Wie verhalte ich mich, wenn mein Gegenüber vor Wut schäumt? Wir zeigen Ihnen, wie Sie die Wut entschärfen, sich schützen und für eine starken Abgang sorgen können.

Schlagfertig reagieren bei Wutausbrüchen: Souverän schweigen & genießen

Das “Niederschweigen”

Schweigen und Schlagfertigkeit, wie passt das zusammen? Nun, zur Schlagfertigkeit gehört eben auch, dass man zur richtigen Zeit den Mund halten kann. Aber haben wir nicht bislang immer behauptet, Schlagfertigkeit durchbreche die Sprachlosigkeit?

Schlagfertigkeit mache Sie souverän? Und in manchen Situationen käme es darauf an, überhaupt etwas zu sagen? Nun, das bleibt nach wie vor gültig. Dennoch kann es in manchen Situationen besser sein zu schweigen. Dabei handelt es sich nicht um pure Sprachlosigkeit, sondern um ein souveränes Schweigen.

Sie entscheiden, wann Sie antworten

Das “Niederschweigen” ist eine durchaus angemessene Reaktion auf einen Wutausbruch. “Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen”, sagt der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Das gilt auch hier: Solange sich der andere austobt, hat es gar keinen Sinn das Wort zu ergreifen. Was wollen Sie denn vernünftigerweise sagen? Er wird allen guten Gründen sofort den Hals umdrehen, also halten Sie Ihre Rechtfertigung noch ein wenig zurück. Auch wenn Sie Ihr Gegenüber auffordert: “Was sagen Sie denn dazu?”, müssen Sie nicht notwendigerweise antworten.

Sie warten vielmehr ab, bis sich die passende Gelegenheit ergibt. Günstig ist es immer dann, wenn sich die erste Versachlichung abzeichnet. Wenn Ihr Gegenüber also darauf zu sprechen kommt, was vorgefallen ist. Dann können Sie antworten, wenn Sie wollen. Sie müssen es aber nicht.

Je länger Sie schweigen, desto hilfloser wird der andere

Es ist ein merkwürdiges Phänomen, aber wenn Sie wirklich gar nichts sagen, bleibt der andere in seiner Wut ganz allein und beruhigt sich nach und nach. Wichtig ist, dass Sie auch körpersprachlich “schweigen”, also eine möglichst neutrale Haltung einnehmen. Wenn Sie zusammengesunken auf Ihrem Stuhl sitzen und Ihre Augen niederschlagen, können Sie nicht erwarten, den anderen “nieder zu schweigen”.

Beispiel: Szene eines Ehekrachs

Das Ehepaar Trautmann hat einen heftigen Ehestreit. Sie schreit ihn an, überhäuft ihn mit Vorwürfen: “Du bist der rücksichtsloseste Mistkerl!”, “Du denkst nur an dich!”, “Du hast mich ausgenutzt!”, “Du hast mich belogen und betrogen!”, “Warum tust Du mir das an?”

Herr Trautmann erwidert nichts, sitzt in seinem Sessel und trinkt in aller Ruhe ein Glas Bier. “Wie kannst Du nur so dasitzen und Dein Bier trinken?” Keine Reaktion. “Ich bedeute Dir wohl überhaupt nichts?” Herr Trautmann sieht seine Frau an und sagt noch immer nichts. “Jetzt rede endlich!”, schreit sie ihn an. Kein Wort. “Warum sagst Du denn nichts?” – “Bist Du fertig?”, fragt er unbeeindruckt.

Sie lassen den anderen zappeln

Es ist mit Händen zu greifen: Derjenige, der die Situation bestimmt, ist derjenige, der schweigt. Solange Sie keine Antwort geben, keine Stellungnahme abgeben, kann der andere nichts machen. Er wird immer hilfloser.

Machen Sie ruhig einmal die Gegenprobe und stellen Sie sich vor, bei den letzten beiden Beispielen hätten die “Schweiger” gesprochen. Sie hätten nicht viel sagen müssen, um die ganze Wucht des Wutausbruchs noch zu steigern. Sie hätten mit Ihrer Reaktion dem Feuer nur neue Nahrung gegeben.

Beispiel: Ehekrach Gegenprobe

Sie: “Du bist der rücksichtsloseste Mistkerl!” – Er: “Ich finde, jetzt übertreibst du!” – Sie: “Ach ja, ich übertreibe? Ich finde eher, dass ich noch untertreibe!” – Er: “Aber hör doch…” – Sie: “So wie Du dich benimmst! So rücksichtslos, so egoistisch!” – Er: “Ich gebe ja zu…” – Sie: “Du hast mich hintergangen und ausgenutzt!” – Er: “Aber Du bist ganz schuldlos, wie?” – Sie: “Ach, das ist ja wohl die Höhe! Du hintergehst mich – und ich soll auch noch Schuld daran sein!”

Souverän schweigen und genießen

Das dosierte “Niederschweigen” kann jedoch nicht nur bei Wutausbrüchen gute Dienste leisten. In vielen Situationen, in denen man von Ihnen eine prompte Reaktion erwartet, können Sie durch Schweigen die Gegenseite verunsichern. Zum Beispiel:

Vorsicht, Eskalationsgefahr!

Das “Niederschweigen” kann für den anderen außerordentlich zermürbend sein. Das macht diese Methode einerseits so ungeheuer stark, andererseits liegt darin auch eine erhebliche Gefahr. Wenn der andere bei einem Streit den Eindruck hat, dass er gar nicht mehr an Sie herankommt, dann wird er versuchen, Ihnen doch noch eine Reaktion zu entlocken.

Wenn die Sache gut geht, stellt er fest, dass er “auf der Wutschiene” nicht weiterkommt. Er bezieht sich auf die Sache und nicht mehr auf Sie als Person, so dass Sie wie erwähnt sachlich Stellung nehmen können. Oft aber weiß sich der andere nicht anders zu helfen, als mit voller Kraft auf der “Wutschiene” bis zum bitteren Ende durchzufahren. Das heißt, er wird Sie immer heftiger attackieren und herausfordern. So lange, bis Sie irgendwie reagieren – auch wenn er damit rechnen muss, dass Ihre “Antwort” immer zerstörerischer ausfällt.

Eine solche Eskalation müssen Sie auf jeden Fall verhindern. Wenn Sie merken, dass Ihr Gegenüber immer ausfallender wird, dann wechseln Sie zur “Dolmetscher-Technik” der “diplomatischen Zunge”.

Lassen Sie sich nicht überspielen

Es ist ratsam, die Technik des “Niederschweigens” mit Augenmaß zu gebrauchen. Denn wenn Sie sich grundsätzlich erst einmal in Schweigen hüllen, wenn die anderen von Ihnen eine Antwort erwarten, sorgen Sie für Verärgerung und Sie riskieren, dass man Sie einfach überspielt.