Auf der einen Seite klagen Unternehmen lautstark über einen Fachkräftemangel, auf der anderen Seite platzen die Hochschulen in Anbetracht hoher Studierenden-Zahlen aus allen Nähten. Fachkräftemangel und Bildungshoch – wie passt das zusammen?

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Früher war alles besser?

Wer studiert, kennt das Problem: Professoren, die kaum Zeit für Sprechstunden haben, Dozenten, bei denen der Eindruck entsteht, dass sie es bei den Ausarbeitungen allenfalls noch schaffen, Einleitung und Conclusion zu lesen und natürlich auch Hörsäle, die aus allen Nähten platzen.

Das war früher auch nicht anders, könnte man meinen. Und dennoch glaube ich, dass sich die Situation heute fundamental von damals unterscheidet.

Weniger Schulabsolventen, mehr Studenten

Die Gründe liegen vermeintlich auf der Hand: Doppelte Abiturjahrgänge aufgrund verkürzter Gymnasialzeit sowie die Abschaffung von Wehrpflicht und Zivildienst. Beide Gründe haben ohne Frage einen wesentlichen Anteil an den steigenden Studentenzahlen. Sie können jedoch nicht gänzlich erklären, warum die Quote der Studieneinsteiger seit 2001 stetig steigt.

Dass Deutschland trotz rückläufiger Schülerzahlen im Rahmen des demografischen Wandels ein regelrechtes Bildungshoch erlebt, ist schlussendlich auf politische Initiativen im Rahmen des Bologna-Prozesses zurückzuführen.

Bildungshoch dank Bologna-Prozess, aber 90 Prozent der Unternehmen berichten von Rekrutierungsproblemen

Die Einführung des Bachelors als zeitlich kompaktes Hochschulstudium erzeugt einen vorgezogenen Berufseinstieg. Hintergrund: Der Arbeitsmarkt wird mit qualifiziertem Personal versorgt und so dem zunehmenden Fachkräftemangel Einhalt geboten. Laut Experten muss hierfür die vom Wissenschaftsrat vorgegebene Absolventenquote von auf 35 Prozent erreicht werden.

Eine Umfrage der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers unter Personalverantwortlichen belegt tatsächlich, dass der Fachkräftemangel bereits ein ernstzunehmendes Problem darstellt. 90 Prozent berichten von Rekrutierungsproblemen und rechnen künftig mit einer weiteren Verschärfung der Situation.

Schlechte Qualität in der Lehre

Untermauert wird diese Einschätzung durch eine eine Vielzahl von Studien, denen zufolge zukünftig Millionen gut ausgebildete Fachkräfte fehlen werden. Die politischen Anstrengungen tragen bereits erste Früchte – zumindest auf dem Papier: So konnte die Quote der Absolventen mit einen ersten Hochschulabschluss seit der Einführung der gestuften Studienstruktur gesteigert werden.

Allerdings hat die sogenannte “Akademisierung” weiterer Bevölkerungsteile dem Fachkräftemangel nichts entgegenzusetzen, sofern die Qualität der Lehre nicht stimmt.

Zahl des festangestellten Lehrpersonals sinkt

Einige Kritiker machen dafür die trotz massiv steigender Studentenzahlen sinkende Zahl festangestellten Lehrpersonals verantwortlich, das zum Teil durch günstigere freie Arbeitskräfte aufgestockt wurde.

Dabei steigt auch die Zahl nebenberuflich Beschäftigter an öffentlichen Hochschulen seit Jahren.

Arbeitgeber machen es sich zu einfach

Geht es um Bildung und Bildungsqualität machen es sich die Arbeitgeber hingegen mit ihrem steten Ruf nach dem Staat oftmals zu einfach. Zuallererst sollten sie das brachliegende Potenzial an Weiterbildungswilligen in ihrem eigenen Unternehmen ausschöpfen und künftige Fach- und Führungskräfte aus dem Pool vorhandener Mitarbeiter rekrutieren.

Ein berufsbegleitendes Weiterbildungsprogramm kann hier Abhilfe schaffen und dazu beitragen, Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden. Bislang nutzen Unternehmen die Möglichkeit zur Inhouse-Qualifizierung jedoch kaum: In 60 Prozent der Unternehmen stehen dafür jährlich weniger als fünf Weiterbildungstage zur Verfügung, in jedem siebten Betrieb sind es sogar höchstens zwei Tage.

Master auch ohne akademische Vorbildung möglich

Dabei hat der Staat die hierfür nötigen Voraussetzungen längst geschaffen: Seit der Kultusministerkonferenz 2009 können auch diejenigen einen Master machen, die z.B. über nicht akademische Vorbildung verfügen – die entsprechende Berufserfahrung vorausgesetzt.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich nun auch jene aus der Praxis heraus für höhere Aufgaben qualifizieren können, denen der Berufsaufstieg bislang oft verwehrt blieb.