Schneller, weiter, besser – getrieben von Digitalisierung und Globalisierung glauben immer mehr Menschen, den Leistungsansprüchen unserer Gesellschaft nicht mehr gewachsen zu sein und reagieren mit Überforderung. Wie entsteht dieser Mechanismus – und was kann man dagegen tun.

Das Drama der Leistungsgesellschaft: Wenn Arbeit krank macht!

Nur Höchstleistung führt zum Erfolg?

“Nur Höchstleistung führt zum Erfolg” – das war die Maxime, unter der sie aufwuchs und nach der sie lebte: in der Schule, im Studium – und natürlich auch im Beruf. Kein Tag, an dem sie nicht völlig gestresst war, kein Abend, an dem sie vor neun aus dem Büro kam, oft sogar noch später. Spaß im Job hatten andere, denn Arbeit war kein Spaß, sondern vor allem Pflicht. Diese Pflicht wollte sie so gut wie möglich erfüllen, auch wenn sie sich dafür jeden Morgen zum Aufstehen zwingen musste.

Dann kam eine Wirtschaftskrise und die Firma verlor Aufträge. Alle begannen, um ihren Arbeitsplatz zu fürchten. Der Chef nutzte die Gelegenheit, seine Mitarbeiter zu mehr Leistung anzuspornen und gab die Parole aus: “Wir müssen alle härter arbeiten” – und sie richtete sich danach. Oft saß sie noch bis Mitternacht im Büro, weil sie nun versuchte, auch unwichtige Kleinigkeiten 200-prozentig zu erledigen, um den Anforderungen ihres Chefs gerecht zu werden.

Wenn der kleinste Fehler den Job kostet

Der kleinste Fehler, die winzigstes Unachtsamkeit konnte sie schließlich den Job kosten. Durch ihre hohe Leistungsbereitschaft glaubte sie sich vor einer Entlassung sicher: Wer, wenn nicht sie, hielt die Firma am Laufen und erledigte alles Liegengebliebene? Sie glaubte, alles unter Kontrolle zu haben – bis zu dem Tag, an dem sie entlassen wurde.

Sie habe zu wenig Einsatz im Job gezeigt, zu wenig eigene kreative Ideen eingebracht und sich zu wenig an der Lösung aktueller Probleme beteiligt, bescheinigte ihr der Chef. Befördert wurden andere, die viel weniger getan hatten als sie, die jedoch mehr Präsenz gezeigt und mehr Einsatz zur Schau getragen hatten. Sie war tief enttäuscht – und begann zum ersten Mal an ihrer Lebensmaxime “Nur Höchstleistung führt zum Erfolg” zu zweifeln: Vielleicht war das alles eine einzige Lüge?

Anders arbeiten, weniger leistungsorientiert – nur wie?

Sie beschloss, zukünftig anders zu arbeiten und sich selbständig zu machen. Sie wollte nicht mehr jeden Abend bis spät in die Nacht im Büro sitzen, sondern selbst bestimmen, wann sie anfing und wann sie aufhörte. Sie wollte ihre kostbare Zeit nicht länger mit Meetings verschwenden, in denen nur sinnlos geredet wurde, sondern ihre Arbeit effizient durchziehen.

Und sie wollte sich nicht für irgendeinen Chef aufreiben, sondern sich selbst verwirklichen und ihre Arbeit so machen, wie sie es für richtig hielt. Die berufliche Selbstständigkeit schien ihr die perfekte Arbeitsform. Dementsprechend groß war ihr Einsatz: Oft arbeitete sie viel intensiver und länger, als sie eigentlich vorgehabt hatte, und das ohne Unterlass und Entspannung.

Leistung, Leistung, Leistung – der eigene innere Antreiber

Das musste schiefgehen. Ihre anfängliche Arbeitseuphorie schlug bald in Stress um, sie war müde, reizbar und unausgeglichen. Existenzängste befielen sie. Aber was noch schlimmer war: Sie begann, die Freude an der Arbeit zu verlieren. Statt mit Begeisterung ihr Tagewerk zu vollbringen, sah sie wieder nur noch eine Anhäufung von Pflichten, die erfüllt werden mussten.

Durch den Druck, den sie sich auf diese Weise selbst aufbaute, trieb sie sich an und hetzte nur noch lustlos von einer Aufgaben zur nächsten. Die Arbeit, die sie sich doch selbst gewählt hatte, sah sie bald nur noch als notwendiges Übel, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Arbeitssucht: Über- oder Untertreiben?

Genau das verstärkte aber erneut ihre Existenzängste. Ihre Leistungsbereitschaft nahm spürbar ab, sie machte einfach nur noch, was unbedingt notwendig war. Schlimmer hätte es mit keinem Chef kommen können – und sie hätte sich noch nicht einmal über ihn beschweren können.

Als sie krank wurde, begann sie, ihre Arbeitsweise zu überdenken. Sicherlich gab es externe Faktoren, die Druck und Stress verursachten. Da war zunächst die finanzielle Unsicherheit, die eine Selbstständigkeit mit sich brachte. Da waren Kunden und ihre Wünsche, die erfüllt werden mussten, auch wenn sie es lieber anders gemacht hätte. Und da waren Konflikte mit Mitarbeitern, die den Arbeitsalltag verkomplizierten.

Perfektionismus: Wenn die eigene Einstellung krank macht

Doch das wahre Problem, so fand sie bald heraus, lag in ihrer Einstellung zur Arbeit begründet. Sie hatte nicht nur Druck von außen, sondern vor allem auch zu hohe Ansprüche an sich selbst. Sie versuchte, stets alles um jeden Preis 110-prozentig zu machen, statt unwichtige Dinge auch mal gelassener anzugehen.

Sie versuchte um jeden Preis, Fehler zu vermeiden – aus Angst Aufträge zu verlieren –, statt ihr Arbeit einfach nur so gut wie möglich zu machen. Sie verlor viel Zeit damit, Probleme und Entscheidungen immer wieder abzuwägen, statt sie einfach anzugehen. Kurz: Sie merkte, dass sie sich als typische Perfektionistin ihr Arbeitsleben schwerer machte, als es unbedingt nötig war. Die Frage war: Was konnte sie dagegen tun?