Wer nicht viel erwartet, kann auch nicht enttäuscht werden, sagt man. Genau das war auch mein Eindruck vom Zukunftslabor der taz, das am 8. und 9. April im Haus der Kulturen der Welt, Berlin, stattfand. Im Gegenteil, einiges fand ich sogar unerwartet gut.

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Jobsucher – Gefahren aus dem Netz!

Meine Höhepunkte beim tazlab waren Hans Leyendecker und Rainer Langhans. Das habe ich auch am Samstag getwittert und prompt gab es Einwände von einem User Namens @Chr1stoph – Leyendecker klar, aber Langhans, der sei ja bestenfalls unterhaltsam gewesen.

Nun, da muss ich offenbar etwas weiter ausholen: Leyendecker in der Veranstaltung “Das große Leck: WikiLeaks und die Folgen: Welche Informationen sollen privat bleiben, welche öffentlich gemacht werden?” war vor allem deshalb gut, weil er so herrlich wie sonst kaum einer über die Versäumnisse seiner eigenen Zunft, z.B. in der Wirtschaftskrise herzog.

Googlende Personaler

Und weil er mich im Zuge meiner Recherchen auf eine Gefahr aufmerksam machte, die Jobsuchenden neben dem sonst gerne genannten Topos des googelnden Personalers aus dem Netz droht:

Nämlich Journalisten, die in der Hoffnung, potenzielle Whistelblower zu finden, bei Facebook nach Leuten fahnden, die aus einem bestimmten Unternehmen ausgeschieden sind und über ihren Ex-Chef lästern.

Atem anhalten

Diese für viele neue Recherchemethode ließ Constanze Kurz und Daniel Domscheidt-Berg auf dem Podium kurz den Atem anhalten. Und auch ich werde darüber noch etwas mehr in Erfahrung bringen. Bis dahin ist nur allen Usern zu raten, auf keinen Fall bei Facebook und auch irgendwo sonst über ihren Ex-Chef zu lästern. Sonst gerät man schnell ins Fadenkreuz…

Andreas hat übrigens einen sehr ausführlichen Artikel zu diesem Panel geschrieben.

Wegen Überfüllung geschlossen

Die Veranstaltung Shitstorm-Surfer, Trolle und andere Nervensägen: Brauchen wir eine neue Ethik für das Netz? war ob des Schlagabtauschs auf dem Podium und zwischen Moderator und Publikum höchst ergiebig. Immerhin hat sie eines meiner persönlichen Vorurteile mal wieder bestätigt:-)

In die Veranstaltung code4copyleft: Tools und Konventionen für die Remix-Gesellschaft kam ich wegen Überfüllung leider nicht hinein. Über einige organisatorische Schwächen und diverse personelle Patzer  möchte ich an dieser Stelle mal lieber schweigen. Nur so viel: Die studentischen Mitarbeiter des Medienforums Mittweida waren mit deutlich mehr Elan bei der Sache als hier.

Altherrenkränzchen mit Dame

In Innovationen: Vorbild Axel Springer? Wer erfindet die Bild-Zeitung des 2Jahrhunderts? hätte ich mir weniger Lobgesänge auf Herrn Springer und mehr potenzielle Innovationsmodelle erwartet – was mal wieder bestätigt, das hinsichtlich der Digitalen Revolution die meisten Leute auch nur im Trüben fischen.

Außerdem hatte ich mir einige schärfere Einwände von Mercedes Bunz und Friedrich Küppersbusch gewünscht. Stattdessen durfte Springer-Biograph Michael Jürgs podiumfüllend über Springer reden. Das ganze wirkte irgendwie wie ein Altherren-Kränzchen mit Dame.

Warum ich Rainer Langhans genial fand

Zahlen bitte! Bezahlen User freiwillig – oder muss man sie dazu zwingen? bot nicht viel Neues: Dass Springer am alten Pay-Modell festhält und nicht Flattr einsetzen möchte ist eigentlich logisch. So bin ich dann nach der Hälfte der Zeit gegangen, um in Die neuen 68er. Die digitale Generation – kreative RevolutionärInnen oder angepasste MitläuferInnen? einen wirklich genialen Rainer Langhans zu erleben.

Genial einfach deshalb, weil er sich nicht vor den Karren spannen ließ: Das Panel – und nicht nur dieses – offenbarte nämlich einmal mehr, dass es einen gewaltigen kulturellen Unterschied zwischen journalistischen Veranstaltungen zum Internet und Veranstaltungen aus dem IT-Bereich zum Thema gibt.

Hilfe, das böse Netz!

Und ich verstehe nicht, warum man auf ersterer immer wieder über den selben Kram diskutieren muss: Nämlich dass das Internet schlecht ist, und ob wir nicht alle auch das Gefühl haben, “dass das irgendwie runter geht” (O-Töne aus dem Publikum) (gemeint hat die Fragerin übrigens, dass Facebook die Kultur nach unten ziehe…).

Und genau da machte Alt-68er Langhans nicht mit: Das Internet sei eine kulturelle Errungenschaft, über die er sehr froh sei, ließ er den überraschten Zuhörer wissen. Rainer Langhans – offenbar einer, der es geschnallt hat.

Vorurteile sind unabhängig vom Alter

Was ich auch nicht verstehe, ist, was das immer mit dem Alter zu tun haben muss: Es gibt ältere sehr internetaffine Menschen und Anfang-20-jährige, die mir bei einem Vortrag an den Kopf werfen “Da kann ja jeder Bauer bloggen”. Peter Kruse hat das ja auf der Republica 2010 auch anders dargestellt.

Die Veranstaltung der taz fand übrigens in Kooperation mit der Wochenzeitung “Der Freitag”, dem britischen Guardian, dem Kultur-Internetdienst Perlentaucher, der NGO Reporter ohne Grenzen, der taz Panter Stiftung sowie der deutschen Ausgabe von Le Monde diplomatique.