MEINUNG! Prof. Dr. Gerrit Heinemann, Hochschule Niederrhein: Kooperative Geschäftsmodelle im E-Commerce

Prof. Dr. Gerrit Heinemann leitet das eWeb-Research-Center an der Hochschule Niederrhein lehrt die Fächer Betriebswirtschaftslehre, Management und Handel lehrt. Im vierten und letzten Teil des Interviews geht es um kooperative Geschäftsmodelle im E-Commerce.

Heinemann studierte Betriebswirtschaftslehre in Münster und promovierte als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing bei Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert. Er begann seine außeruniversitäre Laufbahn als Zentralbereichsleiter für Marketing bei der Douglas Holding AG, bevor er zur Kaufhof Warenhaus AG wechselte, dort ein Trainee-Programm nachholte und anschließend Warenhausgeschäftsführer wurde. Als Zentralgeschäftsführer der Drospa Holding kehrte er zurück zur Douglas-Gruppe, wechselte dann zur internationalen Unternehmensberatung Droege und Comp. und führte dort das “Competence Center Handel und Konsumgüter”. 2005 erhielt Heinemann einen Ruf an die Hochschule Niederrhein. Er ist Autor mehrerer Fachbuch-Bestseller zu E-Commerce-Themen und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der buch.de internetstores AG.

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Kooperative E-Commerce-Geschäftsmodelle zwischen Handel und Hersteller stellen die einzige handelsverträgliche E-Commerce-Strategieoption für substituierbare, produzierende Unternehmen mit einer stationären Handelsstruktur dar, die nicht mit dem Risiko behaftet ist, temporär massiv Umsatz im stationären Handel zu verlieren.

Dies hängt meiner Einschätzung nach primär von der Markenstärke eines Herstellers ab. Wenn die Marke stark genug ist, kann es auch am risikolosesten sein, nicht auf den Handel zu hören. Letztlich stellt es auch ein Risiko dar, aufgrund der zu starken Einbindung des Handels zu einer Kompromisslösung zu gelangen, welche kontraproduktiv ist.

Das Thema E-Commerce verlangt eine kompromisslose Kanalexzellenz. Überall wo Händler integriert worden sind (z. B. in Verbundgruppenmodelle), führen die Kompromisse dazu, dass die Kanalexzellenz konterkariert wird und das Konzept dadurch eine Totgeburt wird.

Aus meiner Sicht ist die Kritik der Händler nicht das größte Risiko, sondern ich sehe vielmehr die Kompromisslösungen, die ein Hersteller aus Rücksicht auf den Handel eingeht, als das viel größere Risiko. Die Händler zu fragen, kann im Zweifel auch ein großes Risiko sein, denn im Zweifel verstehen die nicht viel von E-Commerce.

Welches E-Commerce-Geschäftsmodell schlagen Sie einem Hersteller aus einer Branche mit einem niedrigeren E-Commerce-Reifegrad vor, die von einer stationären Fachhandelslandschaft dominiert wird?

Hier empfehle ich, in Stufenmodellen zu arbeiten. Der Vorteil in Branchen mit niedrigem Reifegrad ist, dass die Entwicklungsgeschwindigkeit im E-Commerce wesentlich geringer ist als in onlineaffinen Branchen wie Büchern, Reisen oder Elektronik.

Daher empfiehlt sich auch für Branchen mit einem niedrigen E-Commerce-Reifegrad eine multioptionale Lösung, mittels welcher man sich bestmöglich auf die zukünftige Entwicklung vorbereitet.

Gibt es aus Ihrer Sicht neben kooperativen E-Commerce Geschäftsmodellen weitere strategische Optionen, die ein Hersteller in Erwägung ziehen kann, ohne zugleich ein unkalkulierbares Risiko einzugehen, temporär massive Umsatzrückgänge durch stationäre Auslistungen hinzunehmen?

Darauf habe ich ja eingang schon geantwortet. Das hängt meiner Einschätzung nach primär von der Markenstärke eines Herstellers ab.

Wenn Sie ein zusammenfassendes Resümee ziehen, welche strategischen Handlungsoptionen haben sich bei Markenherstellern mit einer vorwiegend stationär ausgeprägten Handelslandschaft als besonders erfolgreiche E-Commerce-Strategie erwiesen?

Mit einem Blick über den Teich in die USA können wir am Beispiel Macy`s sehen: Macy`s hatte bis 2008 einen Sturzflug – ähnlich wie Karstadt und Co. – erfahren. Durch eine konsequente Mobilisierung aller Investitionsmittel ist es Macy`s mit einer radikalen Lösung gelungen, alle Vertriebskanäle miteinander zu verschmelzen und eine No-Line-Lösung aufzubauen.

Mit einem hochprofitablen Wachstum ist Macy`s glänzend aus der Krise hervorgegangen und heute exzellent in allen Kanälen positioniert. Damit hat Macy`s das Warenhaus neu erfunden. Eine solche Strategie gilt es, auf Markenhersteller zu adaptieren, um besonders erfolgreich sein zu können.

Mit welchen Risiken sehen Sie produzierende Markenhersteller hinsichtlich einer E-Commerce-Strategie konfrontiert und wie würden Sie diesen entgegentreten?

Die größte Herausforderung ist es heute, eine Investitionsentscheidung in der notwendigen E-Commerce-IT-Landschaft zu treffen, welche die notwendige Funktionalität der nächsten Jahre abbilden muss. Auch wenn diese Investitionen gestuft sind, ist es das größte Risiko für Markenhersteller, hier auf das falsche Pferd zu setzen.

Die meisten Hersteller haben für derartige Investitionen nur einen Schuss frei. Bei Macy`s hat dieser Schuss gesessen, bei JC Penny hingegen nicht, weshalb sich dieser US-Einzelhändler in der Restrukturierung befindet. Etliche Markenhersteller mussten aufgrund der falschen E-Commerce-Systementscheidung saniert werden.

Hierbei ist es elementar, dass sich Markenhersteller für die richtigen Dienstleister entscheiden, um nicht am Ende mit falsch dimensionierten Lösungen und langfristigen Verträgen den Break-Even nicht mehr zu erreichen.

Welche Tipps und Empfehlungen können Sie produzierenden Unternehmen hinsichtlich derer E-Commerce-Strategie abschließend mit auf den Weg geben?

Aus meiner Sicht ist es am wichtigsten, sich die richtigen Kompetenzen in der richtigen Dosierung ins Haus zu holen. Hierbei sollten produzierende Unternehmen darauf achten, sich reine E-Commerce Spezialisten ins Haus zu holen, und von großen Beratungsgesellschaften, die unter anderem auch E-Commerce-Consulting-Dienstleistungen anbieten, eher Abstand nehmen.

Viele Hersteller formulieren eine “handelsverträgliche Wachstumsstrategie” als ihr Ziel im E-Commerce. Welche Betriebstypen schlagen Sie einem Hersteller vor, um mit vertretbaren Kanalkonflikten bestmöglich am E-Commerce-Wachstum partizipieren zu können?

Hier empfiehlt sich immer eine kombinierte, multioptionale Lösung, um für alle denkbaren Varianten, die man heute noch nicht vorhersehen kann, “warmgelaufen” zu sein. Die multioptionale Lösung soll händlerverträglich sein, jedoch muss ein Hersteller auch in der Lage sein, den Hebel rasch auf alternative Absatzkanäle umzulegen.

Letztlich entscheidet der Endkunde, welchen Beschaffungskanal er wählen möchte. Wenn sich also ein Endkunde bewusst dafür entscheidet, das Produkt über den Online-Shop des Herstellers zu kaufen, dann hätte er das Produkt nicht im Handel gekauft.

Letztendlich partizipiert der Händler in einem kooperativen E-Commerce-Modell trotzdem an dem Online-Kauf, indem er eine Provision erhält. Der Vorteil der Hersteller liegt darin, dass der Partizipationsgrad des Handels in einem kooperativen E-Commerce-Modell jederzeit angepasst werden kann, da der Hersteller sämtliche Prozesse bereits selbst ausführt.

Ein solches “Flexible Response” Modell stellt aus meiner Sicht die risikoärmste Form eines E-Commerce-Modells dar, um auf die unsichere Zukunft möglichst gut vorbereitet zu sein.

E-Commerce senkt die Transaktionskosten des Abnehmers bzw. des Kunden. E-Commerce kann die Transaktionskosten des Herstellers senken. Vor- aussetzungen hierfür sind jedoch rationelle Prozesse sowie eine skalierbare, kosteneffiziente IT-Landschaft, die der Dynamik standhält. Die Systeme der IT-Landschaft sind für Hersteller daher ein kritischer Erfolgsfaktor im Hinblick auf deren E-Commerce-Strategie.

Richtig, mit dieser These bin ich absolut d’accord.

Welche Optionen hinsichtlich der IT-Landschaft stehen Herstellern aus Ihrer Sicht zur Verfügung? Wo sehen Sie die jeweiligen Stärken und Schwächen der genannten Optionen?

Hier teile ich die Meinung von Herrn Diekmann und stehe im ständigen Austausch mit ihm in Bezug auf IT-Landschaften.

Suchmaschinen determinieren den Nachfragerstrom im E-Commerce. Die Top-Platzierungen von Google stellen die 1a-Lage des stationären Handels im Internet dar. Demzufolge hat das Thema SEO und Contentqualität für Hersteller eine besonders hohe Relevanz im Hinblick auf die erfolgreiche Positionierung ihrer Marke im Internet. Dieses Ziel zu erreichen wird zunehmend komplexer und kostspieliger.

Richtig. Suchmaschinen werden jedoch auch zunehmend von anderen Modellen abgelöst, die man auf dem Schirm haben sollte. Für die Produktsuche werden anstatt Suchmaschinen wie Google zunehmend Portale wie Amazon eingesetzt. Zudem muss berücksichtigt werden, dass Kunden, welche die Marke kennen, gezielt die Herstellerwebseite aufrufen.

Deswegen sollte diese heutzutage ein Flagshipstore sein. Untersuchungen zeigten, dass die Herstellerwebseite ähnlich häufig wie Suchmaschinen zur Produktsuche verwendet wird.

Dies ist nicht so teuer, jedoch genauso wichtig, was häufig vernachlässigt wird. Markenhersteller haben immer eine organische Suche jenseits der Suchmaschine. Je besser und optimierter die Webseite eines Herstellers konzipiert und SEO-optimiert ist, desto besser ist auch das Suchmaschinenranking, ohne dass SEM-Investitionen erfolgen müssen.

Welche Content-/SEO-Strategie empfehlen Sie produzierenden Unternehmen? Gibt es aus Ihrer Sicht Alternativen zu dieser Strategie?

Ohne ein SEO-Spezialist zu sein, ist es wichtig, dass sämtlicher Content, unerheblich ob dieser für Printmedien oder das Internet erstellt wurde, SEO-optimiert erfolgt.

Häufig werden auch gedruckte Flyer elektronisch archiviert und in das Internet gestellt. Die Mühe lohnt sich also, generell einen SEO-Spezialisten zur Optimierung der Texte einzusetzen.

Stationär geprägten Herstellern fehlt häufig das Gespür für das E-Commerce Geschäft. Für die Etablierung eines erfolgreichen E-Commerce-Absatzkanals im Unternehmen ist eine dafür eigens geschaffene E-Commerce-Organisationseinheit elementar.

Sehe ich genauso. Wenngleich dies auch abhängig vom E-Commerce-Reifegrad des Unternehmens ist. In der höchsten Evolutionsstufe der digitalen Reife ist es möglich und auch sinnvoll, wieder zusammenzugehen.

Pure-Player wie Amazon können für einen Hersteller Fluch und Segen zugleich sein. Derartige Marktplätze dominieren die E-Commerce Landschaft zunehmend. Die Entscheidung Amazon als Hersteller direkt zu beliefern, bietet wohl die höchsten Umsatzchancen im E-Commerce. Gleichermaßen begibt sich der Hersteller damit in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis und steuert damit auf den “point of no return” zu. So wurde Amazon für viele Markenhersteller aus dem Stand heraus der größte Kunde in Deutschland. Der Umgang mit Pure-Playern ist in Bezug auf die Online-Umsatzchancen eines Markenherstellers eines der wichtigsten Elemente einer E-Commerce-Strategie.

Richtig, Amazon bietet die größten Umsatzchancen, allerdings auch die größten Risiken bis hin zu einer faktischen Abhängigkeit, die in zahlreichen Branchen schon allgegenwärtig ist. Pure-Player bzw. Marktplätze sehe ich nicht als das wichtigste Element einer E-Commerce-Strategie.

Ich würde jedoch sagen, dass die Einschätzung über den richtigen Umgang mit Portalen und Marktplätzen ein sehr wichtiges Element jeder E-Commerce-Strategie für eine Marke sein sollte.

Dies geht jedoch über reine Pure-Play-Konzepte hinaus. Hier kann ein Markenhersteller ggf. mit Wettbewerbern erwägen, als Option einen eigenen Marktplatz zu gründen. Aktuell tut dies jedoch noch kein Hersteller, da ein solches Modell einen hohen E-Commerce-Reifegrad voraussetzt.

Welche Vorgehensweise empfehlen Sie Herstellern hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Amazon?

Hinsichtlich Amazon empfehle ich eine kontrollierte Zusammenarbeit, in welcher der Hersteller die Intensität bestimmt. Wichtig ist, dass Hersteller sich der Gefahren durch Amazon bewusst sind und wissen, wie damit umzugehen ist.

Halten Sie eBay bzw. einen eBay-Markenshop für einen geeigneten Marktplatz für Hersteller?

eBay halte ich für einen geeigneten Marktplatz für Markenhersteller, da eBay stark in die Richtung Markenshops expandiert und Preiserosionen dort nicht im Fokus stehen werden. Obwohl der Aufwand, auf eBay zu verkaufen, im Vergleich zu Amazon höher ist, sehe ich eBay-Markenshops als absolut empfehlenswerte Plattform für Hersteller und Markenanbieter.

Die disruptiven Veränderungen der Konsumenten und Medienlandschaften führen dazu, dass die Beschaffung von Gebrauchs- und Konsumgütern zunehmen über das Internet erfolgt. Während viele Hersteller mit einer klassisch stationären Handelsstruktur diesen Trend zwar feststellen, fürchten sie gleichermaßen die Sanktionen des Handels. Hersteller, die keine Lösung dieser Problematik haben, werden unweigerlich Marktanteile verlieren.

Sehe ich genauso.

Wie können Hersteller dem Dilemma der vorgenannten These entgegentreten?

Hier empfehle ich Herstellern mit genügend Selbstbewusstsein, proaktiv auf das Thema E-Commerce zuzugehen. Darüber hinaus ist dies auch ein Test für die Stärke einer Marke. Der Hersteller sollte im E-Commerce-Terrain die Führung übernehmen und den Handel dabei unterstützen. Keinesfalls sollte sich ein Hersteller auf die E-Commerce-Kompetenz seiner Händler verlassen.

Hinsichtlich möglicher Sanktionen für E-Commerce-Strategien der Hersteller zeigt mir die Erfahrung, dass die Ängste der Hersteller häufig nicht berechtigt waren. Wichtig ist es, dass der Hersteller die E-Commerce-Strategie gegenüber dem Handel offen kommuniziert. Hier empfiehlt es sich als Hersteller, dem Handel eine beratungsorientierte Information zur E-Commerce-Strategie zu geben.

Im Rahmen welcher Organisationsform empfehlen Sie Herstellern die Eingliederung des Bereichs E-Commerce?

E-Commerce ist und bleibt Chefsache. Insofern muss die Abteilung direkt der Geschäftsleitung unterstellt sein. Einige Unternehmen beginnen bereits damit, das Vorstandsressort E-Commerce zu schaffen.

Endverbraucher erwarten heutzutage das gesamte Produktportfolio eines Herstellers auf deren Online-Markenauftritt und möchten neben einer stationären Händlersuche auch online möglichst ohne Medienbruch zum Kaufabschluss gelangen.

Absolut d’accord. Zu dieser These stimme ich Ihnen 100 % zu.

Welche sinnvollen strategischen Optionen stehen den produzierenden Herstellern hinsichtlich des Online-Markenauftritts zur Verfügung?

Sinnvoll ist eine multioptionale Lösung, welche verschiedene, komplexe Distributionsformen von eigenem Retailing bis hin zu Verbundlösungen mit dem (Groß-)Handel ermöglicht. Wichtig hierbei ist, dass eine solche Option auch das Thema Internationalität berücksichtigt und Anbindungen an Marktplätze ermöglicht.

Stark im Kommen sind auch interaktive Plattformen als zusätzliche Absatzkanäle, die weit über die Funktionalität der bisherigen Marktplätze hinausgehen. Plattformen wie DaWanda und etsy.com rüsten massiv auf, sodass davon auszugehen ist, dass in Zukunft Alternativen zu Amazon und eBay bestehen werden.

Diese sogenannte Reintermediation, d. h. die Neuerfindung von Intermediären im digitalen Bereich, wird dazu führen, dass traditionelle intermediäre Händler und Fachhändler zunehmend ersetzt werden. Daher ist es wichtig, dass Hersteller diese Tatsache in ihrer E-Commerce-Strategie berücksichtigen. Von radikalen Outsourcinglösungen, wie z. B. der Auslagerung eines exklusiven Markenshops an den Handel, rate ich ab.

Das Internet sorgt für vollkommenere Märkte, vorwiegend durch eine hohe Preistransparenz. Demzufolge differenzieren sich viele Online-Anbieter primär durch den Preis. Dies stellt insbesondere für Premium-Hersteller ein großes Problem dar.

Richtig, allerdings resultieren die Probleme vielmehr daraus, dass Hersteller am Anfang falsche Weichenstellungen vorgenommen haben, die über selektivere und kontrollierte Absatzwege hätten verhindert werden können. Dies im Nachhinein auszugleichen, gestaltet sich jedoch schwierig.

Welche Methoden empfehlen Sie Markenherstellern, um Preiserosionen zu vermeiden?

Hier empfehle ich eine stärkere Kontrolle im Absatzkanal, was zu selektiveren Distributionsmodellen führt. Es gibt auch Marktplätze bzw. marktplatzähnliche Modelle, die diese Kontrolle zulassen, weil sie geschlossen sind.

Das Partnermodell von Zalando oder auch der eBay-Markenshop sind markenverträgliche Plattformlösungen, bei denen Preisverhau nicht allgegenwärtig ist. Amazon hingegen nutzt die Preisaggressivität bei Markenartikeln egoistisch, um damit auch mehr Frequenz für Eigensortimente zu schaffen.

Künftig wird es im Bereich der Marktplätze noch sehr viel differenziertere Modelle geben. Markenanbietern würde ich raten, eher Dinge sein zu lassen, bevor man eine zu schnelle, unüberlegte Partnerschaft eingeht. Vor allem in Bezug auf Marktplätze sind Pricingstrategien irreversibel.

Hinsichtlich der Distributionsstrategien führt die Omnipräsenz auf allen Kanälen zu einem erhöhten Preis- und Margendruck. Um diesen zu kompensieren, stehen Online-Offline-Pricing- sowie Produktportfolio-Strategien zur Verfügung. Marktplätze sorgen jedoch für weiter zunehmende Transparenz, sodass manchen Markenherstellern letztlich nur der Schritt in eine selektive Distribution bleibt.

Richtig, allerdings ist der erhöhte Preis- und Margendruck häufig selbst verschuldet, da vielen Herstellern und deren Händlern der Einfallsreichtum fehlt, sich über andere Kriterien als über den Preis zu differenzieren. Aus meiner Sicht haben es manche Marken überhaupt nicht nötig, sich über den Preis zu differenzieren.

Leider differenziert sich der Handel häufig über den Preis und nimmt die Haltung ein, dass der Preis im Internet niedriger sein muss als stationär. Dies muss jedoch gar nicht sein. Ich empfehle dem Handel, die Vorteile, die das Online-Shopping hat, herauszustellen.

Schließlich hat der Kunde dadurch eine Zeitersparnis durch geringere Lieferkosten, als wenn er in die Stadt fahren muss. Beispielsweise hat Amazon es im Büchersegment trotz Preisbindung geschafft, die gesamte Branche neu aufzurollen. Jeder Buchhändler kann analog zu Amazon auf Sortimentsgroßhändler, die unmittelbar liefern können, zugreifen. Insofern wäre es auch anderen Händlern möglich gewesen, ein ähnliches Konzept wie Amazon auf die Beine zu stellen.

Einige Markenhersteller – wie z. B. adidas und Kettler – haben kürzlich ein selektives Vertriebssystem zur Markenpflege eingerichtet, insbesondere, um dem Preisverfall aus Marktplätzen wie Amazon entgegenzutreten. Das Bundeskartellamt prüft aktuell die Zulässigkeit des Selektivvertriebs von adidas. Dieser Präzedenzentscheidung wird von vielen Herstellern mit Spannung entgegengesehen. Mit welchem Ausgang rechnen Sie und welche Option schlagen Sie kleineren Herstellern vor, die temporäre Umsatzeinbrüche – das Risiko, dass die Einführung eines solchen Systems mit sich bringt – nicht eingehen können?

Ich glaube, dass es schwierig ist, ein solches selektives System nachträglich einzuziehen. Auch adidas hat den Vertrieb auf Marktplätzen zu lange ausufern lassen und versucht, dies nun zu beheben. Jedoch wird auch ein selektives Vertriebssystem nicht per se, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen funktionieren.

Viele Hersteller verstehen bis heute nicht, wie der moderne Kunde tickt. Der Kunde hat durch das mobile Internet die totale Markttransparenz, was dazu führt, dass er Preisvergleiche durchführen kann. Der moderne Kunde möchte künftig selbst bestimmen, ob er eine Beratung im Handel beanspruchen möchte, und ist nur noch bereit dafür zu bezahlen, wenn er sich aktiv dafür entschieden hat. Daher ist es meiner Einschätzung nach erforderlich, dass der Handel und auch die Hersteller ihre Geschäftsmodelle neu bewerten.

Die qualitativen Anforderungen an eine optionale Beratungsleistung, die monetär vergütet wird, werden massiv steigen. Künftige Geschäftsmodelle sollten die Anforderungen der Konsumenten berücksichtigen, indem sie den Kunden die Produkte vergünstigt, ohne Beratung anbieten und sich die optionale Beratung monetär vergüten lassen. Auch ein selektives Vertriebsmodell wird sich nur dann durchsetzen können, wenn dadurch ein echter Vorteil für den Kunden geschaffen wird. Dies sehe ich bei vielen selektiven Vertriebsmodellen nicht.”