Wie gehen wir mit Fehlern und Kritik um? Was passiert, wenn wir uns selbst bei einem Fehler ertappen oder von Kollegen oder – noch schlimmer – dem Chef/der Chefin ertappt werden? All das lässt Rückschlüsse auf die Fehlerkultur in Unternehmen und unserer Gesellschaft zu. Praktische Tipps im Umgang mit Kritik.

Mit Kritik umgehen lernen: Für bessere Fehlerkultur in Unternehmen

Irren ist menschlich

Irren ist menschlich… Leicht dahingesagt, dieses Wort, denn wer gibt schon gern zu, dass er einen Fehler gemacht hat? Eigentlich niemand. Und doch passieren große und kleine Fehler jedem von uns Tag für Tag.

Vielleicht haben Sie auch schon einmal eine vertrauliche eMail an die falsche Person geschickt oder bei einem Meeting schlecht recherchierte Informationen präsentiert? Und haben Sie nicht auch gelegentlich die Äußerungen eines Kollegen falsch verstanden und absolut unpassend reagiert?

Reaktion ist alles

Irrtümer und Fehleinschätzungen sind bei Menschen an der Tagesordnung; Psychologen schätzen, dass jeder Mensch pro Stunde zwei bis fünf Fehler macht.

Gründe dafür sind zum Beispiel Überlastung, Verwendung falschen Materials oder ein Produkt, das nicht ausreichend getestet wurde. Das ist Murphys Gesetz: Was schiefgehen kann, geht auch schief. Oder salopp ausgedrückt: Shit happens.

Fruchtlose Vermeidungsstrategien

Daraus folgt: Auch wenn Sie perfektionistisch all Ihre Zeit darauf verwenden, jeden auch nur erdenklichen Fehler von vornherein auszuschließen – gelingen wird Ihnen das nie. Es werden Ihnen immer kleinere Fehler unterlaufen. Entscheidend für Ihr berufliches Vorankommen ist allein, ob Sie bereit sind, Kritik anzunehmen und aus Ihren Fehlern zu lernen. Oder ob Sie lieber über Ihre Fehler klagen und sich dafür selbst hassen wollen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.

Wie wir mit Fehlern umgehen, hängt immer auch von der Art ab, wie wir kritisiert werden: Wenn Ihr Kollege oder Chef unverschämt wird oder einzelne Fehler verallgemeinert, etwa indem er sagt: “Sie blöde Kuh, Sie machen immer alles falsch!”, sollten Sie die Unsachlichkeit zurückweisen: “Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe. Dennoch brauchen Sie mich nicht zu beleidigen.” Bitte nicht ausfällig oder beleidigt reagieren: Das wirft kein gutes Licht auf Ihre Bereitschaft, konstruktiv mit Fehlern umzugehen. Wenn man Ihren Fauxpas jedoch detailliert kritisiert und konstruktive Verbesserungsvorschläge macht, will man vermutlich nur helfen. Bleiben Sie also freundlich: “Danke, dass Sie sich so viel Mühe gegeben haben. Ich setze das entsprechend um.” Wenn Sie anderer Ansicht sind, können Sie diese sachlich begründen: “Ich danke Ihnen für Ihre Kritik. Aus folgenden Gründen sehe ich das aber anders…”

Sich das Leben nicht unnötig schwer machen

Gerade im Umgang mit Fehlen machen sich Perfektionisten das Leben oft unnötig schwer. So wie Paul. Er ist freiberuflicher Softwareprogrammierer. In letzter Zeit hatte er leider einige private Probleme. Und so kommt es dazu, dass er beim abschließenden Test einer neuen Software, total übermüdet, einige Fehler übersieht.

Der Kunde, für den diese Software eigens konzipiert wurde, hat durch die Fehler einen Systemabsturz; da er aber mit Pauls Arbeit bislang stets zufrieden war, zeigt er sich kulant: Paul kann die Fehler innerhalb einer Woche ausbessern. Für Paul jedoch ist das Ereignis ein Schock – wie konnte das nur passieren? Auf keinen Fall darf ihm das noch einmal geschehen. Die Software muss bis zum Termin absolut fehlerlos sein. Beim nächsten Mal will er unbedingt jeden Fehler vermeiden.

Unmögliche Arbeitsaufträge: So gehen Sie damit um

Wenn Sie einen Arbeitsauftrag bekommen, der Ihrer Meinung nach zu Fehlern führen wird, weil Sie zum Beispiel die Arbeit in der vorgesehenen Zeit unmöglich schaffen können: Weisen Sie rechtzeitig diplomatisch und mit sachlichen Argumenten darauf hin!

Fragen Sie den Vorgesetzen nach seiner Meinung, damit er nicht verärgert reagiert. Und zeigen Sie, dass es eine bessere Lösung geben kann: “Meine Erfahrung zeigt mir, dass wir, wenn wir das wie jetzt geplant machen, bestimmte Konsequenzen befürchten müssen. Ich würde daher einen anderen Weg vorschlagen. Was meinen Sie dazu?”

Selbstgemachter Druck

Paul möchte in der kommende Woche die Software nicht nur abliefern, sondern auch noch selbst installieren, um zu zeigen, dass sie absolut fehlerlos funktioniert. Zusätzlich zur Überarbeitung des Programms recherchiert er daher einige wichtige Fakten und gestaltet ein Handbuch zur Bedienung seines Programms. Er will unbedingt einen guten Eindruck machen und arbeitet dafür Tag und Nacht.

Doch leider läuft die Software nicht fehlerfrei. Paul gerät stark unter Druck, macht dabei einige entscheidende Fehler und legt dadurch das komplette Computersystem des Kunden lahm. Er hatte einige Besonderheiten in dem fremden System nicht einkalkuliert. Für sein sorgsam ausgearbeitetes Handbuch interessiert sich niemand mehr – der Kunde entzieht Paul den Auftrag. Pauls perfektionistische Vermeidungsstrategie hat zum Misserfolg geführt.

Der absolute Supergau

Warum aber der ganze Stress? Für viele Perfektionisten ist ein Fehler geradezu ein persönlicher Supergau: Er zeigt ihnen, dass sie längst nicht so perfekt sind, wie sie geglaubt haben und verunsichert sie zutiefst in ihrem Bedürfnis, die Dinge unter Kontrolle zu halten. Dazu kommt, dass viele Perfektionisten zu einer Alles-oder-Nichts-Haltung neigen, die sie dazu bringt, aus einem kleinen Fehler eine Katastrophe zu machen.

Für viele Perfektionisten ist es auch deshalb so erstrebenswert, absolut fehlerlos zu sein, weil für sie bereits ein einziger kleiner Fehler bedeutet, dass sie ihre Arbeit gänzlich schlecht erledigen. “Ich mache ja immer alles falsch”, jammern sie dann gern und bemitleiden sich dabei kräftig selbst. Um gar nicht erst in diese Situation zu kommen, möchten sie Fehler um jeden Preis vermeiden, zum Beispiel, indem sie sich akribisch auf eine Situation vorbereiten, um gegen jede Eventualität gerüstet zu sein.

Fehler kann man nicht vorausahnen

Natürlich ist es wichtig, so sorgsam wie möglich vorzugehen, damit Fehler erst gar nicht passieren. Doch niemand kann vorausahnen, was in einer bestimmten Situation geschehen wird: Wenn Sie beispielsweise eine Präsentation vorbereiten, können Sie die Fragen Ihrer Zuhörer nicht schon vorher wissen, sondern müssen während des Vortrags auch improvisieren.

Dennoch setzen sich viele Perfektionisten mit dem Wunsch, auf keinen Fall einen Fehler zu machen, regelrecht selbst unter Druck und schießen dabei auch oft über das Ziel hinaus – wie Paul. Je mehr sie sich bemühen, etwas absolut richtig zu machen, desto mehr Stress bauen sie auf und können dadurch im entscheidenden Moment nicht vernünftig reagieren. Denn Stress wirkt sich negativ auf das klare Denk- und Konzentrationsvermögen aus – wie das genau geschieht, erfahren Sie noch. Durch diesen Mechanismus entstehen Fehler. Vermutlich kennen auch Sie aus Ihrem eigenen Arbeitsalltag einige Situationen, in denen Sie alles so gut wie möglich machen wollten. Und gerade dann ging etwas schief – eben weil Sie im entscheidenden Moment zu sehr unter Stress standen!

Sind Sie ein vollkommener Versager?

Paul hält sich nun für einen vollkommenen Versager und beschließt, die Selbstständigkeit aufzugeben und sich einen ruhigen Bürojob ohne jede Verantwortung zu suchen. Doch auch wenn sein Verhalten so wirken könnte, als würde er seine Fehler einsehen und Konsequenzen daraus ziehen – das Gegenteil ist der Fall:

Er reagiert völlig übertrieben. Indem Paul seinen Fehler verallgemeinert, macht er sich gegen jede Kritik immun; wenn er ohnehin ein Versager ist, ist es ja ganz und gar unmöglich, etwas zu verbessern und er braucht sich gar nicht erst zu bemühen, es bei einem neuen Auftrag besser zu machen. Statt also genau zu analysieren, was schiefgegangen ist und was beim nächsten Mal anders werden könnte, gibt er auf. Mit dieser Mischung auch Schwarz-Weiß-Denken, Katastrophismus und Bequemlichkeit verbaut er sich aber selbst die Möglichkeit, seine gewonnen Einsichten für die Zukunft zu nutzen.

Fehler auf eine derart übertriebene Art- und Weise einzugestehen, indem Sie sich selbst des völligen Versagens bezichtigen, wirkt auf andere nur bedingt positiv. Manchmal zieht die “Tränendrüsennummer”. Es reicht aber nicht, wenn Sie plastisch und in epischer Breite über Ihren Fehler klagen, Sie müssen auch zeigen, dass Sie zwar überlastet, aber trotz aller Widrigkeiten bereit sind, Übermenschliches zu leisten. So mancher Chef fühlt sich dann als Sklaventreiber und Ausbeuter und wird Ihnen aus schlechtem Gewissen und Mitleid verzeihen. Andere Chefs stempeln Sie mit solch einem Verhalten allerdings zum unglaubwürdigen Schwächling – vor allem wenn es öfter vorkommt und Sie jedes Mal laut klagen, sich aber immer wieder der gleichen Fehler vorwerfen. Dann zeigen Sie, dass Sie nichts gelernt haben. Besser: Gehen Sie konstruktiv mit Fehlern um!

Konstruktiv statt destruktiv

Aus diesen Gründen ist das Vermeiden von Fehlern um jeden Preis nicht die optimale Strategie. Viel sinnvoller ist es, konstruktiv mit Fehlern umzugehen und daraus für die Zukunft zu lernen. “Wenn das so einfach wäre…” werden Sie vielleicht stöhnen. Richtig! Einfach ist es nicht, denn dazu müssen Sie sich Ihre Fehler zunächst bewusst machen und analysieren, was genau schiefgegangen ist. Je nachdem, wie schwer der Fehler wiegt und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, kann dieser Prozess schwierig und auch schmerzhaft sein. Denn Sie werden sich ein ums andere Mal fragen, was Sie hätten besser machen können und ob sich aus einer anderen Entscheidung eine andere Situation ergeben hätte.

Aber diese Gedanken sind keinesfalls unnötig oder gar Zeitverschwendung. Denn wenn Sie darüber nachdenken, was anders hätte laufen können, bekommen Sie neue Ideen zur Lösung eines Problems oder erkennen, worauf Sie bei der nächsten Entscheidung achten sollten, um diesen Fehler zu vermeiden. Aber Achtung: Nicht in tiefes Grübeln versinken! Es ist viel wichtiger, dass Sie nach einer eingehenden Analyse Ihre Erkenntnisse auch produktiv in die Tat umsetzen.

Ihre innere Einstellung

Wie Sie mit Schwierigkeiten umgehen, hängt auch stark von Ihrer inneren Einstellung ab. Das gilt gerade auch dann, wenn Ihnen bei Ihrer Arbeit Fehler unterlaufen. Denn nun haben Sie zwei Möglichkeiten: Sie können sich über Ihre Fehler schier schwarzärgern oder aber versuchen, Ihre Fehler positiv zu sehen und daraus zu lernen, was Sie beim nächsten Mal besser machen können.

Und auch wenn Sie mit einen gewissen Hang zum katastrophierenden Denken vielleicht zunächst davon ausgehen, dass ein Fehler das Schlimmste ist, was Ihnen überhaupt passieren kann, so können Sie Fehlern immer auch etwas Positives abgewinnen. Denn was sind Fehler anderes als Erfahrungen und was sind Erfahrungen anderes als die Summe der Dummheiten, die man im Bedarfsfall wieder anwendet – um es mit dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt zu halten?

Mit Kritik umgehen – eine Übung

Ein etwas humoristischer Blick schadet also nicht, wenn Sie die folgende Übung anwenden: Zeichnen Sie auf ein Blatt drei Spalten (Sie können das Blatt auch knicken). In Spalte 1 schreiben Sie auf, welchen Fehler Sie sich geleistet haben. In der mittleren Spalte notieren Sie nun, wie Sie sich verhalten oder gefühlt haben, als Sie den Fehler bemerkten. Diese Übersicht bekommt außer Ihnen niemand zu sehen – beschreiben Sie Ihre Gefühle also so ehrlich und genau wie möglich. Vermerken Sie genau, was Sie denken und in welchen Worten Sie diese Gedanken ausdrücken.

Wenn Sie dann noch einmal auf Ihre Tabelle schauen, stellen Sie vielleicht fest, dass Sie als eingefleischter Perfektionist im ersten Moment dazu tendieren, sich auch vor sich selbst für den Fehler zu rechtfertigen: Stehen da Sätze wie “Ja, aber ich habe doch…” oder “Eigentlich habe ich schon…” oder “Ich weiß gar nicht, was ich besser machen könnte, aber vielleicht….”? In diesen Sätzen finden Sie meist schon, was Sie aus Ihrem Fehler lernen und in Zukunft besser machen können.

Und genau diese Absichten, in Zukunft etwas besser zu machen, sollten Sie in die dritte Spalte der Tabelle eintragen. Wenn Sie mit Ihrer Übersicht fertig sind, enthält diese letzte Spalte ganz konkrete Handlungsvorgaben für die Zukunft. Die ersten beiden Spalten brauchen Sie nun nicht mehr, denn Sie wollen sich ja nicht weiter über Ihre Fehler ärgern – oder? Trennen Sie Spalte 1 und 2 daher vom Blatt ab und werfen Sie sie weg. Spalte 3 sollten Sie jedoch irgendwo in Sichtweite aufheben, damit Sie sich immer daran erinnern, was Sie verbessern wollen. Nur: Seien Sie nicht zu streng mit sich, wenn Sie Ihre Vorgaben nicht immer gleich umsetzen können.

Die Fehler-Tabelle von Paul:
Diesen Fehler habe ich gemachtDas habe ich gedacht, gefühlt oder getanDas kann ich beim nächsten Mal besser machen
Ich habe Fehler in der Software übersehen.Ja, das war Mist und der Kunde ist zu Recht sauer – aber ich war müde und überlastet, da kommt so was vor… Ich werde beim nächsten Mal mit mehr Ruhe an die Arbeit gehen.
Ich habe mit meiner Software das ganze System des Kunden zum Absturz gebracht.Eigentlich habe ich mir solche Mühe gegeben, alles richtig zu machen und mich dabei völlig überarbeitet…Beim nächsten Mal werde ich nicht ganz so perfektionistisch und detailversessen sein, damit ich weniger Stress habe.
Ich habe nicht mit den Besonderheiten des fremden Systems gerechnet.Wenn mir das der Kunde nicht sagt, kann ich das auch nicht wissen – aber na gut, vielleicht hätte ich fragen können. Beim nächsten Mal frage ich einen Kunden vorher nach Besonderheiten in seinem System.

Fehler als Karrierekiller

Leider ist gerade im Berufsalltag ein Fehler oft nicht nur ein Problem Ihrer persönlichen Befindlichkeit: Wenn Sie Verantwortung tragen, sind von Ihren Fehlern nicht nur Sie selbst, sondern auch andere betroffen. Und gravierende Patzer können sich negativ auf die Karriere auswirken. Doch es muss nicht sein, dass Fehler zum Karrierekiller werden: Wenn Sie konstruktiv mit Fehlern umgehen, können Sie auch andere überzeugen.

Fehler alleine sind schon nicht schön. Noch unschöner wird es, wenn andere den Fehler auch noch bemerken. Denn vielleicht haben Sie auch den einen oder anderen liebenswerten Kollegen, der nur darauf zu warten scheint, jedes kleine Missgeschick von Ihnen sofort dem Chef zu melden oder Sie öffentlich bloßzustellen. Bei schwerwiegenden Fehlern drohen zudem Abmahnungen bis hin zur Entlassung, grob fahrlässige oder vorsätzliche Fehler können im Extremfall sogar juristische Konsequenzen und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. Kein Wunder, dass viele Menschen versuchen, Fehler zu verschweigen, zu kaschieren oder gar anderen in die Schuhe zu schieben. Viele Menschen sind in solchen Situationen nicht gerade kollegial.

Lügen haben kurze Beine

Das aber ist ein großer Fehler! Und das nicht nur, weil es von Charakterstärke zeugt, zu seinen Fehlern zu stehen und nicht gerade nett ist, andere dafür büßen zu lassen – als Perfektionist mit gewissen moralischen Ansprüchen werden Sie hier sicher zustimmen. Nein, vor allem schadet Heuchelei Ihnen selbst. Denn Sie blamieren sich erst recht, wenn Ihr Fehler hinterher herauskommt.

Wenn Sie einen Fehler vertuscht haben oder andere Sie bei einem Fehler ertappt haben: Bleiben Sie ruhig und versuchen Sie keine dummen Ausreden. Besser sind gute Argumente, die Ihre Konstruktivität zeigen: “Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen, ich arbeite auch bereits an einer Lösung des Problems und wollte Ihnen diese gleich mit präsentieren.”

Was tun, wenn man Fehler erkennt?

Schauen wir uns das Beispiel von Alice an, die als Sekretärin im letzten Jahr einige Kunden ihres Chefs zu einem vorweihnachtlichen Geschäftsessen einladen sollte. Der Tisch war bestellt, alle Kunden hatten zugesagt – da fiel ihr ein, dass sie jemanden vergessen hatte. Was tun? Sie entschloss sich zu schweigen, denn wenn der Kunde nicht wüsste, dass er vergessen worden war, konnte er sich auch nicht darüber ärgern. Ihrem Chef erzählte sie, der Kunde habe abgesagt. Leider erfuhr dieser nachträglich von dem Essen und fragte bei ihrem Chef nach. Der fand den eigentlichen Fehler nicht schlimm, war aber enttäuscht, dass Alice ihn angelogen hatte: “Beim nächsten Mal versetze ich Sie in eine andere Abteilung”, drohte er. “Hätte ich den Kunden doch nur angerufen und noch eingeladen”, ärgerte sich Alice und nahm sich vor, zukünftig keine Fehler mehr zu verschweigen.

Wenn Sie einen Fehler gemacht haben: Rechtfertigen Sie sich nicht! Und versuchen Sie ruhig zu bleiben. Denn durch nervöses Gestammel, Selbstmitleid und Entschuldigungen signalisieren Sie Ihrem Gegenüber nur Schwäche. Geben Sie den Fehler besser direkt und unumwunden zu. “Es tut mir leid, aber mir ist dieses Missgeschick passiert…” Fischen Sie nicht nach Ausreden und versuchen Sie nicht, den Fehler auf jemand anderes abzuwälzen. Chefs und Kollegen respektieren Menschen, die zu ihren Fehlern stehen, viel mehr als rückgratlose “Heuchler”. Ehrlichkeit kann dabei manchmal sehr entwaffnend sein. Und: Man tritt auf niemanden, der schon am Boden liegt!

Offenheit hilft!

Auch Alice hat aus ihrer Erfahrung gelernt. Als sie die vertraulichen Unterlagen für ein Angebot versehentlich an ein Konkurrenzunternehmen statt dem Kunden schickt, ist der Schock groß. Denn nun kann die Konkurrenz das eigene Angebot nochmals unterbieten. Doch sie beichtet den Fehler sofort ihrem Chef und macht den Vorschlag, das Angebot nochmals zu korrigieren. Der Chef ist ungehalten, zeigt sich aber dann erfreut über die Offenheit: “Das ist natürlich dumm gelaufen, aber wir haben ja dank Ihrer schnellen Reaktion zum Glück noch etwas Zeit, das Angebot nochmals durchzukalkulieren und nach unten zu korrigieren.” Am Ende erweist sich der Fehler als Glücksfall: Die Firma erhält den Zuschlag und der Kunde vertraut Alices Chef an, dass das Angebot der Konkurrenz viel zu hoch gewesen sei. Der Chef gibt zu: “Ohne Ihren Fehler hätten wir die zusätzlichen Einsparpotenziale nicht entdeckt und wären mit dem viel zu teueren Angebot abgelehnt worden.”

Schadensbegrenzung ist gefragt: Liefern Sie gleich einen Lösungsvorschlag für das Problem oder zeigen Sie auf, wie der Fehler, den Sie begangen haben, beseitigt werden kann. Entwickeln Sie Ideen, wie ein solcher Fehler für die Zukunft vermieden werden kann, damit es nicht zu Wiederholungen kommt: “Ich habe einen Fehler gemacht. Dabei ist mir klar geworden, dass ich diesen Arbeitsablauf in Zukunft komplett anders gestalten möchte, um weitere Fehler dieser Art zu vermeiden.” Eine Schwächenanalyse kombiniert mit einer Lösungsstrategie zeigt Ihren Einfallsreichtum – und dass Sie bereit sind, zu lernen.

Fehlerkultur – mehr als eine hohle Phrase?

Möglich ist ein solch produktives Fehlermanagement allerdings nur, wenn in Ihrer Firma auch eine entsprechende Fehlerkultur herrscht. Denn davon hängt es ab, wie offen Mitarbeiter mit ihren Fehlern umgehen.

Der positive Umgang mit Fehlern ist in Deutschland leider alles andere als selbstverständlich: Zwar gibt es in vielen Unternehmen eine Art betriebliches Vorschlagwesen, bei dem Mitarbeiter Ideen einreichen können, die auch häufig zu Beseitigung von Fehlern führen – doch noch öfter verhallen die Vorschläge ungehört und werden von den zuständigen Vorgesetzen ignoriert. Repräsentative Untersuchungen zeigen, dass die Deutschen unter 61 Staaten auf dem vorletzten Platz liegen, wenn es um den konstruktiven Umgang mit Fehlern geht. Wer einen Fehler macht, gilt in als schwach und steht schnell am Pranger.

Die Kaizen-Methode

Japanische Unternehmen wie Toyota zeigen mit ihrer Kaizen-Methode, wie man es besser machen kann: Hier geht es nie zuerst um die Frage, wer einen Fehler zu verantworten hat, sondern analysiert wird immer zuerst, wie dieser Fehler zustande kam und wie man ihn schnell und dauerhaft beseitigen kann. Die Produktion gilt bei Toyota daher nicht als untergeordneter Bereich, sondern als letzte und wichtigste Instanz der Qualitätskontrolle. Denn ein Problem in der Produktion lässt sich nicht am Schreibtisch drei Stockwerke höher lösen.

Tritt ein Problem auf, kann jeder Mitarbeiter jederzeit den Produktionsablauf stoppen und einen Verbesserungsvorschlag einbringen. Dann setzen sich Mitarbeiter, Produktionsleiter und Ingenieure oder Logistiker vor Ort zusammen und arbeiten einen Katalog von Fragen ab: Warum ist das passiert? Könnte sich das Problem in anderen Teilen der Produktion wiederholen? Wie stellen wir sicher, dass es nicht wieder auftritt? Das Ziel ist dabei nicht der gewaltige Innovationssprung, sondern eine ruhige, kontinuierliche in kleinen Schritten stattfindende Verbesserung, über die alle Beteiligten – Mitarbeiter, Vorgesetzte und Kunden – sich ständig austauschen. Jeder weiß, dass er die anderen für diesen Prozess braucht und dass der Weg zum Ziel manchmal auch über Um- und Abwege führt.

Fehlerkultur im Unternehmen implementieren

“Schön”, werden Sie sagen: “In unserem Unternehmen existiert eine solche Fehlerkultur nicht. Und nun?” Nun können Sie selbst anfangen, die Fehlerkultur in Ihrem Unternehmen in kleinen Schritten zu verbessern. Denn auch Sie profitieren davon, wenn offener mit Fehlern umgegangen wird. Fangen Sie selbst an, freier über Fehler reden. Und gleichzeitig demonstrieren Sie, was Sie aus Ihren Fehlern gelernt haben und besser machen. Damit machen Sie aus dem negativen Fehler ein für alle sichtbares, positives Ergebnis.

Auch wenn es eigentlich Chefsache ist, mit den Mitarbeitern über Fehler zu sprechen: Wenn Sie bei Kollegen Fehler bemerken, sollten Sie Ihn nicht gleich beim Vorgestzten anschwärzen oder wegsehen. Viel mehr sollten Ihre kollegiale Hilfe anbieten. Wichtig ist allerdings, dass vermeiden,Sie dabei nicht rechthaberisch und von oben herab klingen und Vorwürfe vermeiden, etwa: wie “Wie konnte das passieren?”, “Warum haben Sie das gemacht?”, “Weshalb haben Sie nicht besser aufgepasst?” oder “Wissen Sie, welche Katastrophe das für uns ist?”. Bleiben Sie besser freundlich, kollegial und sachlich: “Ich glaube, da ist Ihnen ein Versehen passiert…” Damit Und bieten Sie dem Kollegen die Gelegenheit, seinen Fehler selbst zu korrigieren., statt ihn gleich beim Vorgesetzen anzuschwärzen.

Gemeinsam an der Lösung eines Problems arbeiten

Zeigen Sie Ihren Kollegen Ihre Bereitschaft, mit ihnen gemeinsam an der Lösung des Problems zu arbeiten, etwa indem Sie fragen: “Was können wir tun, um den Schaden zu beheben?”, “Wie können wir diese Auswirkung verhindern?” oder “Was denken Sie, wie können wir solche Fehler zukünftig verhindern?” Wenn ein Kollege offen zu seinem Fehler steht: Zeigen Sie ihm und anderen dafür Ihre Achtung. Denn das ermutigt auch andere, es ebenso zu machen. Wenn Sie hingegen miterleben, wie ein Kollege wegen eines Fehlers an den Pranger gestellt wird, verwehren Sie sich entschieden dagegen: “Diese Herangehensweise bringt uns nicht weiter. Suchen wir lieber nach den Ursachen des Versehens.” Damit tragen Sie zu einer angstfreien Arbeitsatmosphäre bei.

Passieren die Fehler nach einem bestimmten Muster? Falls ja: Wie sieht dieses Muster aus? Was ist daraus zu lernen? Diskutieren Sie mit Kollegen und Vorgesetzten über Verbesserungsvorschläge. Führen Sie sachliche Argumente an, warum auch die anderen etwas von der Verbesserung haben. Regen Sie eine Plattform an, die allen Kollegen die Möglichkeit gibt, Fehler aufzuzeigen und Dinge zu verbessern. Das kann im hauseigenen Intranet sein oder aber auf einem regelmäßigen Treffen; das aber darf nicht zur Selbstanklageshow werden, sondern sollte in einer vertrauensvollen Atmosphäre stattfinden.

Indirekt kommunizieren

Wenn Ihre Vorschläge nicht gehört werden oder Sie fürchten, andere nur zu verärgern: Wählen Sie eine indirekte Methode. Suchen Sie sich Verbündete im Unternehmen, wenn der eigene Vorgesetzte die Veränderung blockiert, und bilden Sie Netzwerke, z.B. auch mit anderen Abteilungen. Veränderungsprozesse brauchen Zeit!

Alice kommt es sicherlich auch zugute, dass sie in ihrem Unternehmen und bei ihrem Chef ein hohes Ansehen genießt. Sie leistet viel, hat zu vielen Mitarbeitern einen guten Draht und nimmt ihrem Chef so manche Entscheidung ab, eben weil sie Fehler nicht mehr ängstlich und um jeden Preis vermeiden will. Auf eine solche Mitarbeiterin will ihr Chef nicht verzichten. Eines Tages bekommt sie mit, dass ein anderer, noch junger und unerfahrener Kollege Mitarbeiter wegen weitaus geringerer Vorkommnisse entlassen werden soll. Die Begründung des Chefs: Seine Arbeit bringt nicht die erforderlichen Ergebnisse. Alice setzt sich für den Kollegen Mitarbeiter ein. Aber gleichzeitig ermutigt sie ihn in der Mittagspause den Mitarbeiter und macht ihm klar, dass er bei seiner Arbeit ruhig einmal etwas riskieren darf und neue Ideen ausprobieren soll. Denn davon lebt schließlich die Innovationskraft des Unternehmens.