Eine Aktuelle Studie des DIW spricht aus, was auf Best of HR – Berufebilder.de® schon seit Monaten heiß diskutiert wird: Wir haben vielleicht gar keinen Fachkräftemangel! Doch wie konnte das passieren? Verschwörung von Unternehmen und Medien – oder doch nur ein Rechenspiel und viele Missverständnisse?

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Schildbürgerstreich oder Medienkrimi?

Schildbügerstreich? Medienkrimi? Oder großangelegtes Lohndumping? Tatsache ist: Wenn das Thema Fachkräftemangel nicht so ernst wäre und es nicht so viele geschädigte Betroffene gäbe, wäre die Geschichte fast schon komisch. Denn alle, wirklich alle, haben mitgemacht: Verbände, Arbeitsagentur und die ach so kritischen Medien beim Fachkräfte-Mangel-Chor.

Und nun das: In einem Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht Arbeitsmarktforscher Karl Brenke aus, wovon ich durch die vielen Diskussionsbeiträge auf Best of HR – Berufebilder.de® schon länger überzeugt bin (oder zumindest davon, dass es nicht so gravierend sein kann, wie viele tun..)

Das Interview mit dem bekannten US-Soziologe Richard Sennett fand ich da einfach nur passend: Im Interview mit WN-TV erklärte er, welche negativen Effekte Kurzzeitverträge auf Arbeitnehmer und die Produktivität eines Unternehmens haben und wie die Politik unsere Arbeitswelt in Zukunft gestalten müsste.

Fachkräfteschwemme?

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Und zwar bestimmt nicht so, wie immer wieder behauptet wird, dass wir in Deutschland einen Fachkräftemangel haben, z.B. vom Verband Deutscher Ingenieure (VDI) oder der Bundesagentur für Arbeit. Im Gegenteil, Karl Brenke befürchtet sogar eine drohende Fachkräfteschwemme für manche Bereiche. Aber wie passt das denn zu der Allgemeinen Fachkräfte-Mangel-Hysterie?

Ins Rollen gekommen war die Geschichte, als Spiegel Online am vergangenen Dienstag vorab über eine Studie des DIW berichtet hatte: In einem gestern erschienenen Wochenbericht (zum gratis runterladen als PDF) erklärt Karl Brenke, Wissenschaftlicher Referent im Vorstand des DIW Berlin, warum er derzeit nicht an einen Fachkräftemangel glaubt: “Wir können nicht ausschließen, dass wir in manchen Branchen eine Fachkräfteschwemme haben werden. Man kann gegenwärtig nur wenige Bereiche identifizieren, wo es an Fachkräften mangelt. Am ehesten ist das noch bei den Ärzten der Fall.”

Ein Medienkrimi

Die Studie sollte, so stand es bei Spiegel-Online, eigentlich am Dienstag erscheinen. Tat sie aber nicht. Auf Nachfrage bei der Pressestelle erfuhr ich, dass sie verspätet erscheinen sollte. Grund: Weil Brenke nicht nur der allgemein herrschenden Meinung vom Fachkräftemangel, sondern auch insbesondere auch seinem Chef, dem DIW-Präsidenten Klaus Zimmermann, widerspricht, musste die Studie nochmal flott nochmal überarbeiten werden – oder ergänzt, wie man bei der Pressestelle des DIW sagte.

Neu war jetzt offenbar die Aussage, dass sich Brenkes Thesen nur auf die kommenden 3-5 Jahre beziehen. Davon abgesehen das Prognosen ohnehin meist in die Hose gehen, nimmt man doch eine längere Zukunftsorakelei ohnehin niemandem ab – oder? “Da ist einiges schief gegangen” wusste jedenfalls auch die Pressedame vom DIW zu berichten, bei der nach dem SPON-Artikel vom Dienstag die Telefone nicht mehr still standen. Vermutlich hätte Herr Zimmermann die Studie am liebsten zurückgezogen, was nun nicht mehr ging. Stattdessen konnte man sie nur ein wenig relativieren.

Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast!

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Und was steht nun drin? Nun, Karl Brenke hat eifrig allerlei Zahlenmaterial zusammengetragen und seine Thesen gut fundiert. Begründet wird die mögliche Fachkräfteschwemme gleich mit mehreren statistischen Werten. Gleichzeitig entkräftet Benke Untersuchungen des Instituts für die Deutsche Wirtschaft als methodisch fragwürdig. Und eines macht Brenke auch gleich klar: Es gibt bislang gar keine wissenschaftlichen Verfahren, die den gesamten Arbeitsmarkt abbilden und so eine definitive Aussage über die gesamtwirtschaftlichen Fachkräftelücke treffen könnten.

So fehlen in Deutschland aussagekräftigen aktuellen Daten über die Lohnentwicklung in einzelnen Berufen, es gibt Zahlen nur über Entgelte in einzelnen Gruppen von Fachkräften. Und auch die Angaben zu den Vakanzen wie auch den Arbeitslosen enthalten nur die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit – was dort nicht gemeldt wird, taucht in der Statistik nicht auf. Und nicht alles was als freie Stelle gemeldet wird, ist wirklich frei (z.B. bei Wechslern). Alles Faktoren, die jede Statistik schnell ungenauer machen.

Außerdem müsse, so Brenke, zwischen Hochschulabsolventen und Fachkräften mit betrieblicher Ausbildung differenziert werden. Bei letzteren könnte es tatsächlich irgendwann zu einem Mangel kommen – wenn mand ie Jugendlichen nicht dazu bringt, das zu studieren was am Arbeitsmarkt gebraucht wird. Schon wieder so eine Orakelei…

Warum es keinen Fachkräftemangel gibt!

Aber was steht nun wirklich so Brisantes in der Studie? Zum Beispiel dass Löhne für Fachkräfte seien kaum gestiegen, wie es bei Engpässen üblich wäre, und hätten sich seit 2009 nicht besser als die der übrigen Arbeitnehmer entwickelt. Gestiegen seien seit 2007 hingegen die Studierenden- und Absolventenzahlen.

Wichtigster Faktor aber: Bei fast allen Fachkräften ist nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit und Berechnungen des DIW die Zahl der Arbeitslosen höher als die Zahl der offenen Stellen. Einen nennenswerten Engpass sieht Brenke nur bei den Vulkaniseuren, Elektroinstallateuren und Ärzten.

…sie sind dann mal weg…

Und letztere wandern ja blöderweise bevorzugt nach Skandinavien ab, obwohl doch gerade die medizinische Ausbildung so teuer ist: Brenke stellt fest: “Da subventioniert Deutschland andere Länder!”

Übrigens nicht nur:  Karen, die ganze Diskussion auf Best of HR – Berufebilder.de® angestoßen und mich dankenswerter Weiße auch immer noch auf jede veröffentlichung zu Thema aufmerksam macht, ist auch nach Schweden ausgewandert: “Ich habe meinen Entschluß Deutschland den Rücken zu kehren nicht eine Minute bereut und würde ihn wieder tun.”

Missverständnis oder Manipulation?

Woher kommt aber die Diskrepanz zwischen der bisherigen Tonalität und dieser Studie? Hinter vorgehaltener Hand vermuten Betroffene Manipulationen durch die Arbeitgeberseite mit dem Ziel, durch eine große Auswahl an gut ausgebildeten, örtliche flexibelen Arbeitskräften die Löhne drücken und auf der anderen Seite ältere Ingenieure ausmustern zu können.

Das klingt irgendwie logisch, aber so lange mir die Beweise fehlen, gehe ich mal lieber von allgemeiner Unkenntnis, Fehleinschätzungen und statistische Ungenauigkeiten auf allen Seiten aus: Schließlich geben die Deutschen Unternehmen derzeit auch immer noch viel Geld aus, um im Internet, auf Karrieremessen oder sonstwo gut ausgebildete junge Menschen für einen Job bei ihrem Unternehmen zu interessieren. Und das täten sie ja nicht, wenn sie die Leute nicht brauchten – oder?

Ein Schelm, wer böses dabei denkt

So schreibt Bernd Schmitz, Leiter des Hochschulmarketings bei der Bayer AG in Leverkusen, auf Best of HR – Berufebilder.de®: “Ich kann für Bayer sagen, das wir ständig neue Mitarbeiter einstellen – allein 2009 über 300 Akademiker. Ein großer Anteil sind dabei Absolventen mit einem ingenieurwissenschaftlichem Studium.” Schmitz gibt aber auch zu: “Von einem Mangel würde ich persönlich erst dann sprechen, wenn offene Vakanzen nicht in angemessener Zeit besetzt werden können. Wir bei Bayer konnten bisher alle freien Stellen mit neuen Mitarbeitern besetzten.”

Wer böses dabei denken wollte, könnte jetzt sagen, dass das natürlich reine Imagepflege diverser Unternehmen ist – praktisch Werbung. Und dass die Taktik dazu dient, aus einem großen Pool an Absolventen später billig den Rahm abschöpfen zu können. Aber vielleicht hat man ja einfach wirklich Angst, später mal unten ohne dazustehen?

“So verzweifelt sind wir auch nicht!”

Was in der Diskussion in dem Blog aber auch klar wurde: Der eine oder andere ist geneigt, das Wort Fachkräftemangel wörtlich zu nehmen. Mangel jedenfall bedeutet nicht, dass Unternehmen so verzweifelt sind, dass sie jeden einstellen: Man schaut schon noch, ob fachliche Qualifikation, die Spezialisierung und persönliche Faktoren, wie Mobilität oder Teamfähigkeit, stimmen!

Das musste auch Maschinenbauingenier Marcus feststellen, der im November 2009 sein Diplom machte und dann bis August 2010 auf Jobsuche war. Nach über 50 Bewerbungen und 4 erfolglosen Vorstellungsgespräche schreibt er: “Meistens wurde die Absage damit begründet, dass meine Qualifikationen nicht ganz den Ansprüchen entsprächen. Gut ich hab das Studium mit 2,4 abgeschlossen, dafür habe ich noch zusätzlich eine technische Ausbildung und meine Praxissemester habe ich im Ausland absolviert.”

Mittlerweile ist auch er ausgewandert – in die Schweiz, wo es mit nur zwei Bewerbungen geklappt hat. Sind deutsche Unternehmen doch zu blöd, um gute Leute zu erkennen?

Kannste was, kriegste Job!

Tatsache ist: Viele Arbeitgeber suchen jedoch trotz Bedarf lieber weiter, als unpassende Kandidaten einzustellen – wie Birgitt Dondorff in diesem Fachartikel eher wissenschaftlich belegt und wie dieser Informatiker berichtet, der lieber anonym bleiben möchte:

“Wir suchen in unserer Firma im Rhein-Main Gebiet händeringend Softwareentwickler. Aber auch bei uns werden die meisten Bewerber abgelehnt. Die Bewerber müssen Praxiserfahrung in den von uns verwendeten Programmiersprachen und Betriebssystemen haben und sehr gut Englisch sprechen. Sie sollten auch Kenntnisse im Börsenumfeld haben. Wir stehen so sehr unter Druck, dass wir neue Leute kaum einarbeiten können und es ist deshalb auch nicht möglich Anfänger einzustellen. Leute über 50 stellen wir jedoch definitiv ein. Oft hapert es auch an der zwischenmenschlichen Kommunikation. Manche Leute können wir uns in unseren Teams einfach nicht vorstellen. Falls sich herausstellt, dass ein neuer Mitarbeiter die Leistung nicht bringt, wird er auch ohne Umschweife entlassen.”

Folgen?

Das Fachkräfte-Mangel-Geheule in Deutschland könnte langfristig böse enden: Immer mehr Studienanfänger, die mit großen Erwartungen am Arbeitsmarkt vorbei studieren und doch keinen Job finden und dann abwandern. Fehlinvestitionen für den Staat – auch weil z.B. Geld in Überschuss-Fächer investiert wird, während an anderer Stellle gespart wird.

Vielleicht ist es also endlich an der Zeit, etwas differenzierter über dieses Thema zu diskutieren?

Hinweis, Danksagung und Update

Obwohl das ein ernstes Thema ist, habe ich mich für eine teilironische Betrachtung entschieden – ich hoffe, man versteht das.

Danke jedenfalls an die weit über 100 Kommentatoren, die mit Ihren Erfahrungsberichten, Kommentaren und Links zu weiterführenden Informationen seit Monaten dazu beitragen, dieses Thema präsent zu machen. Am Montag erscheint noch mein Artikel bei RP-ONLINE dazu. Das ist wirklich gelungenes Crowdsourcing!

Update: In den Kommentaren geht es natürlich wie immer weiter mit vielen weiteren Informationen, Links und Hinweisen. Einfach mitdiskutieren!


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