Hannes soll sein Weiterbildungsbedürfnis anmelden. Eigentlich käme er ohne aus. Aber aus Image-Gründen muss man irgendwas machen. Wenn nur die Entscheidung nicht so schwer wäre…

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Das Anrecht auf Weiterbildung

Montag Morgen 8 Uhr, noch bleibt eine Stunde bis zur Geschäftsleitungssitzung. Hannes hat seine Tagesordnungspunkte vorbereitet. Mitarbeiter sind keine ausgefallen, im Betrieb läuft alles. Eine gewonnene Stunde.

Einzig eine alte Angelegenheit wartet noch auf die Erledigung. Bis Ende des Monats muss Hannes der HR-Abteilung seine Weiterbildungsbedürfnisse melden. Als Manager hat er Anrecht auf fünf Tage Weiterbildung aus dem hauseigenen Seminarprogramm. “Anrecht” ist die offizielle Formulierung, “Erwartung” steht subtil zwischen den Zeilen.

Der Seminarkatalog

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Hannes käme ohne Weiterbildung aus, aber imagetechnisch geht das nicht. Bucht er nur vier, statt der erlaubten fünf Tage, werden Fragen laut. Gar nichts zu buchen, geht erst recht nicht. Also nutzt Hannes diese Stunde, um sich im Katalog schlau zu machen. Er blättert sich durch die Kategorien: “Management”, “Kommunikation”, “Persönlichkeitsentwicklung”, “Verkauf”, “Prozesse und Abläufe”, “Software-Kurse”, “Führung”.

Von vorn nach hinten, wieder nach vorn, dann nach Themen, die ihn interessieren. Nichts überzeugt ihn. Er beschließt, erst eine Anforderungsliste zu erstellen und dann das passende Seminar zu suchen. In einer Excel-Arbeitsmappe gliedert Hannes die Kriterien unter den Überschriften “Must”, “Wichtig”, “nice-to-have” und “unter keinen Umständen”. ‚Das macht Sinn‘, Hannes spürt wie gut ihm klare Strukturen tun, gerade um zentrale Entscheidungen zu fällen. Er schreibt seine Gedanken in einem Brainstorming-Prozess auf, bevor er sie in die passende Kriterienspalte auf der Tabelle überträgt.

Die Auswahlkriterien

Unter keinen Umständen darf das Seminar den bereits gebuchten Urlaub tangieren. Ebenfalls ungünstig sind die Wochen, in denen sein Stellvertreter abwesend ist. Ideal sind Wochen, in denen ein Feiertag liegt. Montag bis Mittwoch vor Auffahrt wäre optimal. Nimmt er noch den Freitag als Zeitausgleichstag frei, ist die Woche verbucht und er kann richtig abschalten. Schliesslich muss ein Seminar auch das Abschalten beinhalten.

Das lenkt seine Gedanken auf ein bisher vernachlässigtes Kriterium, das Hotel. Ein schönes mit Wellnessbereich, nicht gerade in der näheren Umgebung, aber doch nicht zu weit weg. Die Heimreise soll nicht zu lange dauern. Die äußeren Bedingungen sind damit skizziert. Inhaltlich ist Hannes offen. Eigentlich weiß er ja schon alles. Aber etwas Auffrischung tut immer gut. Er überlegt, welche Kriterien er einsetzen möchte und kommt auf keinen grünen Zweig. Die Excel-Entscheidungshilfe scheint hier nicht zu klappen.

Die Entscheidungsfindung

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Kurzerhand verknüpft er die beiden Entscheidungsfindungswege miteinander (das hat er in einem Seminar gelernt). Er blättert den Katalog durch und setzt in die Tabelle die Vor- und Nachteile jener Kurse, die ihn am ehesten ansprechen. Hannes ist stolz.

So verbindet er Emotionales mit Rationalem. Die Impulse aus dem Katalog mit der Erweiterung der eigenen Gedanken. Denken und Schreiben, farbige Hochglanzbroschüre mit profan-frugaler Excel-Tabelle. Links der Tastatur der Katalog, die Hände bereit, um die Entscheidungskriterien einzugeben.

Mitarbeitergespräche führen?

“Anspruchsvolle Mitarbeitergespräche führen” könnte er im Moment gut gebrauchen. ‚Allerdings‘, schießt es Hannes durch den Kopf, ‚riecht das nach Rollenspiel mit Videoaufnahmen‘. Den Nutzen davon sieht er durchaus ein, aber so stark exponieren möchte er sich doch nicht.

Er soll ja nicht bloß etwas lernen, sondern auch bei den anderen Kursteilnehmern Eindruck schinden. Also fällt dieses Seminar aus den Tagesordnungspunkten. Und Hannes hat ein weiteres Kriterium: keine völlig neuen Themen. Am besten wählt er ein Seminar, das er schon besucht hat. Dort lässt sich am einfachsten zeigen, was er drauf hat. Image ist wichtig.

In der Wirtschaftskrise?

Gegen den Kurs “Führungskreislauf in der Wirtschaftskrise” spricht, dass wahrscheinlich wichtige Kollegen dabei sind. Ein Seminar ist nicht nur eine persönliche Entspannungs- und Imageveranstaltung, sondern auch eine Netzwerkparty.

Dafür käme der Seminarort dem Kurs sehr gelegen. Er findet in einem Golf-Hotel statt. Das lässt tolle Aperitifs und sportliche Zwischen-Teile vermuten. Aber Sport – da kann sich Hannes nur blamieren.

Präsentationstechnik?

Im Grunde täte Hannes der Kurs “Präsentationstechnik” gut. Zugegeben, auch da gibt es Rollenspiele, aber hier nimmt es Hannes sportlich. Man kann sich vorbereiten. Vorbereitungsaufgaben sind hingegen suboptimal. Macht er sie, wird er wohl fast der einzige sein, der sie gemacht hat. Außerdem wird im Seminar alles nochmals wiederholt, was ineffizient ist. Macht er sie nicht, gibt’s einen Konflikt mit dem Image.

Selbstmanagement?

In der Rubrik “Persönlichkeitsentwicklung” findet Hannes das Seminar “Selbstmanagement”: 3 + 1 Tag. Das gibt immerhin vier Tage. Das Hotel passt, Rollenspiele gibt es keine.

Imagemäßig lassen sich hier tolle Geschichten erzählen und die anderen Teilnehmer damit beeindrucken. Gleichwohl kann er im Geheimen viel mitnehmen. Nirgends kann man Unvermögen und Verbesserungspotenzial so geschickt verstecken.

Das Seminartrauma

Ein Blick noch auf den Kursleiter. Och, das ist doch derjenige, der die meisten Seminare im Unternehmen anbietet. Immer das gleiche Ritual in den ersten zwei Stunden: Vorstellungsrunde mit Partnerinterview, dann die Erwartungen auf Karten schreiben, diese an die Pinnwand heften und nie wieder darauf zurückkommen. Auf Fragen wie “was mache ich gegen zu viele eMails pro Tag?” gibt’s keine Antworten, sondern eine Gegenfrage: “Was denkst du, dass Du tun kannst?”. Er erinnert sich an eine Situation in seinem letzten Seminar. In einer Feedbackrunde äußerte Hannes, dass er gerne Antworten auf seine Fragen hätte, nicht eine neue Frage.

Das Feedback zu seinem Feedback kam promt: “Hannes, spürst Du den Rebell in dir? Was geschieht in diesem Moment in Dir drin?” Worauf Hannes Reaktion “ich spüre nichts, mich nervt das einfach” war. Die Diskussion lief eine Weile weiter. Denn die Gegenreaktion war nicht direkt, sondern wurde zum Kursthema stilisiert. “Erkennt ihr das rebellische Kindheits-Ich aus der Transaktionsanalyse”. Geht noch einmal in die Gruppen und überlegt euch während den nächsten 60 Minuten, welcher Gegenpart aus der Transaktionsanalyse oder dem Neurolinguistischen Programmieren geeignet wären, einen erwachsenen Menschen aus dem rebellischen Kindheits-Ich ins ausgeglichene Erwachsenen-Ich zu bringen, ohne ihn mit seinen Defiziten paradox zu konfrontieren.” Dieser Kurs ist also auch nichts.

Nur fürs Image?

Der nächste Workshop mit dem Titel “Selfmarketing” ist nicht nur zeitgemäß, sondern auch ein Bedürfnis. Hannes ist einer Entscheidung nahe. ‚Allerdings’, durchzuckt ihn der Gedanke, was meinen die Kollegen, wenn er sich gerade für dieses Seminar anmeldet?’ Umgekehrt gedacht bedeutet ein Verzicht auf das Seminar “Selfmarketing”, dass er “Selfmarketing” deshalb nicht braucht, weil er es bereits beherrscht. Hannes Gedanken drehen im Kreis. Auch zeitlich wird es langsam eng.

Noch 15 Minuten bis zur Sitzung. Am liebsten würde er dem Kollegen aus der HR gleich die Anmeldung mitgeben. Auch dies aus Image-Gründen, denn er wäre der erste aus der GL, der sich für einen Kurs entschieden hat. Hannes könnte sich wieder einmal subtil als “Macher und Entscheider” positionieren. Dazu würde passen, wenn er sich für den Workshop “Entscheiden – schnell und richtig” anmelden würde. Das zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist. Und die Tatsache, die Anmeldung als erster abzugeben, verdeutlicht, dass er auf höchstem Niveau Fortschritte machen möchte. Das macht Eindruck und verleiht Respekt.

Das Budget ist gestrichen!

Noch drei Minuten. Hannes spurtet an die Sitzung. Beim Tagesordnungspunkt “Weiterbildung für das Management” greift Hannes freudig zum ausgefüllten Formular. Der CEO gibt dem HR-Leiter das Wort: “Liebe Kolleginnen und Kollegen. Leider wurde aus finanziellen Gründen das Weiterbildungsbudget für die Kaderstufen 1 – 3 bis auf Weiteres gestrichen.”

Und wer bezahlt Hannes‘ Stunde heute Morgen von 8 bis 9 Uhr?


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