Medien sind heute ein wichtiger Bestandteil der Kindererziehung. Doch Experten warnen: Zu frühe Mediennutzung stört erheblich die Sensomotorik – und damit gar das Selbstbewusstsein.

sensomotorik

Babys gehören nicht vor die Glotze

Viele Eltern würden sich freuen, “dass sie ihren Kleinkindern etwas zeigen können, was garantiert keine Gewalt und keine unverständlichen Szenen enthält.” Doch ist das wirklich so wichtig? Kommt es nicht viel mehr auf die sensomotorische Entwicklung an?

Denn  der Schuss geht leicht nach hinten los: Je länger Kleinkinder vor digitalen Spielzeugen sitzen, desto weniger erleben sie die reale Welt. Mit allen negativen Konsequenzen für ihre kognitive Entwicklung! Was sie scheinbar fördert, untergräbt ihre Fähigkeit, die Welt zu entdecken.

Das Medium ist die Botschaft

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Wir sollten nicht diskutieren, ob die Teletubbies mehr oder minder kindgerechte Inhalte transportieren. Vielmehr sollten wir diskutieren, ob unter Zweijährige nicht wertvolle Lebenszeit verschwenden, wenn sie vor Tablets und Co. geparkt werden. Eine Zeit, in der sie krabbelnd beginnen, unsere komplexe Welt zu erforschen. Dazu stellt der amerikanische Psychologe Dr. Jim Taylor fest:

“Wir konzentrieren uns auf die Inhalte der Technologie (Videos, Postings, Social Media), unterlassen es aber zu diskutieren, wie uns die intensive Nutzung selbst verändert.” Das habe bereits 1964 Marshall McLuhan gemeint, als er die berühmte Formulierung fand: “The medium is the message” (“Das Medium ist die Botschaft”). Das bedeutet:Hinter dem vermittelten Inhalt hat das Medium selbst eine Wirkung, weil es einzigartiger Natur ist und mit speziellen Eigenschaften in Erscheinung tritt”.

Von der Importanz der Sensomotorik: Verschwendete Lebenszeit

Welche Wirkung haben elektronische Medien auf unter Zweijährige? Jede Minute vor einem Tablet oder Fernseher fehlt dem Kind, um in seiner sensomotorischen Entwicklung voranzukommen.

Diesen Begriff hat Jean Piaget (1896 – 1980) geprägt, der ein Modell der kognitiven Entwicklung entworfen hat, und zwar für Kinder zwischen Geburt und Pubertät. An dieser Stelle zoomen wir die erste Phase heraus. Denn Piagets Überlegungen sind für uns der rote Faden, um die Entwicklung des kindlichen Denkens zu verfolgen. Schließlich gilt der Schweizer Psychologe als “Übervater der Entwicklungspsychologie”, wie 2002 Spektrum der Wissenschaft festgestellt hat.

Zurück zur sensomotorischen Phase: Der Wortteil “senso” steht für Sinneserfahrungen, das heißt das Kind sammelt seine ersten Erfahrungen in der Welt, indem es schaut, hört, schmeckt, riecht und tastet. Der zweite Wortteil “motorisch” bedeutet, dass unter Zweijährige neben den Sinnen ihren Bewegungsapparat einsetzen, um die nähere Umwelt zu erkunden.

Vom Tun zum Wissen

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Sie krabbeln, greifen oder klatschen ins Wasser. “Das Kind baut sich sein Wissen von dieser Welt auf, indem es durch aktives Tun zunächst Erfahrungen an seinem eigenen Körper, später an Gegebenheiten seiner Umgebung sammelt”, fasst Gerd Mietzel diese Vorgänge zusammen. Und weiter schreibt er:

“Die einzige Möglichkeit des Denkens besteht darin, etwas mit den vorgefundenen Dingen zu tun, d. h., sie zu betrachten, zu berühren, in den Mund zu stecken und nach ihnen zu greifen. Während es in seiner Objektwelt hantiert, empfängt es über seine Sinnesorgane Rückmeldungen; es wiederholt diejenigen Aktivitäten, die interessante Effekte auslösen.”

Kinder reagieren auf Reize der Umgebung

Wer ein kleines Kind in die Badewanne steckt, kann leicht bestätigen: Es wird vergnügt auf das Wasser einschlagen, mal mit seiner Quietscheente, mal mit der flachen Hand. Die Spritzwirkungen fallen sehr unterschiedlich aus, und das Kind entdeckt auf diese Weise, wie sich Wasser zum Spielen nutzen lässt. Das Kind reagiert unmittelbar auf Reize der Umgebung – weit entfernt davon, zu seinen Erfahrungen abstrakte Begriffe zu bilden. Nun stellen wir uns ein kleines Kind vor einem Tablet vor, auf dem es Teletubbies schaut.

Wir können eine erste Beobachtung machen, völlig unabhängig vom Inhalt: Das Geschehen auf dem Bildschirm läuft nur zweidimensional ab, kann also keinen realen Eindruck der Welt vermitteln. Außerdem sind die Inhalte aus dem Kontext gerissen, das bedeutet, sie stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Umwelt des Kindes. Oder bewegt es sich im normalen Leben durch die bunte Hasenlandschaft der Teletubbies? Eher nicht…

So wichtig sind ist die Sinneserfahrung: Die Banane auf dem Bildschirm

Den entscheidenden Punkt nennt aber Prof. Ernst Schuberth, der Mathematik, Physik, Philosophie und Pädagogik studiert hat. Er wurde 1974 Professor an der Pädagogischen Hochschule (Universität Bielefeld), 1978 war er Mitgründer der Akademie für Waldorfpädagogik in Mannheim. Schuberth betont, “dass für das Kind die Sinneserfahrung in den ersten Jahren eine Hauptrolle spielt, und zwar für die Entwicklung von Gehirn und Seele.” Was auf dem Bildschirm erscheint, sei niemals “die Sache selbst”, sondern nur ein Surrogat der Realität.

Welche Konsequenzen hat das für ein Kind? Der Mathematiker erklärt das mit einem einfachen Vergleich: Wer ein Eiscafé besucht, dem gibt die Kellnerin eine Eiskarte – mit bunten Bildern aus dem Angebot, inklusive der Preise. Ironisch schlägt er vor:

“Wenn Sie in die Karte mit den Bildern reinbeißenm werden Sie nicht das Geschmackserlebnis und alle anderen Wahrnehmungen haben, die sich einstellen, wenn Sie einen echten Eisbecher probieren. Der reale Cup Denmark bewirkt im Gehirn viel mehr als das reine Betrachten einer Eiskarte. So ist das mit allen Sinneswahrnehmungen. Beißen Sie einmal in eine Banane, die auf dem Bildschirm gezeigt wird – und schulen Sie dabei Ihren Geschmackssinn. Das hält das iPad nicht lange aus.”

Wirklichkeitsbezug – Wie Kinder die Realität erfahren

Das große Thema ist der Wirklichkeitsbezug: Das Kind forme in den ersten Jahren die Fähigkeit aus, Sinneswahrnehmungen wirklich aufzunehmen, so Schuberth. Es gehe um “den Klang einer Stimme; wie sich ein Mensch fühlt, der gerade spricht; um eine bestimmte Musik oder den Geschmack des Essens”.

Dadurch differenziere sich die gesamte Sinnesorganisation aus, so der Mathematiker. Genau das meinte Piaget, als er die sensomotorische Phase kleiner Kinder beschrieben hat. Auch Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther schildern plastisch, worauf es in dieser Phase des Lebens ankommt:

Der erste Schritt zum Selbstbewusstsein

“Der Mensch [bewegt sich] zunächst entlang sinnlicher Spuren – da wird alles gerochen, geschmeckt, in den Mund gesteckt, beäugt und befühlt, ja der ganze Körper kommt zum Einsatz, und wie! Es wird gerobbt, geklettert, gesprungen, gehopst, gepurzelt und auf Zehnspitzen gestanden, jeder
Muskel wird gestreckt, gewalkt, geübt, und dabei dieser wunderbare Körpersinn aufgebaut, der unsere Hände, Arme und Beine regelrecht Wurzeln schlagen lässt in der Umwelt.”

Ihr Resümee: Dieses “nach und nach entstehende sinnliche Bewusstsein” sei der erste Schritt zu “unserem Selbstbewusstsein”: “Der Besitz unserer Sinne macht uns unser selbst bewusst”, so
Renz-Polster und Hüther.


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