Frauen können in technischen Berufen deutlich besser verdienen. Dennoch gelten diese für Frauen nach wie vor als unattraktiv. Einige Initiativen wollen das ändern.

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MINT-Fächer: Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Hochschulabsolventinnen und -absolventen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, den sogenannten MINT-Fächern, haben vielfältige Arbeitsmöglichkeiten, hervorragende Berufsaussichten und verdienen überdurchschnittlich gut.

Dennoch liegt der Anteil der Studienanfängerinnen in den meisten dieser Fächer weiterhin deutlich unter dem Durchschnitt.

Anteil weiblicher Studierender zu gering

Trotz eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses unter den Studienanfängern insgesamt (50:50) beträgt der Anteil der weiblichen Studierenden im Maschinenbau/Verfahrenstechnik und der Informatik nur je 18%, im Bauingenieurwesen 27% und in der Elektrotechnik gar nur 9%. Lediglich in der Mathematik ist das Verhältnis ausgeglichen.

Das führt nicht nur zu Problemen auf dem Arbeitsmarkt, sondern ist auch ein Nachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Denn in den nächsten Jahren werden in den MINT-Arbeitsbereichen ganz massiv die Fachkräfte fehlen.

Girls go Tech – Studentinnen der MINT-Fächer berichten über ihr Studium

Wir haben drei junge Frauen, die sich allen Widerständen zum Trotz für ein MINT-Fach entschieden haben, zu Ihren Erfahrungen befragt:

Julika Bleil, Wirtschaftsingenieurin: “Eigentlich wollte ich mich überzeugen, dass das nichts für mich ist”

Auch wenn einer 2008 veröffentlichten Studie der Hochschul-Informations-Systems GmbH (HIS) zufolge die Berufsaussichten für Wirtschaftsingenieure besonders gut sind: Für Julika Bleil, heute Gründerin der Online-Dienstes Allyve.com, war das nicht das Argument für die Wahl dieses Faches, sondern die reine Begeisterung:

“Ich habe schon als Kind gerne mit Legosteinen gespielt, Modelflugzeuge gebastelt und beim Bau eines Hochbettes geholfen”

Zwar förderte ihr Vater als Hobby-Handwerker das Interesse seiner Tochter, indem er ihr einen Chemiekasten schenkte und sie mitarbeiten ließ. Dennoch war der Weg zu den Ingenieurwissenschaften nicht zwangsläufig vorgezeichnet: Physik und Chemie wählte Julika in der Oberstufe ab, weil ihr diese Fächer keinen Spaß machten. Die Gründe:

“Die Lehrer trauten den Jungs einfach mehr zu und die Fächer galten in der Klasse als uncool.”

Daher wollte sie zunächst Journalistik oder Architektur studieren. In Mathematik wurde sie erst besser, als sie eine Zeitlang eine internationale Schule besuchte, an der das Fach besonders gefördert wurde. Der Lehrer, berichtet sie, sei besonders begeistert von seinem Fach gewesen und habe die abstrakten mathematischen Aufgaben immer in Bezug zur praktischen Anwendung gesetzt. Rückblickend findet Julika:

“Wenn der Lehrer Ahnung von seinem Fach hat und entsprechend enthusiastisch ist, dann springt der Funke auch über!”

Die Entscheidung für das Ingenieurstudium kam aber erst durch ein Praktikum zu Stande, das Julika beim Airbus-Zulieferer Comtas Aerospace in ihrer Heimatstadt Hamburg machte – eigentlich um sich zu überzeugen, dass Ingenieurwesen nichts für sie sei. Doch das Gegenteil war der Fall: Julika verlängerte das eigentlich auf einen Monat angelegte Praktikum auf ein halbes Jahr. Gefallen haben ihr vor allem das lockere, unbürokratische Umfeld sowie das eigenständige Arbeiten:

“Ich fand es toll, am Ende das fertige Produkt in den Händen zu halten, an dem ich mitgewirkt habe”

berichtet Julika. Sie entschied sich dann ganz bewusst für die Mischung aus Wirtschaft und Ingenieurwesen, um sich den Weg ins Management offen zu halten. Im Studium selbst habe sie als Frau keine Probleme gehabt: Zwar sei es ungewohnt gewesen, in einer Gruppe von fast nur Männern zu studieren; es habe jedoch große Vorteile, eine der wenigen Frauen zu sein. Lediglich in Chemie und Physik musste sie sehr viel nacharbeiten, um den Anschluss zu bekommen. Da Julika im Studium zahlreiche Praktika machte, konnte sie nach ihrem Abschluss aus zwei Angeboten wählen und entschied sich für eine Unternehmensberatung. Die Stelle war herausfordern, machte viel Spaß und sie hatte dort die Möglichkeit Einblicke in verschiedene Bereiche von Unternehmen unterschiedlichster Branchen zu bekommen. In dieser Hinsicht war die Stelle zugleich wie eine Weiterbildung. Als ihr aber nach nur einem Jahr die Geschäftsidee für die Gründung eines eigenen Unternehmens kam, machte sie sich elbständig und hat diesen Schritt bis heute nicht bereut:

“Ich wollte mich nicht immer nur mit anderen Unternehmen beschäftigen, sondern mein eigenes Produkt von der Strategie bis zur Umsetzung und Vermarktung selbst begleiten”

Maike Krause, Absolventin der Biochemie: “Ich wollte genau wissen, wie alles funktioniert”

Ähnlich wie Julika Bleil ging es auch Maike Krause, die an der Universität Ulm gerade ihre Masterarbeit in Biochemie schreibt. Ihr Vater ist Maschinenbauingenieur, der Onkel Professor für Biophysik. Maike interessierte sich daher schon früh dafür, wie Dinge aufgebaut sind und funktionieren. Ihr Augenmerk galt daher zunächst der Funktionsweise von Maschinen, daher war ihr ursprüngliches Berufsziel auch Maschinenbau. Mit ihrem Onkel sprach sie allerdings immer wieder über dessen Arbeit und machte auch ein Praktikum im Fachbereich Biophysik der Medizinischen Hochschule Hannover. Dadurch wuchs die Begeisterung für die chemischen Prozesse im Körper:

“Ich wollte einfach mehr darüber wissen, was in Enzymen abläuft und wie bestimmte chemische Verbindungen im Organismus funktionieren.”

Obwohl sich Maike schon in der elften Klasse sicher war, dass sie Biochemie studieren wollte – mit der Schule hatte diese Entscheidung wenig zu: Zwar machte ihr der Chemieunterricht immer besonders Spaß, doch die Lehrer brachten es auch aufgrund fachlicher Mängel nicht fertig, den Stoff gut zu vermitteln und wirkten eher demotivierend. Und die Mitschüler trauten Maike das naturwissenschaftliche Studium nicht zu. Auch an der Universität musste sie sich gelegentlich mit Dozenten auseinandersetzen, die die männlichen Kommilitonen bevorzugten. Für Maike war all das jedoch kein Hinderungsgrund:

“Biochemie zu studieren war mein Ziel und das habe ich dann auch einfach gemacht. Es war mir egal was die anderen sagen”

Maike will nach dem Master an der Universität weiterarbeiten. Neben der Forschung möchte Sie ihr Wissen vor allem an andere weitergeben – denn die eigenen schlechten Erfahrungen mit Lehrern haben ihr gezeigt, wie wichtig es ist, andere frühzeitig zu motivieren.

Vera Schäfer, Studentin der Physik: “Ich habe schon immer gerne logisch gedacht”

Die Forschung ist auch das Ziel von Vera Schäfer, die im zweiten Semester Physik an der Eidgenösisch-Technischen Hochschule in Zürich studiert. Da der Vater Elektroingenieur und die Mutter Chemielaborantin waren, wurde auch Vera das Interesse für MINT-Fächer praktisch in die Wiege gelernt. Auch sie empfindet es keineswegs als Nachteil, eines der wenigen Mädchen zu sein im Hörsaal zu sein, sondern sieht auch einige Vorteile:

“Die Übungsleiter kennen einen schneller beim Namen und die Kommilitonen sind ausgesprochen hilfsbereit.”

Obwohl Vera in der Schule nicht schlecht war, fand Sie den Phyiskunterricht anfangs langweilig. Zum Studium des Faches motivierten Sie vor allem die außerschulischen Aktivitäten: Im Albert- Einstein-Jahr 2005 hatte Vera im Fernsehen gespannt eine Reportage zur Relativitätstheorie verfolgt. Über ihren sehr engagierten Chemie-Lehrer kam sie zur Kinder- und Jugendakademie Bad Waldsee, die Exkursionen zu verschiedenen wissenschaftlichen Events, Tagen der offenen Tür und Museen veranstaltet. Weil das Vera sehr gefiel, schlugen ihre Eltern ihr vor drei Jahren vor, das Schülerforschungszentrum Südwürttemberg in Bad Saulgau zu besuchen, über das der Vater hatte einen Artikel gelesen hatte.

“Ich dachte zuerst, als ich die Website sah, das wäre eine Nummer zu groß für mich, aber ich bin vor drei Jahren einfach mal hingegangen und es hat mir auf Anhieb gefallen,”

erzählt Vera. Tatsächlich war es genau das Richtige: Denn am Schülerforschungszentrum arbeiten junge Leute in kleinen Gruppen von zwei oder drei Leuten gemeinsam an einem Projekt. Veras Gruppe versuchte, Flüssiglinsen herzustellen, die über eine Änderung ihrer Krümmung ihre Brennweite verändern und erreichten mit diesem Projekt prompt den dritten Platz im Landeswettbewerb Jugend forscht Baden Württemberg. Motiviert durch das positive Ergebnis machte Vera im darauffolgenden Jahr wieder bei Jugend forscht mit:

“Dieses Mal haben wir den Flug von Ahornsamen untersucht, dazu einen vertikalen Windkanal gebaut, Highspeed-Aufnahmen gemacht, selbst kleine Ahornsamen-Modelle gebastelt, die Strömungen um den Samen untersucht und natürlich auch wieder unsere Ergebnisse mit unserer Theorie verglichen.”

berichtet Vera voller Enthusiasmus. Außerdem war Vera Mitglied im Team des International Young Physicists’ Tournament einem internationalen Physikwettbewerb. An der Physik fasziniert sie vor allem die Logik, auf der alles aufgebaut ist. Dementsprechend interessiert sie sich vor allem für Grundlagenforschung und theoretische Physik.

“Ich habe mir schon immer gerne Gedankenkonstrukte ausgedacht und Rätsel gelöst. Das kommt mir jetzt zu Gute, denn in der Physik muss man alles von Grund auf herleiten und beweisen.”

Aber das war nicht das einzige, was sie schließlich dazu brachte, Physik zu studieren: Vera war vor allem auch von der Teamarbeit, der spielerischen Neugierde und der systematischen Suche nach einer Lösung sowie dem Vortragen der Projekte begeistert; es macht ihr einfach Spaß, gemeinsam mit anderen mathematische und physikalische Probleme zu diskutieren und zu lösen:

“Gerade durch die Arbeit in der Gruppe habe ich sehr viel gelernt und durch diese Projekte auch gemerkt, dass Physik wirklich genau das ist, was ich machen will.”

Frauen noch immer in der Unterzahl

Ob es nun die Freude ist, ein eigenes Produkt zu entwerfen und herzustellen, der Wunsch, den Dingen ganz genau auf den Grund zu gehen oder der Spaß am logischen Denken und Freude, mit anderen gemeinsam zu forschen: Unsere drei Beispiele zeigen, dass junge Frauen MINT-Fächer mit viel Freude und Erfolg studieren können. Dennoch gehören Julika, Maike und Vera zu einer Minderheit: Obwohl die Studienanfängerinnen im Jahr 2007 etwa die Hälfte aller Erstsemester an deutschen Hochschulen stellten, entschieden sich nur weniger als ein Viertel (23%) für ein naturwissenschaftlich-technisches Studium. Und das, obwohl gut 40 % der studienberechtigten jungen Frauen prinzipiell technisch-naturwissenschaftlich interessiert sind.

Auch im internationalen Vergleich sind die deutschen MINT-Studentinnen eher unterbesetzt: So liegt der Frauenanteil in den Ingeneurwissenschaften im europäischen Durchschnitt bei 27 Prozent. Hierzulande sind es aber nur 22 %. Noch weniger Ingenieursstudentinnen gibt es nur Großbritannien (21 %), Österreich (20 %), die Niederlande ( 16 %) und die Schweiz (15 %). Auch im Bereich Mathematik und Informatik hat Deutschland mit einem Frauenanteil von 26 % Nachholbedarf gegenüber dem EU-Durchschnitt von 29 %. In den Biowissenschaften, Physik und Agrarwissenschaften weisen nur Griechenland (47 %), die Niederlande (46 %) und die Schweiz (41 %) einen geringeren Frauenanteil aus als Deutschland mit (48 %), während der europäische Durchschnitt bei 54 % liegt.

Mit einem einfachen “Das interessiert mich halt nicht” ist daher der niedrige Frauenanteil in diesen Fächern nicht zu erklären. Häufig fehlt viel eher die Motivation durch die Eltern und schlechte Lehrer tun ein Übriges. Außerdem spielen auch Gleichaltrige eine wichtige Rolle: Das Interesse für Mathematik, Chemie oder Physik gilt eben häufig als wenig mädchenhaft und werden im Klassenverband eher belächelt. Im Gegensatz dazu zeigen unsere drei Beispiele Julika, Maike und Vera, dass Frauen alles andere als unbegabt für technische und naturwissenschaftliche Fächer sind, wen das Interesse nur rechtzeitig erkannt und gefördert wird.

Initiativen zur Förderung von Frauen in MINT-Fächern

Bis zum Jahr 2013 werden 330.000 Akademikerinnen und Akademiker fehlen. Davon 70.000 aus dem Bereich Naturwissenschaften und 85.000 aus den Ingenieurwissenschaften. Politik und Wirtschaft haben das erkannt und zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen, die bei jungen Frauen das Interesse für MINT-Fächer wecken sollen. Ein Überblick:

Wie finde ich heraus, ob ein MINT-Fach für mich das Richtige ist?

Wie unsere drei Beispiel zeigen, sollte die Entscheidung für oder gegen ein MINT-Fach vor allem nach den eigenen Interessen, Neigungen und Fähigkeiten gefällt werden. Sich richtig einzuschätzen, ist dabei gar nicht so einfach. Julika Bleil zum Beispiel absolvierte erst ein mehrmonatiges Praktikum, bevor sie zum Studium der Ingenieurwissenschaften kam. Auch Maike Krause und Vera Schäfer kamen nicht durch die Schule, sondern durch außerschulische Projekte und Praktika zu ihren Studienfächern.

Ein erstes Indiz ist natürlich trotzdem der Spaß an mathematischen oder naturwissenschaftlichen Fächern in der Schule – selbst wenn, wie unsere drei MINT-Studentinnen berichten, viele vom Lehrer abhängt: Wem Mathematik oder Chemie in der Schule gar keinen Spaß gemacht hat, für den ist vermutlich auch ein MINT-Studium nichts. Wer sich hingegen auch in seiner Freizeit gerne mit praktischen Dingen beschäftigt und sich für Apparate, Maschinen, Bauwerke, Computerprogramme oder Kommunikationsnetze wie auch das Internet interessiert, der sollte sich MINT-Fächer mal aus der Nähe anschauen.

Zu jedem dieser Fächer gibt es reichhaltiges Material in gedruckter und elektronischer Form, anhand dessen sich jeder erste Informationen über die Inhalte des Studiums, über die Berufstätigkeiten und über die Chancen, später einen interessanten Arbeitsplatz zu finden, besorgen kann. Damit sollte man es aber nicht bewenden lassen: Viele Universitäten veranstalten einen “Tag der offenen Tür”, bei dem man einen ersten Eindruck über ein Studium gewinnen kann und dabei auch unterschiedliche Fächer kennenlernt. Einige Universitäten bieten sogar Self-Assessments an, d.h. interaktive Programme, die anhand eingegebener Daten des Studieninteressierten dessen Profil ermitteln und dieses mit dem Profil von Studiengängen vergleichen. Auch richtige Veranstaltungen für Erstsemster an der nächstgelegenen Universität geben einen guten Überblick über das Studium und die Fachgebiete der Disziplin und können auch von Schülerinnen und Schülern wahrgenommen werden.

Man sollte sich jedoch nicht nur um das Studium kümmern, sondern sich auch frühzeitig auch mit dem späteren Beruf beschäftigen. Viele Firmen bieten Praktika auch für Schüler, in vielen Schulen sind diese ja ohnehin Pflicht. Wer von solchen Möglichkeiten in seiner Umgebung noch nichts gehört hat, sollte einmal auf eigene Faust bei Unternehmen nachfragen. Daneben kann man sich in außerschulischen Projekten, zum Beispiel Jugend forscht, engagieren. Wer ein entsprechendes Praktikum absolviert, sollte sich auch, wie Julika Bleil, nicht scheuen, Mitarbeiter des Unternehmens anzusprechen und nach ihrer Laufbahn und ihren Erfahrungen befragen. Denn nur wer vor und während des Studiums auch berufliche Erfahrungen macht, kann aus der Vielzahl von beruflichen Möglichkeiten in den mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Fächern, die von der Forschung, über die Entwicklung, die Tätigkeit als selbständiger Freiberufler bis zum Manager in einem Großunternehmen, auch den richtigen Berufsweg für sich herausfinden.