Scheitern – in Deutschland immer noch ein Problem, vor allem weil viele aus Angst davor gar nicht erst anfangen. Mein Beitrag in der Financial Times zeigt, warum.

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29.000 Unternehmensinsolvenzen jährlich

Obwohl es in rund 29.000 Unternehmensinsolvenzen jährlich gibt, ist in Deutschland das unternehmerische Scheitern alles andere normal: Wer Insolvenz anmelden muss, trägt hierzulande selbst Schuld und gilt als Versager.

Dabei kann es jederzeit jeden treffen – selbst wenn Rücklagen vorhanden sind.

Kurzsichtigkeit mit ernsten folgen

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Die Kurzsichtigkeit, solche Brüche im unternehmerischen Lebenslauf einfach gedanklich auszuklammern, hat ernste Folgen für die Unternehmenskultur in Deutschland: Viele machen sich aus Angst vor dem Scheitern erst gar nicht selbständig.

Mehr dazu in meinem Beitrag, erschienen am 19. September 2008 in der Mittelstandsbeilage der Financial Times.

Insolvenz kann jeden treffen

„Insolvenz kann jeden treffen. Und es kann schnell gehen – trotz Rücklagen“, sagt Attila von Unruh. Der 48jährige weiß, wovon er redet: Seit drei Jahren lebt der ehemalige Mitinhaber einer Event-MarketingFirma in Insolvenz. „Viele Leute denken, das kann ihnen nicht passieren: Pleite geht nur, wer mit Geld nicht umgehen kann oder etwas falsch gemacht hat“, berichtet von Unruh von den Reaktionen seiner Mitmenschen.

Doch das sei gar nicht so: „Natürlich gibt es auch schwarze Schafe. Doch viele haben einfach Pech gehabt.“ Tatsächlich sind seltener Managementfehler Schuld an der Insolvenz als externe Faktoren: Persönliche und gesundheitliche Probleme, die schlechte Zahlungsmoral von Kunden oder Bürokratie. Besonders prekär: Auch Finanzamt oder Krankenkasse können ein Insolvenzverfahren einleiten, wenn der Unternehmer ihnen Geld schuldet – und machen das manchmal schon bei einigen tausend Euro.

Insolvenzverwalter übernimmt das Ruder

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Wenn das Kind dann in den Brunnen gefallen ist, übernimmt ein gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter das Ruder: Er saniert die Firma entweder – oder wickelt sie ab. Dabei hat der Verwalter mehr Spielraum als der Geschäftsführer, etwa bei Entlassungen. Das Unternehmen steht und fällt also mit den Fähigkeiten des Insolvenzverwalters. So manche Sanierung scheitert da an dessen fehlender Erfahrung1.

Sehr oft könnte die Pleite aber noch abgewendet werden, wenn Unternehmer rechtzeitig Sanierungsmaßnahmen einleiten, mit Gläubigern verhandeln, sich Rat von außen einholen oder einfach nur das KnowHow ihrer Mitarbeiter anzapfen würden. Leider machen viele das Gegenteil: Sie verdrängen Probleme, verschulden sich noch weiter und hoffen, dass die Krise schon irgendwann vorbei geht – auch aus Angst vor Bloßstellung im Freundes- und Bekanntenkreis.

Die Reaktionen der Umwelt

Die Reaktionen der Umwelt hängen jedoch sehr davon ab, wie man selbst mit der Situation umgeht: „Wer sich aus Scham isoliert, weil er um Beispiel finanziell nicht mehr mithalten kann, provoziert nur Misstrauen. Wenn dann bekannt wird, dass man Pleite ist, sagen alle: ‚Ich hab ja gewusst, dass da irgendwas nicht stimmt.‘ berichtet von Unruh und rät zu Offenheit.

Da die nicht jedem leicht fällt, hat er den Gesprächskreis Anonyme Insolvenzler gegründet: „Es ist wichtig, sich mit Leuten auszutauschen, die die Situation nachvollziehen können. Außerdem sind in der Gruppe unterschiedlichste Kompetenzen vertreten; wir geben uns also untereinander wertvolle Tipps und gewinnen neue Perspektiven.“

Wieder auf die Beine kommen – schwierig

Die sind auch notwendig, denn wer in Deutschland nach einer Insolvenz wieder auf die Beine kommen will, hat es schwer. Abgesehen davon dass die Entschuldungszeit mit sechs Jahren im internationalen Vergleich recht lang ist: Viele Banken geben Pleitiers keinen Kredit mehr, um wieder ein Unternehmen zu gründen. Auch eine Wohnung zu finden ist schwer, wenn die Schufa-Auskunft negativ ausfällt.

Außerdem braucht man für manche Gewerbe eine Genehmigung, die an die finanzielle Leistungsfähigkeit gekoppelt ist, die mittels einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts nachgewiesen werden muss. Eine weiteres Problem: Eine Anstellung ist gerade für ältere Ex-Unternehmer schwer zu finden. Diese erschwerten Bedingungen führen dazu, dass einige Insolvenzler in Hartz IV oder in der Schwarzarbeit landen, statt ihre Erfahrung in eine neue Firma einzubringen.

Hoffnung

Doch es gibt Hoffnung, aus dem Teufelskreis herauszukommen: Eine Neugründung während des Insolvenzverfahrens kann nur in Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter erfolgen, da für die entstehenden Verbindlichkeiten die Insolvenzmasse haftet.

Bei der Finanzierung können möglicherweise auch staatliche Förderprogramme oder Bürgschaften sowie die Arbeitsagentur helfen. „Und wohnen kann man auch zur Untermiete“ erklärt von Unruh, der sich als systemischer Coach und Sanierungsberater wieder selbständig gemacht hat.

Restarter sind erfolgreicher

Untersuchungen zeigen, dass Restarter im Schnitt mehr Geld erwirtschaften als Erstgründer. Auch die EU hat dieses Potenzial mittlerweile erkannt und will die Sanierung von Unternehmen und den wirtschaftliche Neubeginn redlicher Schuldner vereinfachen.

Das ist wichtig, denn während es in anderen Ländern längst Gang und Gäbe ist, nach einem Fehlversuch wieder etwas Neues anzufangen, fehlt in Deutschland diese Kultur des Scheiterns.

Viele haben Angst vor dem Scheitern

Dementsprechend begräbt hierzulande fast die Hälfte der18-64jährigen die Idee einer Existenzgründung lieber gleich – aus purer Angst, es könnte schief gehen. Dass Deutschland mit dieser Quote im internationalen Vergleich ganz weit hinten liegt, ist nicht gerade ein Vorteil für den Wirtschaftsstandort.

Im Auftrag der Kreditversicherungs-AG und in Zusammenarbeit mit dem ZIS befragtedas KOHORTEN-Institut im Sommer 2007 106 Insolvenzverwalter u.a. zu den Gründen, die in Deutschland häufigere Unternehmenssanierungen verhindern. Neben fehlendem Kapital wurden die mangelnde Erfahrung des Insolvenzverwalters sowie der vom Gericht falsch bestellte Insolvenzverwalter als Gründe genannt.


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