Unter  Personalern, die im Social Web aktiv sind, werden gerne Studien hin und her getwittert über Fachkräftemangel und den Exodus von High Potentials ins Ausland. Die Praxis sieht offenbar anders aus: Es besteht mindestens Diskussions- und offenbar auch Handlungsbedarf!

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Ingenieure, die keinen Job finden

Darf ich Ihnen Karen vorstellen? Karen hat Ingenieurwissenschaften in Erlangen studiert, ist derzeit auf Jobsuche –  und hat mir gestern einen ziemlich rüden Kommentar in meinen Blog geschrieben.

Verkürzt gesagt ist Karen der Ansicht, dass die Sache mit dem Fachkräftemangel in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen nur ein Märchenn sein kann; Mangel könne höchstens an Fachleuten herrschen, die dauerhaft als H4-Aufstocker leben wollten.

Warum wandern High Potentials ab?

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Der Tonfall, indem der Kommentar geäußert war, machte zwar erstmal keine Lust auf weiteren Dialog – beim Nachfragen kam jedoch nach und nach der ganze Frust von Karen zum Vorschein: Offenbar ist sie bereits länger auf Jobsuche und hat bereits einige unschöne Erlebnisse hinter sich. Offenbar sind aus ihrem Studiengang nur 5 Prozent in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis und viele Kommilitionen sind ins Ausland gegangen. Etwas, das auch Karen vorhat. Wieder ein Hig Potenzial weniger in Deutschland!

Später hat sich dann auch noch Sandra gemeldet, die an de FH Biotechnologie mit einem Bachelor abgeschlossen hat – und seit einem halben Jahr auf Jobsuche ist. Aus ihrem Jahrgang hat keiner einen Job gefunden – und gut die Hälfte ist ins Ausland gegangen.

Auch für Ingenieure liegen die Jobs offenbar nicht auf der Straße?

Anders als man es nach verschiedenen Presseberichten und Studien vermuten könnte, scheinen also auch die Jobs in diesen Fächern nicht gerade auf der Straße zu liegen. Das hat mich selbst erstaunt, da ich erstens solche Geschichten immer nur von Geisteswissenschaftlern kannte und mir zweitens auch einige Unternehmen bekannt sind, die angeblich händeringend nach Ingenieuren suchen.

Und das obwohl eine Studie zeigt: Trotz Wirtschaftskrise konnten 34.000 Ingenieurs-Stellen 2009 nicht besitzt werden. Das zeigt eine Studie des Verbands Deutscher Ingenieure. Deren Ergebnisse stehen in krassem Kontrast zu den Aussagen auf meinem Blog. Dadurch scheint sich der Ingenieursengpass zu verschärfen.

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Auf der Hannover Messe sprach VDI-Direktor Dr. Willi Fuchs die Folgen an: “Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir im Krisenjahr 2009 einen solch deutlichen Fachkräftemangel zu spüren bekommen. Tatsächlich sprechen wir von über 3 Milliarden Euro entgangener Wertschöpfung für die Bundesrepublik Deutschland”. Auch liege die Arbeitslosenquote von 2,4 Prozent immer noch auf Vollbeschäftigungsniveau, so Fuchs weiter.

Die Studie von VDI und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt darüber hinaus, dass in Deutschland rund 1,5 Millionen ausgebildete Ingenieure arbeiten. “Jeder vierte Akademiker in Deutschland ist Ingenieur. Aber nur die Hälfte aller Ingenieure arbeitet in diesem Beruf. Laut der Studie sind zum Beispiel knapp 10 Prozent aller Ingenieure in wirtschaftswissenschaftlichen Berufen wie z.B. Unternehmensberater tätig. Der Rest arbeitet, laut Tabelle 10 der Studie, in Dienstleistung, Lehre oder ähnlichen MINT-Berufen.

Demografischer Wandel verschärft Fachkräftemangel?

Über die genau Art der Beschäftigungsverhältnisse (z.B. befristet oder unbefristet) oder über Arbeitslosenzahlen schweigt sich die Studie allerdings aus. Lieber spricht man noch ein weiteres Problem an: “In Folge alternder Belegschaften werden ab 2018 rund 44.000 Ingenieure jährlich in den Ruhestand gehen”, so Dr. Hans-Peter Klös, Geschäftsführer des IW Köln. “Die Entwicklung zu einer forschungs- und wissensintensiven Gesellschaft erzeugt darüber hinaus einen zusätzlichen Bedarf an Ingenieuren, der schon heute nicht mehr gedeckt werden kann.”

Die Anzahl junger Ingenieure reicht in Zukunft nicht mehr aus, um allein die altersbedingt aus dem Erwerbsleben Ausscheidenden zu ersetzen. Auf 347.000 Ingenieure im Alter von 56 bis 65 Jahren kommen in Deutschland 343.000 Ingenieure im Alter von bis zu 35 Jahren. Angesichts der in Zukunft sinkenden Gesamtstudierendenzahlen seien beträchtliche Anstrengungen notwendig, um der weiteren Verschärfung des Ingenieurengpasses entgegenzuwirken.

Industrie: 57 Prozent aller Akademiker sind Ingenieure

Mit einem Anteil in Höhe von 16 Prozent sind Frauen bei den Ingenieuren noch immer stark unterrepräsentiert. Hier sieht Fuchs erhebliches Potenzial, der Ingenieurlücke in Zukunft zu begegnen. Insgesamt dürfe nicht nachgelassen werden, den Nachwuchs für technische Berufe zu begeistern und schon früh die Angst vor technischen Themen abzubauen. Auch arbeitslose Ingenieure müssten vermehrt in den Arbeitsprozess reintegriert werden. Altersdurchmischte Teams seien in der Regel am leistungsfähigsten und kreativsten.

Der deutsche Industriesektor beschäftigt über 700.000 Ingenieure, hingegen nur knapp 530.000 sonstige Akademiker. Folglich sind 57 Prozent aller in der Industrie erwerbstätigen Akademiker Ingenieure, in den innovationsstarken Branchen wie der Elektroindustrie, dem Maschinen- oder dem Fahrzeugbau sind es sogar bis zu 75 Prozent.

Es zeigt sich darüber hinaus, dass die Forschungs- und Innovationsleistung einer Branche umso höher liegt, je mehr Ingenieure diese beschäftigt. “Im Bereich der hochqualifizierten Beschäftigung sind Ingenieure das Rückgrat des forschungs- und industrieorientierten Geschäftsmodells Deutschland”, erklärte IW-Geschäftsführer Klös.

Diskussion dringend notwendig!

Woher kommt also diese Diskrepanz? Stimmen einfach die Fachrichtungen nicht mit dem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt überein? Ist es ein Kommunikationsproblem zwischen Unternehmen und Absolventen? Erwarten die Absolventen von den Unternehmen zu viel? Oder gibt es tatsächlich nicht so viele offene Stellen wie gemeinhin behauptet wird?

Das wäre doch wirklich mal eine interessante Diskussion. Ich würde mich über einige Statements, gerade auch von Unternehmen und Personalvermittlern, wirklich freuen. Und vielleicht hat ja jemand Jobs für Karen und Sandra?


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