Lebensplanung, berufliche Sicherheit und Selbstverwirklichung scheint wichtig, doch immer mehr Menschen haben mehrere Jobs neben- oder hintereinander. Das Ende der Sicherheit lässt Raum für Kreativität.

Multijobber Quereinsteiger & die Zukunft der Arbeit: Tschüss Sicherheitsdenken!

Tschüss Sicherheitsdenken!

Eine gewisse Sicherheit im Leben, vor allem materieller Art, gehört zu den Wünschen und Hoffnungen vieler Menschen in unserer Gesellschaft. Sie schien bisher vor allem durch einen festen, lebenslangen Arbeitsplatz garantiert werden zu können. Doch zunehmend lösen sich klassische Unternehmensorganisationen auf, die Berufsbilder verändern sich immer schneller, das persönliche Erwerbsleben wird immer unberechenbarer.

Das führt dazu, dass die gängigen, stetigen Erwerbsbiographieen wie wir sie noch von unseren Eltern kennen immer flexibler und damit auch durchlässiger werden. Krisen zeigen uns auch immer wieder, dass man jederzeit mit Umbrüchen rechnen muss. Den einen Job in dem einen Unternehmen von der Berufsausbildung bis zur Rente wird es kaum noch geben. Flexibilität und Mobilität werden hingegen in Zukunft gefragter sein denn je – und der Mut, auch mal etwas Neues auszuprobieren.

Multijobber werden Regel: Das Ende der klassischen Karriere

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Im Klartext bedeutet das, dass für viele eine immer wieder unterbrochene Vita, in der sich Projektarbeit, feste Stellen oder kurzfristige Arbeitslosigkeit abwechseln, zunehmenden zur dominierenden Lebens- und Arbeitsform würde. Klassisches Multijobbing eben, mit mehreren Berufen neben- oder nacheinander. Das wird eher Regel als Ausnahme. Und bietet viel Raum für Kreativität und Quereinsteiger.

Auch Thomas Weber aus Berlin (der Name ist ein Pseudonym für eine reale Person) hatte sich seine Karriere ursprünglich ganz anders vorgestellt: Nach seinem Abschluss als Diplomingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik an der Hochschule der Bundeswehr in Neubiberg bei München 1976 arbeitet Weber weiter bei der Bundeswehr, erst als Zugführer einer technischen Einheit in Birkenfeld, dann ab 1979 als Sachbearbeiter für automatische Mess- und Prüfsysteme beim Materialamt der Luftwaffe in Köln. „Ich war schon immer von Technik fasziniert und habe das Ingenieurstudium daher ganz bewusst angefangen“, nennt der Berliner die Motivation seiner Berufswahl.

Change ist, wenn der Lebenslauf anders wird als geplant

Doch dann verlief sein weiteres Berufsleben ganz anders als geplant: 1984 wurde Weber technischer Redakteur bei einer Firma für Mess- und Prüfsysteme. „Die Bundeswehr hat sich damals stark verändert und sich immer mehr einem Industriebetrieb angenähert“, erinnert sich Weber. „Ich wollte dann lieber gleich in der freien Wirtschaft arbeiten“, begründet der Ingenieur seinen Wechsel. Im neuen Job erstellte er nun technische Beschreibungen und Bedienungsanleitungen von Geräten. Bei der neuen Firma übernahm er bald den Aufbau und die Betreuung eines PC-Netzwerkes im Bereich der technischen Dokumentation. Noch bei der Bundeswehr hatte Weber 1982 begonnen, die Datenverarbeitung auf Commodore-Anlagen zu erledigen, sich dann immer mehr mit Computern beschäftigt und seine Kenntnisse ausgebaut. Nach einigen Jahren in der neuen Firma tauchten erste Probleme auf: „Mein Chef verlangte von mir, einen Großteil des Jahres in Saudi-Arabien zu arbeiteten und mich gleichzeitig zu Hause um das Netzwerk zu kümmern. Diese Doppelbelastung war mir einfach zu viel“, erinnert sich der Ingenieur. Dazu kamen dann noch persönliche Probleme in der Firma: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein beruflicher Aufstieg nicht nur von Leistung abhängt, sondern auch davon, wie man sich selbst in der Firma darstellen kann. Diese Ellenbogenmentalität und das Mobbing haben mir überhaupt nicht gefallen“, berichtet er.

Daher fiel es Weber nicht schwer, sich 1992 als freiberuflicher EDV-Berater und technischer Übersetzter selbständig zu machen. Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits 10 Jahre lang nebenher für eine Übersetzungsfirma gearbeitet. „Dazu bin ich durch eine Zeitungsanzeige gekommen. Die suchten jemanden, der Gebrauchsanweisungen und Handbücher aus dem englischen übersetzt, denn dabei ist auch eine profunde Sachkenntnis der Technik notwendig“, nennt er die Verbindung zu seinem Berufsfeld. 1985 hatte Weber dort auch die Netzwerkbetreuung übernommen, so dass der ursprüngliche Nebenjob sich immer mehr zu einer Vollzeittätigkeit ausweitete. „Ich konnte dann als Selbständiger weiterarbeiten“, berichtet er. Als die Firma 1998 verkauft, gründete Weber zusammen mit zwei weiteren ehemaligen Mitarbeitern eine eigene Firma für Übersetzungsaufträge aller Art aus dem gesamten Bundesgebiet und vielen europäischen Ländern. Mittlerweile beschäftige das Unternehmen auch zwei feste und zahlreiche weitere freie Mitarbeiter.

Flexible Selbständigkeit vs. Festanstellung

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Die Selbständigkeit hat für Weber viele Vorteile: „Ich kann mir Arbeitszeit und -aufwand selbst einteilen und bin vor allem flexibler als zuvor“, berichtet der Ingenieur. „Während Angestellte ständig Angst haben müssen, im Zuge der nächsten Sparmaßnahmen entlassen zu werden, kann ich finanzielle Engpässen ausgleichen, indem ich z.B. durch Preisanpassungen und Werbung neue Kunden gewinne“, erklärt er und stellt fest: „Es hängt also alles von mir ab und nicht von anderen.“ Aber natürlich gehört auch ein gewisser Mut zum Risiko zu einem solchen Schritt: „Zwar wußte ich ungefähr, was auf mich zukam, konnte aber natürlich nicht ganz sicher sein“, gibt Weber zu. Ein Nachteil sei sicher, dass ein Selbständiger Renten- und Krankenversicherung komplett selbst zahlen müsse. „Aber das wiegt für mich bei weitem nicht die Nachteile einer festen Anstellung auf“, stellt der Ingenieur klar.

Das scheinen die meisten Bundesbürger anders zu sehen, denn die Zahl derer, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen, ist rückläufig: Die Zahlen des statistische Bundesamt belegen, dass viele Menschen noch immer nur verhalten dazu bereit sind, Veränderungen selbst herbeizuführen. Gerade für junge Menschen ist scheint eine sichere Beamtenlaufbahn der vermeintlich risikoärmere Weg. Der Wunsch nach einem vermeintlich sicheren Arbeitsplatz ist verständlicherweise groß. Doch können wir in Zukunft noch mit festen Arbeitsplätzen rechnen?

Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus?

Eine Antwort auf diese Frage suchen Experten schon seit Jahren. Und kommen immer öfter zu dem Schluss: Es wird zukünftig wahrscheinlich immer weniger feste Arbeitsplätze geben. Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass zumindest die Zahl der sicheren Beschäftigungsverhältnisse abzunehmen scheint. Automatisierung und Digitalisierung tun ihr Übriges, um viele vermeintlich sichere Jobs obsolet zu machen.

Wird die Zahl derjenigen, die beruflich ausgetretene Wege verlassen (müssen) und dadurch unter anderem den Schritt in die Selbständigkeit wagen, also zwangsläufig zunehmen? Ist der feste, versicherungspflichtige Job ein Auslaufmodell? Immerhin gehen viele Fachleute davon aus, dass heute schon die meisten Arbeitnehmer in Deutschland während ihres Berufslebens ganz unterschiedliche Tätigkeiten ausüben – entweder nacheinander oder sogar parallel gleichzeitig. Und der Trend könnte sich, so die Experten weiter, in Zukunft noch verstärken, wenn im Zuge von Digitalisierung und Globalisierung immer mehr Arbeitsstellen durch Roboter oder billigere Arbeitskräfte ersetzt werden.

Quereinsteiger auf dem Vormarsch

Kein Wunder, dass Quereinsteiger wie Weber besonders häufig in der IT-Branche zu finden sind: So fangen nach einer Statistik des Bundesinstituts für Berufsbildung durchschnittlich 20 Prozent ihre IT-Ausbildung erst nach dem 22. Lebensjahr an – also nach dem Ende oder Abbruch ihrer ersten Ausbildung. Grund für diese Konzentration dürfte das Fehlen von allgemein anerkannten Qualifikationsprofilen sein, die auch Leuten ohne einschlägige Abschlüsse neue Möglichkeiten zum Aufbau einer IT-Berufskarriere bietet, da die technische Entwicklung häufig schneller voranschreitet als die Curricula der Ausbildungsgänge hinterherkommen.

Doch auch in anderen Bereichen gibt es Quereinsteiger. Es gibt sogar staatlich anerkannte „Fernlehrgänge für Querdenker“ an, für Leute, die ihr Hobby zum Beruf machen oder nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten und einen Quereinstieg wagen wollen. Sie richten sich, so eine Pressemeldung des Anbieter, an engagierte, wertorientierte Quereinsteiger und kreative Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen wollen. Im Angebot sind unter anderem Ausbildungsgänge wie Naturkost, Sozialmanagement, Existenzgründung, Betriebsführung im Einzelhandel und – seit Jahren der Hit im Sortiment – „Praxis für den Fahrradeinzelhandel“.

Thomas Weber indessen hat den erfolgreichen Umstieg vom Diplomingenieur zum technischen Übersetzer auch ohne Fernlehrgang erfolgreich geschafft. Er ist sich, obwohl seine Lebensplanung ganz anders lief als erwartet, sicher: „Ich würde im Großen und Ganzen alles genauso wieder machen“. Sein Beispiel zeigt, daß es sich lohnen kann, vermeintlich sichere Wege zu verlassen und auch mal „quer“ zu denken, um eigene Ideen zu verwirklichen. So gesehen liegen in den Veränderungen der Arbeitswelt auch Chancen auf eine erfülltere und abwechslungsreichere Beschäftigung. Doch auch wenn sich gesellschaftlich vieles verändert: Sicherheit im Beruf wird wohl weiterhin ein Bedürfnis vieler Menschen bleiben. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Wünsche nicht von der Entwicklung überrollt werden und dass es weiterhin jedem selbst überlassen bleibt zu entscheiden, wie er seinen Beruf ausübt.


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