare Ansage bringt Ihnen sogar Respekt ein. Deshalb können Sie unliebsame Forderungen auch ganz direkt abweisen. Wenn Ihre Kollegin fragt: “Ich muss heute Abend etwas einkaufen. Könnten Sie nicht ausnahmsweise für mich bis acht Uhr im Büro bleiben?”, sagen Sie nicht: “Eigentlich nicht so gern, aber wenn es sein muss…” Sie ärgern sich anschließend nämlich die ganze Zeit über sich selbst. Besser sagen Sie höflich, aber bestimmt “Nein” – ohne Weichmacher wie “eigentlich” oder “ich finde”. Seien Sie dabei offen, ehrlich und zeigen Sie keine Unsicherheit. Allerdings: Bleiben Sie auch höflich. Der Ton macht die Musik! Begründen Sie zudem genau warum Sie Nein sagen – dann sieht der andere, dass Sie nicht nur aus einer Laune heraus handeln: “Nein, ich werde nicht bis acht Uhr dableiben. Mir ist mein Feierabend wichtig. Sie müssen eine andere Lösung finden.” Dann haben Sie beim nächsten Mal auch Ihre Ruhe.

So sagen Sie “Nein!”

Hilfe, der will was von mir!

Einige Perfektionisten haben jedoch nicht nur das Problem, Nein zu sagen. Sie sehen auch Forderungen, wo gar keine sind. Michaels Kunde beispielsweise wollte Michael gar nicht kontrollieren und unter Druck setzten. Er war selbst so begeistert von dem Projekt, dass er lediglich seine Vorschläge beisteuern wollte. Und er war ernsthaft an Michaels Meinung interessiert: “Lassen Sie es mich bei Gelegenheit wissen, was Sie von meinen Ideen halten”, hatte er gesagt. Doch Michael ist leider einer jener Perfektionisten, die eine subtile Andeutung gleich als eine Forderung ansehen, die unbedingt und sofort erfüllt werden muss.

So wird aus der großen Begeisterung für das Projekt allmählich der Zwang, den Auftrag abarbeiten zu müssen. Statt frei zu entscheiden, ob er auf die Wünsche des Kunden eingeht oder nicht, erlegt sich Michael selbst den Zwang auf, sie erfüllen zu müssen. Aus einem “Ich will” wird der Imperativ “Ich muss!” Schade. Doch wenn Michael seine Arbeit als etwas wahrnimmt, was ihm von äußeren Kräften diktiert wird, könnte er bald gänzlich die Freude an seinem Traumjob verlieren. Er sollte sich auf seine eigenen Bedürfnisse besinnen und sich vergegenwärtigen, warum er überhaupt in diesem Job arbeitet und warum er sich selbständig gemacht hat – nämlich weil er es wollte!

Die eigenen Zwänge und ihre Ursachen

Nicht selten liegen die Ursachen dieser Empfindlichkeit gegenüber Forderungen in der Kindheit. Michaels Mutter beispielsweise war sehr dominant und zwang ihn ständig, Dinge zu tun, die er nicht tun wollte. Er schaffte es einfach nicht Nein zu sagen und war so sehr damit beschäftigt, auf das Verhalten seiner Mutter zu reagieren und sich von ihr abzugrenzen, dass er sich über seine eigenen Bedürfnisse nicht klar werden konnte. Bis heute hat er nicht wirklich gelernt, darauf zu achten, was er will. Vielen Perfektionisten ist nämlich nicht bewusst, in welche Denkfalle sie tappen – solange sie sich nicht wie Michael selbst im Weg stehen. Im Gegenteil: Menschen, die möglichste keine Fehler machen wollen, fühlen sich eigentlich ganz wohl damit, immer etwas “zu müssen”. Denn wenn sie ihre Handlungen als etwas erleben, was ihnen von “äußeren Kräften” diktiert wurde, können sie sich damit aus der Verantwortung ziehen und sich gegen Kritik immun machen.

Das ist eine recht bequeme Haltung. Denn auch wenn ein solcher Perfektionist etwas falsch macht, nimmt sein Selbstbild auf diese Weise keinen Schaden. Vielmehr kann er sich sagen: “Ich hatte ja keine andere Wahl, ich musste so handeln.” Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Perfektionisten, die häufig hohe moralische Ansprüche an sich und andere haben und besonders gewissenhaft erscheinen möchten, haben ein echtes Problem damit, zuzugeben, dass sie etwas nur deshalb tun, weil es ihnen Spaß macht. Es erscheint ihnen ehrenvoller, ihre Pflicht zu tun, statt ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Praktischerweise wird daher einfach der persönliche Wunsch zu allgemeinen Pflicht, der sich unser Perfektionist aufopferungsvoll hingibt.

Manipulatoren am Werk

Aufgepasst: Die hohen Ansprüche, die extreme Kritikfähigkeit und das Pflichtbewusstsein eines Perfektionisten machen sich andere, seien das nun Kunden, Chefs oder Kollegen gern zunutze. Denn nicht immer äußeren diese ihre Wünsche und Kritik sachlich, sondern verleihen ihnen besonderen Nachdruck – und das läuft häufig so subtil ab, dass es den Beteiligten selbst gar nicht bewusst wird. Doch tatsächlich wissen viele Menschen genau, wo sie bei Perfektionisten die Knöpfe drücken müssen.

Stellen Sie sich einen Chef vor, der Sie ruhig und gelassen um etwas bittet. Und nun stellen Sie sich denselben Chef vor, wie er hektisch und mit lauter Stimme inhaltlich die gleiche Bitte äußert. In welcher Situation springen Sie wohl eher auf und lassen alles stehen und liegen, um der Aufforderung umgehend nachzukommen? Es gibt einige solcher Manipulationsmethoden, die unterschwellig an das schlechte Gewissen, die Hilfsbereitschaft oder die moralischen Ansprüche von Perfektionisten appellieren. Und die haben alle eines gemein: Es wird Ihnen vermutlich erst bei längerem Nachdenken klar, dass es sich dabei um Manipulationsmethoden handelt.

Der Trick mit der Unersetzbarkeit

Der Chef, der Sie hektisch und mit lauter Stimme um die Erledigung eines Gefallens bittet, macht genau das: Er nutzt diese Mittel, um Sie dazu zu bringen, etwas für ihn zu tun. Denn manche Dinge erscheinen nur deshalb besonders dringend, weil der andere sie wichtig erscheinen lassen will, damit Sie seinem Wunsch absolute Priorität einräumen. Eine andere Methode besteht darin, Sie mit Schmeicheleien dazu zu überreden, ihm einen Gefallen zu tun: “Sie kennen sich so gut aus – würden Sie mir helfen diese Informationen zu recherchieren?” Da es Perfektionisten besonders freut, wenn sie für unersetzbar gehalten werden, helfen sie natürlich gern.

Machen Sie das persönliche Problem eines anderen nicht zu Ihrem eigenen, wenn Sie um etwas gebeten werden. Geben Sie höchstens einige Ratschläge zur Selbsthilfe, “Ich habe genau zu diesem Thema kürzlich ein sehr interessantes Buch gelesen – das wäre bestimmt etwas für Sie!”

Drohungen und andere Gemeinheiten

Aber auch versteckte Drohungen gehören zum Repertoire solcher “Manipulatoren”, die genau wissen, wo sie einen echten Perfektionisten treffen können. Aussagen wie “Geben Sie sich doch etwas mehr Mühe!” oder “Sie haben mich tief enttäuscht!” treffen wie die Faust aufs Auge, denn es wird nicht nur die sachliche Aussage (“Sie haben einen Fehler gemacht.”) transportiert, sondern sie wird mit einer Wertung verknüpft. Denn wenn Sie nicht auf diese Kritik reagieren, hält der andere Sie, so lautet seine implizite Botschaft, automatisch für faul, unmoralisch oder einen schlechten Menschen.

Manchmal werden Kritik und Forderungen auch in Sticheleien und kleine Gemeinheiten verpackt, um ihnen besonderen Nachdruck zu verleihen. “Ihr Verhalten ist doch nicht normal”, “Sie sind der Erste, der mit meiner Bitte ein Problem hat” oder “Normalerweise macht man das aber anders”. Die Spitze steckt dabei in so unscheinbaren Worten wie “natürlich”, “normal” oder “man”, wie etwa in der Aussage “Man kann das ja kaum glauben!”.

Damit das Selbstbild keinen Schaden nimmt

Wichtiger ist jedoch das, was ungesagt bleibt, nämlich die implizite Meinung des Kollegen: “Nicht nur ich bin dieser Ansicht, sondern die Mehrheit – und wer die Ansicht nicht teilt, ist irgendwie komisch und hat unrecht.” Gerade Menschen, deren perfektionistisches Bestreben ohnehin darin besteht, Unannehmlichkeiten um jeden Preis zu vermeiden, trifft dieser implizite Vorwurf hart. Daher ist die Versuchung groß ist, sich der angeblichen Mehrheitsmeinung zu beugen, denn wer möchte schon gern als Sonderling gelten. Oft genug steht der soziale Konsens jedoch auf ziemlich wackeligen Beinen und es gehört nur etwas Mut dazu, die Aussage ganz trocken zu entkräften.

Antworten Sie beispielsweise: “Einer muss ja mal der Erste sein”, beziehungsweise “Doch, das ist völlig normal”. Und wenn ein Kollege Sie kritisiert: “Ihren Vorschlag kann man doch nicht ernst nehmen, so etwas kann ja niemand wirklich glauben”, antworten Sie: “Wer hier im Büro ist noch dieser Meinung?”, “Doch, der Chef war sehr angetan” oder einfach, “Doch, das können Sie ruhig glauben.”

Fragetechniken – nur scheinbar nett

  1. Eine geschickte Methode der Manipulation, die auf Perfektionisten ihre subtile Wirkung nicht verfehlt und sie sehr schnell unter Druck setzt, sind Suggestivfragen. Bei diesen Fragen gibt sich der Fragesteller selbst die Antwort und will Sie so von der Berechtigung seiner Aussage überzeugen: “Sind Sie nicht auch dieser Meinung?” Antworten Sie einfach mit Mut “Nein!”
  2. In eine ganz ähnliche Richtung laufen Entscheidungsfragen – und auch diese sind dazu angetan, Menschen, die sich schnell überfordert fühlen, völlig hilflos zu machen. Denn bei solchen Entscheidungsfragen hat man Ihnen die Entscheidung, ob Sie eine Bitte erfüllen wollen oder nicht, schon abgenommen:
  3. “Wir haben für morgen ein Meeting der Arbeitsgruppe angesetzt. Wollen Sie über Ihr Projekt sprechen?” Wenn Sie jetzt nur die Frage beantworten, haben Sie die Forderung schon akzeptiert. Auch hier ist es wichtig, zunächst auf die Aussage einzugehen und dann die Frage zu beantworten: “Ich habe morgen keine Zeit. Aber wenn wir das Meeting übermorgen abhalten, würde ich gerne auch über mein Projekt reden!”
  4. Eine gemeine Form der Kritik sind hingegen Feststellungsfragen. Sie platzieren hinter einer negativen Aussage nämlich eine Frage. “Sie sind mit dieser Aufgabe offenbar überfordert. Welche Projekte haben Sie für das nächste Quartal geplant?” Meist beantwortet man dann nur die Frage und lässt die vorher getroffene Aussage unwidersprochen stehen. Damit weist man aber die negative Beurteilung nicht zurück.

Besser: Gehen Sie sachlich auf die Aussage ein und widerlegen Sie diese mit Fakten, aber rechtfertigen Sie sich nicht: “Wie die Zahlen belegen, bin ich mit meiner Arbeit keineswegs überfordert, sondern konnte noch zusätzliche Gewinne erzielen.” Dann erst beantworten Sie die Frage: “Aufgrund dieser Erfolge plane ich für das kommende Quartal…”

Moralische Erpressung

Es gibt noch weitere, unfeine Methoden: die moralische Erpressung. Man versucht, Sie zu etwas zu überreden, weil es angeblich Usus sei. Ein Chef, der zum Beispiel sagt “Bitte geben Sie Ihren Bericht heute noch ab – alleanderen haben das schon gemacht!” lässt Ihnen keine Chance mehr, Nein zu sagen. Denn Sie wollen ja nicht der Einzige sein, der aus der Reihe tanzt. Das funktioniert hervorragend, um Kritik noch zu verstärken: “Allefinden, dass Sie dieser Aufgabe nicht gewachsen sind” – Diese Aussage zieht einen angeblichen sozialen Konsens heran: Die Mehrheit hat immerrecht – und wer sind Sie denn, dass Sie diese Meinung in Frage stellen könnten? Sie können! Lassen Sie sich nicht nötigen und geben Sie den indirekten Vorwurf einfach zurück an den Absender:

Sich wehren – oder?

Bei derartigen Manipulationstechniken ist es also kein Wunder, dass manche Perfektionisten sich von Kritik und Anforderungen so unter Druck gesetzt fühlen, dass Sie regelrecht zurückschlagen:

“Ich würde mich freuen, wenn Sie das bis Ende der Woche erledigen würden.” In dieser so vorgetragenen Bitte sieht Michael eine Forderung seines Kunden. Daher will er den Auftrag absichtlich nicht pünktlich abliefern, um sich zu rächen. Und auch Isabel will den gut gemeinten Ratschlag ihres Freundes nicht hören und verschließt sich völlig gegen die Kritik, statt konstruktiv damit umzugehen. Beide fühlen sich von Druck und Kritik derart überrollt, dass sie genau das Gegenteil von dem tun, was vernünftig wäre.

Die absurde logik der Perfektionisten

Auch wenn dieses Verhalten alles andere als rational ist, folgt es doch einer gewissen inneren Logik: Für viele Perfektionisten ist die einzige Möglichkeit, sich zu wehren, dass sie es ablehnen, die Forderungen anderer zu erfüllen oder die Kritik nicht annehmen – und das manchmal derart absolut und konsequent, dass sie sich damit am Ende selbst in Schwierigkeiten bringen. Hauptsache, sie haben es den anderen einmal so richtig gezeigt!

Doch diese Methode ist nicht zu empfehlen. Unempfindlicher gegenüber Kritik und Forderungen zu werden bedeutet nicht, dass Sie generell nicht mehr auf Kritik reagieren und jede Anforderung automatisch abblocken sollen, auch wenn Sie das in einer Art Alles-oder-Nichts-Haltung gern so machen würden. Denken Sie daran, dass Perfektionisten dazu tendieren, Dinge in den Kategorien von Alles oder Nichts zu bewerten. Dass der Kunde Michael als “absolut unfähig” kritisiert, verstärkt diese Denkweise natürlich noch. Michael sieht nur, dass er die Forderung seines Kunden entweder zu 100 Prozent erfüllen muss oder gar nicht. Und er fühlt sich tatsächlich absolut unfähig, wenn er es nicht schafft. Er übersieht, dass es “dazwischen” noch andere Möglichkeiten gibt.

Manchmal müssen wir Kritik akzeptieren

Manchmal müssen wir Kritik akzeptieren. Denn ein kritisches, aber sachliches Feedback bringt uns in unserer Entwicklung weiter. Und ebenso wichtig ist es, dass wir uns bewusst mit den Forderungen von anderen auseinandersetzen, um diese dann entweder zu erfüllen oder zurückzuweisen. Beides geht nur, wenn Sie kritische und fordernde Äußerungen und Bemerkungen, die Sie unter Druck setzen, ganz bewusst analysieren, bewerten und die Verbesserungsmöglichkeiten herausfiltern. Vergessen Sie nicht: Sie allein entscheiden, welche Kritik Sie annehmen und auf welche Forderung Sie eingehen. Auch wenn Sie das als Perfektionist kaum glauben mögen: Das gilt selbst dann, wenn Sie gerade bei einem Fehler erwischt wurden.

Wie man es besser machen kann, zeigt das Beispiel Michael auch. Die Meinung des Kunden hat für ihn also Gewicht – schließlich ist er von zufriedenen Kunden abhängig. Daher wägt er beim nächsten Mal ab: Ist die Forderung des Kunden wirklich vollständig berechtigt oder nur zum Teil? Ist seine Äußerung sachlich oder kann Michael zumindest einen sachlichen Kern herausfiltern? Michael kann durch diese Analyse und in Absprache mit seinen Kunden herausfinden, dass es reicht, wenn er einige erste Entwürfe bis Ende der Woche fertig hat. Die endgültige Fassung kann er nachreichen. Und er kann aus der Kritik seines Kunden einige Verbesserungsvorschläge herausfiltern. Den pauschalen Vorwurf, absolut unfähig zu sein, weist er jedoch zurück.