Die digitale Revolution schreitet schnell voran, aber gerade in der IT-Branche fehlen gute Nachwuchskräfte. Unternehmen sollten daher gezielt auch in Mitarbeiter 40+ investieren – durch HR-Managment, gezielte Weiterbildung und Agile Unternehmensstrategien. 10 Tipps wie das gelingen kann.

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Weiterbildung gegen Fachkräftemangel?

“Das Leben lernt nie aus.” Hinter diesem Zitat von Michael Marie Jung (*1940), unter anderem Professor, Führungskräftetrainer und Coach steckt eine Botschaft, die sich nahtlos auf unsere heutige Arbeitswelt übertragen lässt. Lernprozesse hören längst nicht mehr mit dem Einstieg in die Berufswelt auf, denn die Halbwertszeit für Wissen ist durch die digitale Transformation und das hohe Entwicklungstempo technischer Innovationen stark zurückgegangen.

Mit der Gen Z strömt zwar gerade eine neue Generation an digital Natives nach und nach auf den Arbeitsmarkt, Unternehmen haben aber dennoch große Schwierigkeiten, den Mangel an Fachkräften zu decken.

Unternehmen müssen in vorhandenes Potenzial investieren

Laut Prognos-Studie “Arbeitslandschaft 2040” sollen bis zum Jahr 2020 allein in Deutschland 1,8 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Nachwuchskräfte sind, gerade in der IT-Branche, rar, oft ‚unfertig‘ und unerfahren. Daher ist es für Unternehmen unerlässlich in Potenzial zu investieren, das sie bereits zur Hand haben.

So verfügen sie oft über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz von Mitarbeitern, die älter als 40 Jahre sind. Der Haken dabei: nicht selten sind digitale Innovationen für diese Gruppe Arbeitnehmer unbekanntes Terrain. Das lässt sich allerdings durch Weiterbildungs- und Re-Qualifizierungsmaßnahmen ändern.

Weiterbildung als erfolgskritischer Faktor

Die Frage, die sich Unternehmen stellen müssen: Warum sind Weiterbildungs- und Re-Qualifizierungsmaßnahmen gerade in der heutigen Zeit so wichtig? Die Antwort liegt dabei auf der Hand: Sie können für Unternehmen über den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg entscheiden. Grund dafür ist der aus dem Fachkräftemangel resultierende “War for Talents”. Ein Auslöser für diese Entwicklung war das Bestreben vieler Unternehmen, das durchschnittliche Alter im Betrieb zu senken.

Die Auswirkungen bekommen Unternehmen spätestens jetzt extrem zu spüren. Öffentliche Ausbildungssysteme können auf den neuen Bildungsbedarf nicht schnell genug reagieren und werden es erst Recht in der Zukunft nicht mehr können. In den Personalabteilungen muss also dringend ein Umdenken stattfinden: Nicht nur das Recruiting neuer Mitarbeiter sollte im Vordergrund stehen, sondern auch die Investition in strategisch ausgestaltete Weiter- und Re-Qualifizierungsprogramme für Mitarbeiter – unabhängig ihres Alters.

Wissenstransfer als Zukunftsfaktor

Durch den Aufbau von Wissen und Kompetenz bleiben Unternehmen zukunftsfähig und anschlussfähig an ihren Markt und ihre Umwelt. Know-How im eigenen Betrieb ermöglicht autonomes Handeln durch gesteigerte Flexibilität. Das zahlt sich in Ausnahmesituationen in den agil reagiert werden muss aus. Positiver Nebeneffekt: die Abhängigkeit von externen Anbietern wird reduziert.

Ein weiterer Grund für die Entwicklung von Weiter- und Re-Qualifizierungsmaßnahmen ist die Sicherung und vor allem der Transfer der über die Jahre mühsam aufgebauten Expertise. Für Arbeitgeber kein unwichtiger Faktor, denn ohne die Weiterentwicklung von Human Ressources Assets und die Etablierung einer Lernkultur im Unternehmen ist der Wissensschatz auch nicht auf jüngere Generationen übertragbar. Hier sind alteingesessene Mitarbeiter gefragt, die Mentorenfunktionen übernehmen können, aber auch Wissensvermittlung will gelernt sein.

Weiterbildung? Ja bitte – aber wo anfangen?

Unternehmen, die in ihrem eigenen Haus eine Lernkultur und ein Angebot an Weiterbildungs- und Re-Qualifizierungsmaßnahmen aufbauen möchten, stehen erst mal vor der Frage: Wo anfangen? Das Wichtigste vorneweg: alle Weiterbildungs- und Re-Qualifizierungskonzepte müssen für jeden einzelnen Mitarbeiter individuell erarbeitet werden.

Jeder Mensch lernt unterschiedlich und benötigt daher auf ihn persönlich abgestimmte Lernangebote. Dabei können Unternehmen auf externe Dienstleister zurückgreifen, die ein passendes, individuelles Weiterbildungskonzept aufstellen. Auch der klassische Weiterbildungskatalog unternehmenseigener Akademien hat ausgedient.

Neue Lernkultur etablieren: 10 Tipps für Unternehmen

Wie aber können Unternehmen die Generation 40+ noch stärker als bisher zum Lernen motivieren? Die folgenden Punkte sollen Unternehmen als Richtlinien dienen um eine Kultur des Lernens im eigenen Haus zu etablieren:

  1. HR Management:  Als Teil der vierten industriellen Revolution müssen Unternehmen auch das eigene HR Management als 4.0 begreifen. Im Zuge der digitalen Transformation gilt es ein Bewusstsein für die disruptiven Entwicklungen der Lebens- und Arbeitswelt zu schaffen und HR-Abteilungen dementsprechend neu zu erfinden. Die Beschäftigung mit alternativen und innovativen Sourcing-Lösungen sowie die Vernetzung und Kooperation mit Gleichgesinnten und strategisch ausgerichteten Sourcing-Lösungsanbietern stehen dabei im Vordergrund.
  2. Strategische Verankerung in der Führungsebene: Ohne Rückhalt von ganz oben geht es nicht. Das Thema Personalentwicklung/ Qualifizierung, Re-Qualifizierung muss heute mindestens im C-Level, im Idealfall beim CEO selbst verankert sein. Dieser sollte auch in alle Schritte der Entwicklung eines strategischen Personalentwicklungskonzepts und der strategischen Unternehmensausrichtung eingebunden werden.  Im Kontext der digitalen Transformation, dem Vierklang aus Digitalisierung, Vernetzung, Automatisierung und Innovation, ist dabei eine Verschmelzung der strategischen Personalentwicklung mit der strategischen Sourcing Strategie sinnvoll. Dabei sollte der Fokus nicht alleine auf Young Professionals liegen. Auch Arbeitnehmer, die bereits über jahrzehntelange Erfahrung verfügen können eine wertvolle Bereicherung für das Unternehmen sein.
  3. Konsequente Veränderung von Führung, Führungsverständnis und Führungsverhalten: Führungskonzepte sollten mit der Zeit gehen und sich an die Umstände und die Mitarbeiter anpassen. Unternehmen müssen daher in regelmäßigen Abständen ihr Führungsverständnis und -verhalten hinterfragen und gegebenenfalls umstrukturieren. Moderne Konzepte wie Servant Leadership, bei dem das Wirken von Führenden als Dienst am Geführten beschrieben wird, ermöglichen einen transformationalen anstelle eines transaktionalen Führungsstils. Auch Führungskräfte können sich stetig neues Kow-How aneignen.
  4. Kompetenzmix Reloaded: Jeder Mitarbeiter verfügt über individuelle Kompetenzen. Es ist die Mischung aus diesen, die ein Unternehmen wirtschaftlich lebensfähig und innovativ machen. Schwächen des einen lassen sich durch Stärken des anderen ausgleichen. Arbeitgeber sollten daher ihren strategischen Fokus bezüglich der Kompetenzentwicklung re-priorisieren. Außerdem bieten sich Investitionen das Unternehmenskapital im Bereich Soft-Skills sowie der Ausbau von Change Management Kompetenzen an.
  5. “Agile” als Unternehmensprinzip: Um das Prinzip “Agile” im Unternehmen zu etablieren müssen Arbeitgeber das Konzept ernst nehmen und den Willen zeigen es zu verstehen.  Angepasst an das eigene Unternehmen und von allen Mitarbeitern angewandt ermöglicht es Veränderungen. Bedingung für erfolgreiche Projekte: agiles Vorgehen zulassen beziehungsweise fördern. Dazu sind die Führungskräfte gefragt, die vom Gruppen- oder Projektleiter bis hin zum CEO mit gutem Beispiel vorangehen.
  6. NewWork: Unternehmen, die sich optimal für die Zukunft der Arbeit rüsten wollen, fördern flexibles und kreatives Arbeiten und eine entsprechende Arbeitsphilosophie. Der Grund dafür: die Digitalisierung lässt einfache Berufsbilder nach und nach verschwinden, da diese durch den deutlich höheren Grad an Automatisierung standardisiert werden. In der Folge nimmt der Anteil der Kreativarbeit an der Wertschöpfung stetig zu, was dazu führt, dass mehr Menschen mehr Freizeit haben. Bei den wenigen Kreativ- und Wissensarbeitern führt dies allerdings zu einer extremen Arbeitszeitverdichtung. Auszeiten für Kreativarbeiter zum Erhalt des Kreativitätspotenzials und der mentalen Gesundheit gewinnen unweigerlich an Bedeutung. Beide Entwicklungen bedingen eine ungleiche Verteilung von Arbeitszeit und Einkommen.
  7. Attraktives Mitarbeiterbranding auch für Experten (Seniors): Ein Wir-Gefühl im Unternehmen ist nicht nur wichtig um junge Talente anzuwerben oder zu halten. Auch bereits langjährige Mitarbeiter brauchen eine Möglichkeit sich mit dem Unternehmen zu identifizieren. Denn genauso wie die frische Herangehensweise der jungen Menschen an neue Aufgaben bereichernd sein kann, ist das Wissen und die Erfahrung der Älteren gerade für kleinere und mittlere Betriebe essenziell. Vermitteln Firmen also eine gute Arbeitsatmosphäre in der auch die Belange der älteren Mitarbeiter beachtet werden, beispielsweise bei gemeinsamen Workshops zur Mitgestaltung des Unternehmens, entsteht ein Wir-Gefühl, das die Arbeitnehmer unweigerlich nach außen tragen werden – auf die nächste Netzwerk-Veranstaltung, ihre Fortbildungen, Sportverein usw. Ein zusätzlicher Anreiz kann zum Beispiel ein Bonus Fee bieten, wirbt ein älterer Mitarbeiter einen Kandidaten als neuen Kollegen an.
  8. Job Rotation – Beweglichkeit fördern: Der digitale Wandel verändert Berufsbilder sehr schnell. In der IT-Branche beispielsweise rückt bei vielen Berufen spezialisiertes Wissen in den Hintergrund. Dort werden eher Generalisten gesucht, die Prozesse nicht nur aus Sicht der IT, sondern auch aus der von Fachabteilungen beurteilen können. Um sich ein umfassendes Bild von Arbeitsvorgängen im Unternehmen machen zu können, ist es für Arbeitnehmer daher unerlässlich das Aufgabengebiet innerhalb der Firma wechseln zu können.
  9. Neue Erfahrungen für Alteingesessene: Gerade ältere Mitarbeiter, die lange in einen speziellen Bereich gearbeitet haben profitieren davon in andere Abteilungen mit denen sie eng zusammenarbeiten hinein zu schnuppern. Es geht dabei um weitaus mehr, als das solide technische Handwerkszeug verfügbar zu machen und zu betreiben. Stattdessen läuft es mehr und mehr auf integrative und soziale Fähigkeiten hinaus. Denn neue unbekannte Techniken, die auf die Mitarbeiter zukommen, sind immer auch begleitet von Vorbehalten und Ängsten. Diese gilt es zu erkennen und abzubauen.
  10. Diversity nutzen: Der Schüler lernt vom Meister. Unternehmen haben vielfach bereits tiefes Fachwissen angesammelt. Das muss aber an die jüngere Generation weitergegeben werden. Aber ein Meister lernt auch vom Schüler. Ein Mentoren-Programm bei dem ein Junior von einem Senior begleitet wird, bietet sich dafür an. Die Forschung zeigt: altersgemischte Teams bringen bei komplexen Aufgaben die besten Arbeitsergebnisse hervor. Innovative Ideen jüngerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gepaart mit den Erfahrungen Älterer, bilden gemeinsam die Grundlage für die Bewältigung unternehmerischer Herausforderungen. Ob jung oder alt – die Gestaltung von Altersvielfalt in Unternehmen ist ein geeignetes Instrument, um im demografischen Wandel wettbewerbsfähig zu bleiben.

Fazit: Mit Employer Branding Fachkräfte langfristig binden

Durchdachte Weiterbildungskonzepte und -angebote steigern neben der Innovationskraft zudem die Reputation des Unternehmens. Auch hier gibt es einen positiven Folgeeffekt: die Fluktuation sinkt. Denn ein attraktiver Arbeitgeber, der auf die Weiterentwicklung seiner Mitarbeiter Wert legt, verbessert seine Marke im “War for Talents”.

Arbeitnehmer bleiben dem Unternehmen länger treu –  Junge wie Alte. Auf lange Sicht gesehen, verbessert das auch die Motivation der Arbeitnehmer und damit einhergehend auch deren Effizienz. Schlussendlich profitieren auch die jeweiligen Kunden, deren Zufriedenheit sich durch motivierte, effiziente Mitarbeiter mindestens sichern, wenn nicht sogar erhöhen lässt.

*Quelle: Jung, Augenzwinkern. Ein psychologischer Streifzug mit humorvollen Aphorismen und Gedichte, BoD 2005