Sascha Lobo hat gestern in seiner Kolumne auf Spiegel Online kräftig auf die deutsche Internetszene und ihre selbstgefällige Arroganz geschimpft. Und: In seiner Aussage hat er recht damit. Nur seine Argumente sind zum Teil eher schlecht. Der Versuch einer Differenzierung!

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Gesellschaft der Spezialisten?

Das Thema treibt mich selbst schon länger um: Warum schotten sich in unserer Gesellschaft die einzelnen Gruppen, zum beispiel Berufsgruppen, so stark voneinander ab, dass kein Diskurs mehr möglich ist?

Dass die verschiedenen Gruppen praktisch Aliens nebeneinander stehen und sich gar nicht mehr verstehen? Dass diese Kluft, dank Internet, immer größer zu werden droht? Und was kann man dagegen tun?

Spotten über Spötter

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Man könnte sagen: Lobo spottet in seiner Kolumne über die Spötter. Genauer gesagt nimmt er jene geschätzten 50.000 Leute aufs Korn “die irgendwie zur Diskussion um die digital vernetzte Sphäre beitragen und das Leitbild eines freien und offenen Internets vertreten.”

Denn die benehmen sich wie digitale Herrenmenschen, die sich mit großer Hybris anderen über andere erheben: Nämlich über die ahnungslosen Offliner und die ignoranten Internetausdrucker, die sie mit Häme und Verachtung überschütten.

Bei Lobo auf der Couch

Dabei, sagt Lobo, sind die Netz-People selbst ignorant. Und legt die deutsche Internetszene sehr gekonnt auf die Couch:

Das Ergebnis: Kein Ergebnis

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Das führt dann nur leider, und da hat Lobo völlig recht, dazu, dass am Ende nicht das gewünschte Ergebnis herauskommt. Gerade weil man sich ständig von anderen abheben will, erreicht man die die anderen eben nicht. Dabei kommt dann heraus, dass einhundertmal so viele Durchschnittsbürger die Pendlerpauschale treffend erklären können wie die Netzneutralität. Und genau das ist der Knackpunkt wie Lobo am Ende seines Textes, politisch werdend sagt:

“Die meisten Experten – nicht nur unsere – sind überzeugt, dass wir uns auf dem Weg in die vernetzte, digitale Gesellschaft befinden. Und aus unserem Kreis, aus der Internetszene, müsste sich eigentlich genau die digitale Intelligenz rekrutieren, die öffentlich darüber nachdenkt, wie dieser Weg aussehen kann. Dafür müssten wir unsere trotzige und Gegentrotz erzeugende Impertinenz ablegen und mit der Offenheit, die wir unablässig einfordern, auf die gesamte Gesellschaft ohne Herablassung zugehen.”

Ist Gunter Dueck asozial?

Wie gesagt, in dieser seiner Aussage gebe ich Lobo durchaus recht. Aber seine Argumente sind zum Teil ein wenig schief. Da wäre zum Beispiel Gunter Dueck, den er als asozial tituliert. Grund: Dueck hatte auf der re:publica 2011 sehr überspitzt dargestellt, wie das Internet unser Gesellschaftssystem und auch die Arbeitswelt verändert – zum Beispiel mit Fragen wie: “Glauben Sie nicht, wenn jemand eine Krankheit hat, dass er dann zehnmal mehr weiß nach zwei Stunden surfen als sein Arzt?”

Nun, wenn man das wörtlich nimmt, kann man darin tatsächlich die “groteske Verhöhnung von Ausbildung, Professionalität und Wissenschaft” erkennen, die Lobo darin sieht – und auch die Anbiederung an das Publikum. Ich habe Dueck nicht wörtlich genommen, denn er hat vor allem überzogen, um zu provozieren.

Wie das Netz unsere Berufswelt verändert

M.E. will Dueck vor allem auf die entscheidenden Veränderungen hinweisen, die unsere Gesellschaft mit sich bringt. Zum Beispiel auch, weil einige Berufe Ihre Bedeutung verlieren, die wir dank Internet selbst erledigen können. Für alles andere brauchen wir besser ausgerüstete Fackräfte und die Fähigkeit zu ständiger Flexibilität und zum Lebenslangen lernen – Thomas hat dazu einen sehr guten Beitrag geschreiben.

Duecks verdienst besteht aber für mich auch darin, auf den Irrsinn hinzuweisen, auf den wir dank des schnellen gesellschaftlichen Wandels immer schneller hinsteuern: Nämlich, dass viele Ausbildungswege und die daraus resultierenden Berufsbezeichnungen mittlerweile veraltet sind und dass ständig neue Professionen entstehen, für die dann eine einheitliche Bezeichnung fehlt – dazu mehr in diesem Beitrag.

Wer populiert, verliert?

Womit wir aber beim Grundproblem – nach Lobo – in der gesamten Diskussion sind. Nämlich die Art und Weise der Diskussion. Das läuft nämlich so einiges falsch – und das nicht nur im Internet. Zum Beispiel dass die größte Aufmerksamkeit immer der bekommt, der am lautesten schreit.

Mit dem Ergebnis, dass die differenzierten, leisen Töne in der Regel nicht gehört werden. Zu sehen an so ziemlich jeder öffentlichen Diskussion, die im Internet oder sonstwo in den Medien stattfindet. Und ich weiß wovon ich rede: Ich habe es jahrelang in meinen Büchern oder auf Best of HR – Berufebilder.de® mit differenzierten, leisen Tönen versucht.

Und was ist mit Sarrazin?

Daher kann ich Lobo nicht zustimmen: Wer populiert, verliert nicht, er gewinnt. Dass im Jahr 2010 die Zahl der diskursrelevanten Bestseller aus Deutschland zur Digitalen Sphäre null betrug, ligt nicht am fehlenden Angebot, sondern daran, wie die deutsche Verlags- und Medienlandschaft funktioniert.

Es gibt wahrscheinlich gute Bücher, nur kennt sie keine Sau, weil sie nicht ausreichend beworben werden, nicht in die Presse kommen oder der Titel nicht provokativ genug ist.Dazu, wie ein Bestseller gemacht wird, hier mal eine Lesempfehlung. Stattdessen gewinnt Daueraufreger Thilo Sarrazin, der auch 2011 noch in den Talkshows sitzt.

“Was tun?” sprach Lobo

Lobo gibt sich selbstkritisch: “Mir fällt es wie vielen diskussionsfreudigen Mitgliedern der Internetszene viel zu schwer, bestimmt, aber eben freundlich die gleichen Argumente wie bei den einhundert Konfrontationen zuvor zu präsentieren und auf eventuellen Populismus gerade nicht populistisch oder lulz-heischend zu reagieren.”

Seine Forderung: Die Abkehr vom Populismus – und ist doch selbst in diesem Text mehr als populistisch, etwa wenn er vom digitalen Herrenmenschen oder dem asozialen Gunter Dueck spricht. Oder wenn er den CDU-Politiker Jürgen Doetz zitiert, der der re:publica “faschistoide Tendenzen” vorwirft (und über den ich grade vorgestern etwa interessantes auf netzpolitik.org las).

Doch nur ein Kommunikationsproblem?

Eben weil Lobo schon selbst erkannt hat, dass es ärgerlicherweise keine Alternative zu geben scheint. Weil das Volk schwerhörig ist. Lobo weiß allerding nur, wie es nicht geht, nämlich indem man gleiches mit gleichem heimzahlt. Immerhin hat er auch erkannt, dass die Schuld an dem Tiefen Diskussions-Graben nicht nur auf einer Seite zu suchen ist – und entlarvt damit das ganze Dilemma als Kommunikationsproblem:

“Bei aller kritisierenswerten Hybris der Netzgemeinde muss man jedoch zumindest erwähnen, dass die gegnerischen Kräfte ab und zu aus eigenen Interessen unsachlich, populistisch oder sogar inhaltlich falsch argumentieren. Das sollte man nicht verharmlosen – es entspricht aber bei Interessengruppen eher dem Normalfall. Unser Diskussionsverhalten sollte deshalb nicht nach der dritten Provokation entnervt in die Hochmut abgleiten, wenn wir tatsächlich etwas erreichen wollen.”

Alternativen und Ideen gesucht

Daran sieht man: Auch die andere Seite baut fleißig weiter am Graben. Wie aber die überwinden? Und das ist Lobos Versäumnis bei diesem sonst an sich guten Text, etwas, dass ich wirklich schmerzlich vermisse: Das Aufzeigen von praktikabelen Lösungsansätzen, wie man die Gräben denn langsam wieder zuschüttet. Sowas wie: Knigge-Kurse für Nerds zum Beispiel. Oder irgendetwas anderes Unsinniges.

So also doch mal wieder nur hohle Worte und die üblichen Schmähkritiken statt Ideen? Stopp, Ideen gibt es, nämlich bei Stefan Urbach, der hier sehr anschaulich erklärt, wie Menschen mit unterschiedlichem Wissenshintergrund dennoch gut Zusammenarbeiten könnten. Vielleicht ein Anfang!


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