Mit der Wutrede von FDP-Parteichef Lindner im Landtag NRW hat die Diskussion um eine Kultur des Scheiterns bzw. dessen Fehlen in der letzten Woche auch die Politik und damit die breite Öffentlichkeit in Deutschland erreicht. Welche Schlüsse können wir daraus ziehen?

Vom Kleinen Fehler zum großen Erfolg: Das Fail-Forward-Prinzip

Spott und Häme für die Gescheiterten

Lindner bemängelt in seiner Rede, dass sich Unternehmer vielerorts noch immer Spott und Häme sicher sein können, wenn sich ihre Ideen und Projekte als Pleite herausstellen. Immer stärker tritt innerhalb des Diskurses auch das Konzept des “Fail Forward” in den Vordergrund.

Grob übersetzt bedeutet dies “vorwärts scheitern” oder besser gesagt: aus Fehlern lernen. Doch was bedeutet Fail Forward, wie können sich Unternehmer dies zu eigen machen und welche Vorteile sind tatsächlich mit dem Scheitern verbunden?

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

Dieses alte Sprichwort trifft auch noch in Zeiten aufstrebender Startups zu, denn wer nie etwas ausprobiert und riskiert, dem bleibt mit großer Wahrscheinlichkeit der Erfolg verwehrt. Unternehmer sollten das Scheitern nicht nur für möglich oder wahrscheinlich halten. Sie sollten vielmehr ganz sicher davon ausgehen, Fehler zu machen und Rückschritte zu erleben.

Wichtig ist hier die Grundeinstellung, die Kultur des Scheiterns. Werden Misserfolge als Chance begriffen, analysiert und die richtigen Schlüsse gezogen, tut es schon ein bisschen weniger weh und neue Möglichkeiten werden sichtbar. Im Unternehmen muss gerade die Führungsriege diese Kultur vorleben.

Experimentierfreudig sein

Fehler als Chance zu begreifen, das klingt einfacher, als es ist. Vor allem, wenn Misserfolge nicht reflektiert werden, bleibt der Erfolg bloßer Zufall. Fehler sollten daher zwar erlaubt oder sogar erwünscht sein, aber nur, wenn man aus ihnen lernt. Die Analyse, warum etwas nicht geklappt hat und das Lernen daraus, sind unabdinglich auf dem Weg zum Erfolg. Gerade Unternehmen der digitalen Branche, die hauptsächlich mit Daten arbeiten, sind hier Vorreiter. Sie testen fast alles in so genannten A-B-Tests, bevor es veröffentlicht wird.

Im Test werden jeweils zwei leicht unterschiedliche Varianten ausprobiert. So erhält man schnell Feedback, welches die bessere Version ist und kann das Gelernte auch bei zukünftigen Projekten anwenden. Um brauchbare Schlüsse ziehen zu können, dürfen sich die beiden Varianten aber tatsächlich nur minimal unterscheiden. Nur so wird klar, welches der bestimmende Erfolgsfaktor war – und nach einem A-B-Test darf noch lange nicht Schluss sein. Nur durch stetes Testen und Anpassen entsteht ein erfolgsversprechendes Produkt.

Risiko minimieren

Wird ein großes Projekt in kleine Schritte mit Tests und Anpassungen aufgeteilt, minimiert das auch das Gesamtrisiko des Scheiterns. Zwar müssen immer wieder kleine Fehler eingesteckt werden, die Auswirkung jedes einzelnen Fehlers ist aber gering und das Gelernte ungemein wertvoll.

Unternehmen, die beispielsweise nur einmal im Jahr einen großen Relaunch einer Webseite fahren, gehen ein stärkeres Risiko ein, dass die neue Version nicht ankommt, als eines, dass im Jahr verteilt viele kleine Veränderungen vornimmt.

Agilität und Kommunikation

Natürlich nehmen A-B-Tests und deren Auswertung Zeit in Anspruch. Der Zeitaufwand für Anpassungen kleiner Teilaspekte ist aber deutlich geringer und zielgerichteter, als die Anpassung eines kompletten Großprojektes. Unternehmer bleiben so agil und nah am Bedarf ihrer Kunden. Bei Shutterstock arbeiten wir beispielsweise mit Zwei-Wochen-Sprints, in denen die Projektteams an Ideen arbeiten und sie dann dem gesamten Unternehmen, inklusive CEO und CFO vorstellen.

Und genau hierin liegt ein weiterer wichtiger Aspekt: Feedback und Kommunikation. In dieser Runde können Erfahrene und Neulinge ihr Wissen austauschen und konstruktiv zur Lösung und Optimierung beitragen. Positives Feedback motiviert natürlich zudem ungemein und manchmal wird das Projekt eines Einzelnen so gleich zur Herzensangelegenheit vieler.

Ob Startup oder Großkonzern, jeder, der auf die Kultur des Scheiterns setzt, wird am Ende schneller sein als die Mitbewerber – auch wenn es oftmals ein, zwei Anläufe bis zum Erfolg braucht.