Jeden Tag müssen wir viele große und kleine Entscheidungen treffen, die uns helfen, Ziele zu erreichen und besser zu arbeiten. Manchmal werden diese aber einfach vermieden. Warum? Und lässt sich das ändern?

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Entscheidungen: Jeden Tag, jede Stunde dutzendweise

Täglich, ja stündlich fallen Entscheidungen an. Manche sind größer und rauben uns den schlaf, manche sind so klein und scheinbar unbedeutend, dass wir sie gar nicht bemerken. Manchmal sind wir so überfordert davon, dass wir eine Entscheidung hinauszögern – in der Hoffnung, sie möge sich von selbst erledigen – oder regelrecht vermeiden. Und oft sind wir uns dieses Mechanismus nicht einmal bewusst.

Martin Weigert hat vor einiger Zeit die Problematik aufgegriffen, warum Menschen in der Regel lieber kurzfristige, aber vielleicht schädliche Entscheidungen treffen, statt die langfristigen Konsequenzen abzuschätzen und daraufhin vernünftig zu handeln. Die Gründe hierfür liegen im Fehlen von Willenskraft und Selbstdisziplin – und in der Manipulation durch Medien und Marketing-Maschinerien.

Willenskraft und Selbstdisziplin helfen bei langfristigen Entscheidungen

So schreibt Weigert:

“Je stärker Willenskraft und Selbstdisziplin sind, desto eher richten wir unser Handeln an langfristigen Zielen aus. Je schwächer sie ausgebildet sind, desto stärker lassen wir unser Agieren von kurzfristigen Interessen und uralten Instinkten beeinflussen. Willenskraft erfordert erheblichen Energieaufwand, weshalb jeder Mensch früher oder später Augenblicke der ‘Schwäche’ erlebt.”

Martin Weigert beschäftigt sich in seinem Artikel dann vor allem damit, wie Data Mining dieser Manipulation noch Vorschub leistet. Mich interessiert hingegen bei diesem Thema ein anderer Aspekt: Wie nämlich kommen solche Entscheidungen überhaupt zustande? Wie beeinflussen Entscheidungen unseren Weg? Und warum betreiben so viele Menschen – häufig unbewusst – gezielte Entscheidungsvermeidung?

Alles eine Frage der Entschiedenheit?

Vor einiger Zeit habe ich über Fionnuala Meehan geschrieben, die Sales-Direktorin von Google Ireland, die mich mit ihrer Aussage, ihre Arbeitszeit-Einteilung sei vor allem ihre eigene bewusste Entscheidung, sehr beeindruckt hat. Und nun erlebe ich in meinem Umfeld das krasse Gegenteil:

Da spielt sich geradezu ein kleines “Entscheidungs-Drama” ab. Eine lang geplante größere Reise konnte nicht angetreten werden, bzw. sie wurde begonnen, musste aber nach der ersten Etappe unterbrochen werden. Die Gründe dafür kann man auf den ersten Blick mit einer Folge von unglücklichen Zufällen, technischen Defekten und einfach nur jeder Menge Pech erklären. Manche würden es auch Schicksal nennen.

Kleine Zufälle oder vermeidbare Entscheidungen?

Wenn man jedoch genauer hinschaut, steht hinter quasi jedem dieser kleinen Zufälle eine vermiedene Entscheidung. Notwendige Vorkehrungen wurden nicht getroffen. Alternativen wurden nicht bedacht. Kurz: Die Entscheidung, sich im Voraus mit möglichen Schwierigkeiten auf der Reise auseinander zu setzen, wurde vermieden. Wenn man genauer nachhakt, warum dieses oder jenes nicht umgesetzt wurde, bekommt man Ausreden zu hören, die zum Teil etwas absurd anmuten.

Und wenn man dann genauer hinschaut, erkennt man die dahinter liegenden Ängste. Vielleicht war das Vorhaben doch etwas zu ambitioniert, die Zielsetzung doch etwas zu unrealistisch. Und man hatte den ganzen Plan einfach nicht im Griff. Aber zugeben möchte man das natürlich zuallerletzt. Also schiebt man lieber allerlei andere, zum Teil auch selbstgeschaffene Probleme vor.

“Werde ich erfolgreich sein?” ist die falsche Frage

Ein weiterer wichtiger Punkt: Die meisten Leute fragen sich “Werde ich erfolgreich sein?”, wenn sie sich mit einer Entscheidung, einem nächsten Schritt oder einer sich bietenden Gelegenheit beschäftigen. Die viel wichtigere Frage ist aber: “Ist es das Risiko wert?”

Der Unterschied: Die Frage, ob das Vorhaben das Risiko wert sei, setzt die Bereitschaft voraus, Neues zu lernen. Die Frage, ob sich der Erfolg einstellt, ist eine binäre und führt vielfach nur zur Lähmung. Denn Voraussagen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.

Entscheiden für das Risiko setzt Lernbereitschaft voraus

Der Ansatz vieler erfolgreicher Menschen ist es, ein Risiko einzugehen, daraus zu lernen und mit neuem Wissen und Erfahrungen an das nächste Projekt zu gehen. Versagen ist ein wichtiges Element dieser Strategie.

Besser noch, wenn dann tatsächlich das Versagen eingetreten ist, dann ärgert man sich nicht etwa über die vergossene Milch, sondern kann sich auch über den Lerneffekt freuen. Entscheidend dabei ist, dass noch vor dem Loslegen akzeptiert wird, dass ein Vorhaben möglicherweise nicht gelingen wird.

Das Risiko eines Fehlschlags bewusst in Kauf nehmen

Das ist deshalb wichtig, weil wir uns nur dann aus der eigenen Komfortzone bewegen, wenn wir dieses Risiko in Kauf nehmen: Vielleicht klappt es nicht. Und trotzdem ist es dann OK, wir können das akzeptieren, wir haben ja etwas gelernt.

Nehmen wir die Chance eines Fehlschlags nicht in Kauf, werden wir auf dem Bewährten, Bekannten und Vorhandenen sitzen bleiben. Viele Gelegenheiten würden wir nicht wahrnehmen, wenn wir die Frage nach dem Erfolg stellen.

Entscheidungsvermeidung und Prokrastination: Sich klar machen, wo der Fehler lag

Ich möchte allerdings nicht sagen, dass man an allen Widrigkeiten und Schwierigkeiten, die einem im Leben begegnen, selbst die Schuld trägt, weil man am laufenden Band Entscheidungen vermeidet. Ich glaube jedoch, dass viele Probleme, die wir im Alltag und Beruf haben, nicht selten das Ergebnis von solchen vermiedenen Entscheidungen sind.

Weil wir uns zuvor, wie Martin Weigert so schön schreibt, eben lieber kurzfristig und impulsiv statt langfristig entschieden haben. Dann den Umständen die Schuld zu geben, mag zwar auf den ersten Blick tröstlich sein, bringt uns langfristig jedoch nicht weiter. Besser ist es, sich klar zu machen, wo der Fehler lag und das nächste Mal anders und besser zu entscheiden.