Wir haben heute viele Freiheiten – darunter die Freiheit, wählen zu können. Nicht nur politisch, sondern auch ganz allgemein: Jeden Tag aufs neue können und müssen wir Entscheidungen treffen. Das überfordert uns schnell.

Richtig entscheiden unter Stress: Zu viele Wahlmöglichkeiten machen unproduktiv

Die meisten wollen vorselektierte Häppchen

Ich gestehe ein, dass man mir nachsagt, ich würde andere Menschen gerne überfordern. Zum Beispiel wenn ich einen Vortrag halte oder auch bei der Gestaltung meiner Website. Mittlerweile ist es besser geworden; ich habe eingesehen, dass weniger mehr ist. Aber nur widerwillg. Denn eigentlich ist mein Anspruch, meinem Leser oder Zuhörern die größtmögliche Menge an Informationen zu bieten und ihm die größtmögliche Wahlfreiheit zu lassen. Zum Beispiel haben unsere Leser die Möglichkeit, sich Textsammlungen zusammenzustellen und als eBook oder PDF herunterzuladen.

Ich bin daher immer ein wenig entsetzt, wenn ich merke, dass die Leute das gar nicht wollen, sondern die Informationen am liebsten in vorselektierten Häppchen genießen. Den Aufwand des Entscheidungsprozesses wollen sie gerne mir überlassen. Genau aus diesem Grund bietet unser Verlag seine Text-Zusammenstellungen mittlerweile auch recht erfolgreich als fertige eBooks an. Und daher möchte ich heute die Frage stellen: Kann zu viel Wahlfreiheit unproduktiv machen? Und was bedeutet das im Arbeitsleben?

Zu viel Auswahl verbraucht unnötige Ressourcen und überfordert

Das wurde mir mal wieder klar, als ich einmal nach Texas reiste. Und mir dort vorkam wie bei Subway. Ihr wisst schon, Subway ist diese Sandwich-Kette, bei der man sein Sandwich nach persönlichem Gusto konfigurieren kann. Das ist mit ein Grund, warum Viele da nicht hingehen: Die Auswahlmöglichkeiten überfordern einfach.

Die Texaner setzen da noch eins drauf: Sie haben auch in den Restaurants so viele Wahlmöglichkeiten, dass einem ganz schwindlig wird. Das könnt Ihr Euch so vorstellen: Man studiert ausgiebig die Speisekarte, schon nicht ganz einfach, wenn man nicht perfekt Englisch kann. Dann hat man endlich etwas gefunden, bestellt – und sofort konfrontiert einen das Service-Personal mit einer Reihe von weiteren Auswahlmöglichkeiten: Das Fleisch medium oder durch? Mit gebackenen Kartoffeln oder Pommes? Die Sauce scharf, mit Knoblauch oder süß-sauer? Mit Gemüse oder Salat? Große oder kleine Portion? Und und und.

Wie trifft man bessere Entscheidungen im Leben und in der Arbeit? Nicht einfach irgendwas machen

Ich muss gestehen: Ich habe gelegentlich einfach irgendwas bestellt, ohne genau zu wissen was da kommt. Das war natürlich auch ein Sprachproblem – aber nicht nur: Wie soll ich denn wissen, ob mir die angebotene Geschmacksrichtung auch gefällt, wenn ich sie vorher noch gar nicht versucht habe? Und selbst wenn ich weiß, worum es sich handelt: Woher weiß ich denn, ob eine andere, vielleicht neue Variante mir nicht noch besser schmecken würde?

Das Problem lässt sich direkt auf das Arbeitsleben übertragen: Auch hier fühlen wir uns ständig von zu vielen Wahlmöglichkeiten überfordert, ja manchmal geradezu gelähmt. Das hängt damit zusammen, wie unser Gehirn Entscheidungen trifft. Denn für jede Wahl müssen zunächst alle Informationen aufgenommen, verarbeitet und dann mit bestehenden Erfahrungswerten verglichen werden. Zwar arbeitet unser Gehirn auf Hochtouren, aber fünf Entscheidungen in der Minute zu treffen, ist einfach zu viel. Kein Wunder also, dass ich mich von texanischen Speisekarten überfordert fühlte.

So laufen Entscheidungszprozesse im Gehirn

Und noch etwas ist wenig verwunderlich, wenn man sich die Ergebnisse einer Studie anschaut, die im Forschungszentrum Jülich und an der Universität Köln zur Entscheidungsfindung im Gehirn durchgeführt wurde: Dass ich mich für irgendetwas entschieden habe, ohne genau zu wissen, was ich da eigentlich bestelle. Denn mir fehlten einfach die notwendigen Informationen, um eine wirklich gute Entscheidung zu treffen.

Damit kommen wir zum Kern des Problems Entscheidungsfindung: Das Gehirn trifft Entscheidungen für oder gegen eine Sache, indem es die neuen Informationen mit bisherigen Erfahrungen abgleicht. Leider haben wir nicht immer die Zeit, alle Informationen zu sammeln – wie im Restarant, als die Servicekräfte die Speisekarte herunterratterten und mit gezücktem Notizblock gleich meine Bestellung aufnehmen wollten. Sie setzten mich mit ihrer Erwartungshaltung extrem unter Druck. Doch wenn, wie in diesem Fall, wichtige Informationen und Erfahrungswerte fehlen, dann kann man sich eigentlich gar nicht entscheiden.

Die 4 Hauptschritte in einem typischen Entscheidungsprozess

Wie geht man daher am besten vor, um auch unter Stress zu einer guten Entscheidung zu gelangen? Die folgenden 4 Hauptschritte helfen:

  1. Der erste Schritt besteht darin, eine Liste der Dinge zu erstellen, die Sie tun müssen. Stellen Sie sicher, dass Sie alle Dinge aufschreiben, die Ihnen auf dem Herzen liegen, nicht nur die wichtigsten Aufgaben. Ordne sie dann nach Wichtigkeit.
  2. Der nächste Schritt besteht darin, jede Aufgabe auf Ihrer Liste zu priorisieren und Fristen festzulegen, wann sie erledigt werden sollen. Auf diese Weise können Sie Ihren Alltag besser planen und Entscheidungen darüber treffen, wann Dinge in Zukunft erledigt werden sollen.
  3. Der dritte Schritt besteht darin, mit einem erreichbaren Ziel zu beginnen, das nicht zu groß oder kompliziert ist. Dies motiviert Sie und ermöglicht Ihnen, kleine Schritte zum Erfolg zu machen, ohne von einem großen Projekt überfordert zu werden.
  4. Der vierte Schritt erfordert, Grenzen um sich selbst zu setzen, damit Sie Zeit für Schule, Arbeit und sich selbst haben

So treffen Sie in kürzerer Zeit effektiv eine Entscheidung: Zeitdruck ist das wahre Problem

Ich habe, um nochmals meine Erfahrungen in Texas als Beispiel zu nehmen, in vielen Fällen darum gebeten, in ein paar Minuten noch einmal vorbeizuschauen – Zeit, die ich brauchte, um die Speisekarte zu übersetzen oder mir dieses oder jenes Angebot von meiner Begleitung erklären zu lassen. Auch das lässt sich auf viele andere Situationen übertragen: Häufig sind wir noch gar nicht bereit für eine Wahl, wir brauchen erst noch weitere Informationen. Und um die zu bekommen, müssen wir uns Zeit verschaffen.

Wie das geht, haben wir unter anderem in unserem Buch “Entscheide Dich Jetzt” beschrieben: Zum Beispiel indem man hinterfragt, wer da eigentlich auf eine sofortige Entscheidung drängt und warum. Und dass man jede wichtigere Entscheidung nochmals “sacken lässt”, indem man z.B. mindestens eine Runde um den Block läuft.

Bessere Entscheidungen & weniger Stress

Um noch einmal auf den Anfang dieses Textes zurückzukommen: Wenn ich den Aufwand bedenke, den jede Entscheidung im menschlichen Gehirn verursacht, dann wird mir klar, warum meine Leser keine Lust auf eine breite Auswahl haben. Ich verstehe jetzt allerdings auch, dass nicht die Anzahl der Wahlmöglichkeiten überfordert, sondern der Zeitdruck, unter dem die meisten Entscheidungen gefällt werden müssen. Genau das ist auch das Problem, das Zuhörer und Leser haben: Zu wenig Zeit, um die Informationen alle zu verarbeiten.

Mein persönliches Fazit aus meiner Erfahrung: Als Dienstleister – sowohl im Restaurant als auch bei sonstigen Tätigkeiten – kann man seinen Kunden ruhig viele Wahlmöglichkeiten anbieten. Aber man sollte ihnen immer auch genug Zeit geben, um die Informationen zu verarbeiten und die richtige Entscheidung zu fällen.