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Offenlegung & Urheberrechte: Bildmaterial erstellt im Rahmen einer kostenlosen Kooperation mit Shutterstock. Text ursprünglich aus: “Menschen entschlüsseln: Ein Kriminalpsychologe erklärt, wie man spezielle Analyse- und Profilingtechniken im Alltag nutzt” (2015), erschienen bei Münchener Verlagsgruppe (MVG), Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Von Dr. Jens Hoffmann (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 06.07.2024 • Zuerst veröffentlicht am 07.03.2016 • Bisher 7395 Leser, 2786 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Wenn es darum geht, Menschen zu entschlüsseln, ist das Wissen über die Persönlichkeitsstile der Menschen von Bedeutung. Möchten wir aber etwas über einen Menschen und seine Prägung erfahren, müssen wir ihn genauer kennenlernen, und wir sollten uns mit ihm unterhalten.
Dabei wiederum ist es vorteilhaft, dass wir die Wahrheit
erfahren und nicht belogen werden. Das Spannende daran ist: Die
Lügenerkennung ist so etwas wie der Heilige Gral der Kriminalpsychologie.
Und zwar aus dem einfachen Grund, weil es keinen Pinocchio-Faktor gibt. Niemandem wächst eine lange Nase, weil er lügt. Es gibt zudem kein einziges Merkmal im Verhalten und dem Auftreten eines Menschen, das einen wirklich eindeutigen Hinweis auf eine
Lüge darstellt – es sei denn, im Gesagten lassen sich inhaltliche Widersprüche
feststellen.
Jeder, der sagt, dass es eindeutige Lügensignale
bei Menschen gibt, hat entweder keine Ahnung von der Materie,
ist fehlinformiert oder lügt selbst. Es existieren durchaus stichhaltige
Hinweise auf eine Lüge, aber es gibt nichts Eindeutiges.
Bei der Suche nach Signalen für Lüge oder Wahrheit ist eines
besonders wichtig: Das Setting – die Situation und die Umgebung,
in der sich der Mensch befindet, der eine Aussage trifft, ist entscheidend.
Wir alle kennen die typischen Beispiele aus Kriminalfilmen,
die uns glauben lassen, dass das Aufbauen eines gewissen
Drucks auf eine verhörte Person hilft und ihr letztendlich die
Wahrheit entlockt.
Dass dem nicht so ist, haben nicht zuletzt die brutalen Verhörmethoden in Guantanamo Bay bewiesen, die den Gefangenen weniger Wahrheiten als erhofft entlockten. Oft führt
das Aufbauen von Druck sogar zu einem gegenteiligen Effekt.
Denn worum es bei der Suche nach der Wahrheit
geht: Die Menschen dazu zu bringen, dass sie von sich aus beginnen
zu erzählen – Druckaufbau und ein schnelles aggressives Herangehen
führen dagegen in der Regel zu wenig nutzbaren Informationen.
Im Fernsehen, in den Medien allgemein und in Büchern werden immer
wieder falsche Thesen und vermeintliches Wissen über die Möglichkeiten
der Lügenerkennung verbreitet. Viele stimmen schlichtweg nicht.
So geisterte viele Jahre die Theorie umher, dass sich anhand gewisser Augenbewegungen Lügen erkennen lassen. Diese
Überzeugung hat sich lange gehalten, auch bei Detekteien und gelegentlich
sogar bei der Polizei. Augenbewegungen oder Blickrichtungen lassen keine Aussagen zur Bewertung von Wahrheit und Lüge zu. Andere Merkmale, die sehr wohl Rückschlüsse auf Wahrheit
oder Lüge zulassen, konnten jedoch identifiziert werden.
Einige dieser Warnsignale für mögliche Lügen werden hier nun vorgestellt. Grob gesagt, gibt es grundsätzlich drei Bereiche, anhand derer man bewerten kann, ob es zumindest Anzeichen dafür gibt, dass eine Person die Wahrheit sagt oder eben nicht.
Der erste Bereich umfasst verbale Äußerungen, also das, was wirklich gesagt wird.
Der zweite sind die sogenannten micro expressions, und der dritte
ist die Gestik und Körpersprache einer Person.
Was wir heute micro expressions beziehungsweise Mikroexpressionen
nennen, beruht auf dem von dem amerikanischen Psychologieprofessor
Paul Ekman und seinem Kollegen Wallace Friesen
erstmals im Jahr 1978 veröffentlichten Facial Action Coding
System (FACS), sprich dem Gesichtsbewegungen-Kodierungssystem.
Ekman beschäftigte sich zu dieser Zeit schon sehr lange mit
dem Thema Emotionen. In dem Zusammenhang ging es um die
Frage, ob Gefühle etwas sind, das wir im Laufe unserer Kindheit
lernen, oder ob Emotionen angeboren sind.
Mit dieser Fragestellung begann er damit, bei unterschiedlichen
Kulturen in verschiedenen Teilen der Welt Emotionen zu erfassen.
Er entwickelte dafür ein spezielles System, mit dem sich Gefühle
anhand von Gesichtsmuskelbewegungen erkennen ließen.
Die Theorie dahinter lautete: Sind diese emotionalen Ausdrücke in allen
Regionen der Welt gleich, spricht das für eine universelle
Grundlage und damit dafür, dass Emotionen angeboren sind. Wie
sich herausstellte, existieren tatsächlich Basisemotionen, die sich
überall auf der Welt gleich äußern und die damit Teil unserer biologischen
Ausstattung sind. Man vermutet, dass diese Emotionen
auch Teil der frühen Kommunikation waren, als der Mensch noch
nicht sprechen konnte.
So stellt beispielsweise der Ausdruck von Ekel ein Warnsignal für andere dar. Ähnlich sieht es mit dem Ausdruck von Wut aus, der deutlich macht, dass das Gegenüber sich
gerade in einem aufgebrachten Zustand befindet und man besser
Abstand hält. Doch es geht bei den Basisemotionen nicht immer
nur um Warnungen – auch das Lachen wird dazugezählt, welches
eine positive soziale Funktion hat.
Mittlerweile wissen wir, dass sich Mikroexpressionen von einem Menschen nur sehr schwer beeinflussen oder gar unterdrücken lassen. Sie stellen daher ein Mittel dar, um eine Diskrepanz zwischen einer Aussage und dem tatsächlich Gefühlten zu
entdecken. Allerdings gelingt das nur wirklich gut geschulten und
mit dem Thema vertrauten Menschen: Denn der Begriff Mikro
steht vor allem dafür, dass sich diese Emotionen kaum eine Sekunde
lang in einem Gesicht ablesen lassen.
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Dr. Jens Hoffmann ist Kriminalpsychologe und Experte für Profiling. Er leitet das Institut für Psychologie und Bedrohungsmanagement (I:P:Bm) und ist einer der Geschäftsführer des “Team Psychologie und Sicherheit”, einem Verbund von Kriminal- und ehemaligen Polizeipsychologen, die Unternehmen, Behörden und Personen des öffentlichen Lebens zum Thema Sicherheit beraten. Im Juni 2002 wurde er von EUROPOL in die Experten-Datenbank für europäische Polizeikräfte aufgenommen. Alle Texte von Dr. Jens Hoffmann.
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