Laufen wir demnächst also alle mit großen, bunten Balken im Gesicht herum, um unerkannt zu bleiben oder hoffen wir an diesem Punkt dann doch auf den Datenschutz. Oder brauchen wir den am Ende gar nicht?

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Öffentlich oder privat? Wer im Netz alles so mitliest!

In einer idealen Welt würden sich Menschen, bevor sie Soziale Netzwerke nutzen, überlegen, was sie damit wollen und wie andere Menschen sie im Internet wahrnehmen sollen. Sie wären sich völlig bewusst, dass sie sich im Netz öffentlich präsentieren und würde sich vorab folgende Fragen beantworten: Präsentiere ich mich ganz unverfälscht, kann ich ganz und gar zu mir stehen? Oder geht es mir darum, gezielt ein bestimmtes Bild von mir vermitteln? Will ich mich beruflich vermarkten und präsentieren? Oder vertrete ich sogar ein Unternehmen? Wer ist meine Zielgruppe? Und wie rede ich mit ihr?  Und welche Daten und Informationen gebe ich dann jeweils öffentlich preis? Kurz: Die Menschen würden genau wissen, wer sie sind und was sie wollen.

Leider leben wir nicht in einer idealen Welt. Offenbar haben viele Menschen noch nicht gelernt, die Wirkung ihrer Online-Aktivitäten richtig einzuschätzen. Und auch die Social-Media-Aktivitäten vieler Unternehmen wirken oft genug noch wie ein großes Experimentierfeld. Anders lassen sich die vielen großen und kleinen Fehler, wegen derer Social Media zum Teil so in Verruf geraten ist, nicht erklären: Zum Beispiel, dass Leute entlassen werden, weil sie über ihren Arbeitgeber gelästert haben oder dass Daten, die andere allzu freigibig anderen mitgeteilt haben, missbraucht werden. Weil vielen Menschen offenbar gar nicht bewusst ist, was sie da tun.

Hilfe, Chef liest mit!

Lukas Murauer aus Völs in Tirol war  sauer. Auf seinem Facebook-Profil postete er den Status: “Irgendwann setz’ ich meinem Chef einen Kübel auf, dem Deppen!”Eine Schülerin aus Freienbach in der Schweiz schrieb auf Facebook: “Frau H. [ihre Lehrerin] passt mit ihrem Arsch sicher nicht in diese Kiste.”Eine sechzehnjährige in Großbritanien bezeichnete auf Facebook ihren Job als langweilig.Und eine Krankenschwester aus Stockholm veröffentlichte bei Facebook Fotos, die sie bei einer Operation gemacht hatte. Nun ist das all das nichts besonderes, solche Postings kommen täglich millionenfach vor. Bekannt wurden diese Fälle allerdings alles aus dem selben Grund: All diese Menschen verloren daraufhin ihren Job, weil der Chef das mitbekommen hatte.

Nun mögen manche kritisieren, dass die bösen Chefs schuld seien, weil sie ihren Mitarbeitern nachspionieren. Oder eben mal wieder das Internet, weil es den Menschen seiner Privatsphäre beraubt. Tatsache ist aber: In vielen dieser Fälle war der Facebook-Fauxpas nur das Tüpfelchen auf dem i, weil die betreffenden Mitarbeiter auch an anderer Stelle schon auffällig geworden waren. Und alle miteinander hatten eines versäumt: Nämlich  die Privatsphäre bei Facebook so einzustellen, dass ihre Chefs das eben nicht mitlesen können. Und sie hatten es versäumt, sich vor Benutzung des Internets die wichtige Frage zu stellen: Bin ich im Netz eher privat unterwegs – oder eher beruflich? Und wer kann, darf und soll das mitbekommen?

In den letzten Jahren ist die Welt deutlich komplizierter geworden: Früher, als es nur Xing gab, war die Welt für viele Menschen noch in Ordnung. Denn Xing war – und ist es auch heute noch – nur der beruflichen Nutzung vorbehalten. Seit es Netwerke wie Twitter, Facebook und wahrscheinlich auch dem gerade neu eingführten Google+ gibt, ist nichts mehr wie es war. Denn hier sind die Grenzen hingegen fließender: Die einen nutzen es beruflich, die anderen privat und eigentlich weiß man daher nicht so ganz genau, wie man sich verhalten soll. Das macht die Sache spannend – aber auch komplex. Und einfach verschiedene Kanäle für verschiedene Zielgruppen zu nuten, mag auf den ersten Blick ein probates Mittel sein. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich aber dann, dass sich diese stringente Trennung in der Realität kaum durchhalten lässt, wie Uwe Knaus, Blogmanager bei Daimler, erklärt: “Ich selbst nutze Social Media in den letzten Jahren relativ intensiv. Dabei stelle ich fest, dass eine Trennung zwischen ‘beruflich’ und ‘privat’ zunehmend schwieriger wird. Anfangs deklarierte ich meinen Facebook- und Twitteraccount als privat – XING war für die ‘dienstliche’ Nutzung vorgesehen. Inzwischen werde ich auf allen drei Plattformen auch beruflich kontaktiert – und das teilweise rund um die Uhr. Entscheidend ist nicht, wie ich es organisiere, sondern wie es die anderen sehen. Deswegen benehme ich mich auch im Social Web immer so, dass mir weder als Privatperson noch als Daimler-Mitarbeiter etwas unangenehm sein müsste.”

Online-Reputation und Jobsuche im Netz

Jan Kirchner von der Atenta-Personalberatung empfiehlt für die Entscheidung, was man in sozialen Netzwerken postet und was nicht, eine radikale Methode: Es einfach ganz sein lassen! Im April 2010 sagte er bei unserem ZEIT-ONLINE-Talk im Deutschlandradio zum Thema Jobsuche mit Social Media: “Schreibe nichts in Soziale Netzwerke, was Du nicht auch groß an eine Wand schreiben würdest!” Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Wenn Du nicht willst, das etwas den falschen zu Ohren kommt, erzähle es einfach niemandem! Denn wie in so vielen Bereichen wirft Social Media auch hier keine neuen Fragen auf, sondern verstärkt nur schon bestehende Probleme: Schon immer mussten sich Mitarbeiter Gedanken darüber machen, wem ihrer Kollegen sie etwas anvertrauen – und wem nicht. Schon immer wurde in Unternehmen über Dinge getratscht, die der Chef besser nicht mitbekommt. Das Problem ist nur, dass sich diese Kommunikation sich mittlerweile vom Flurfunk ins Internet verlegt hat, wo sie schneller ein breiteres Publikum erreichen kann – und wo sie gegebenenfalls auch nach Jahren noch auffindbar ist. Die Schizophrenie, die sich daraus ergibt, zeigen Haltungen wie diese: “Ich erzähle manche Dinge vielleicht Kollegen abends beim Stammtisch – und hoffe dann, das die das am nächsten Tag vergessen haben. Aber bei Facebook würde ich das nie posten!” Solche Stammtisch-Gespräche können aber genau so zum Problem werden, wie ein salopp gemachter Facebook Eintrag.

Allerdings stellt sich die Frage, ob man eine strikte Trennung von Beruf und Privatleben überhaupt durchhalten kann. Sich ständig emotional zu kontrollieren und jede private Äußerung zu unterlassen, ist nicht nur unmenschlich, sondern wirkt auf andere Menschen auch unauthentisch – und stört daher das gute Verhältnis zu den Kollegen. Robindro Ullah, Leiter ZusatzServices bei der DB Services hat daher für sich eine ganz andere Lösung gefunden: “Die Thematik der Vermischung von “privat” und “beruflich” begleitet mich schon deutlich länger als mein mittlerweile drei Jahre altes Social Media Leben. Gleich nach dem Einstieg bei der Deutschen Bahn wurde ich, wie jede akademische Nachwuchskraft des Konzerns, Mitglied im TraineeClub. Der geschäftsfeldübergreifende Club bringt jungen Nachwuchskräften in Foren, Kamingesprächen und Exkursionen, aber eben auch auf Stammtischen und Freizeitaktivitäten den Konzern näher. Schnell kamen Fragen auf wie: ‘Gebe ich meine private Handynummer raus oder doch meine dienstliche? Wahre ich Distanz oder erzähle ich auch private Dinge?’ Denn auch in einem so großen Konzern trifft man sich im beruflichen Kontext doch schneller wieder als man denkt. Für mich stand daher schnell fest: Eine strikte Trennung zwischen beruflichen und privaten Themen ist gar nicht möglich. Im Gegenteil: Vermischung führt zu engeren sozialen Kontakten, stärkt das Netzwerk unter den Mitarbeitern – und deren Bindung zu Konzern. Wie viel Privatleben man aber in den Beruf einfließen läßt, muss jeder individuell für sich entscheiden.” Und genau das ist für viele das Problem.

Wie ein offenes Buch: Facebook und die Privatsphäre

Das “tolle” an Facebook ist, dass es einem die Entscheidung, wie viel man von sich zeigt, einfach abnimmt. Standardmäßig ist Facebook nämlich so eingestellt, dass alle Informationen jedem zugänglich sind. Denn Facebook möchte, dass seine Nutzer so viel es nur irgendwie geht über sich erzählen, denn offener das eigene Profil dabei ist, desto mehr Interaktion mit anderen Usern findet statt. Und genau das ist für Mark Zuckerberg extrem wichtig: Denn der Wert seines Unternehmens nimmt um so mehr zu, je mehr Nutzer so lange wie möglich auf der Seite verweilen und möglichst viele Daten von sich preisgeben, die das Unternehmen gewinnbringend zu Werbezwecken verkaufen kann. Und damit möglichst viele Menschen diese Standard-Privatsphäre Einstellungen auch beibehalten, macht es Facebook seinen Usern so schwer wie möglich, diese zu ändern. Zum Beispiel erlaubt Facebook keine sogenannten Fake-Profile, also ein Profil, das unter einem anderen Namen als dem eigenen angelegt wird. Man wird nachhaltig dazu aufgefordert, sein Konto per Handy oder Kreditkartennummer zu verifizieren – wenn man das nicht macht, passiert allerdings bislang nicht. Die trickreichste Methode ist allerdings, dass Facebook in der Regel alle paar Monate neue Optionen herausbringt, die dazu führen, dass sich die User durch die stetig komplexer werdenden Privatsphäre-Einstellungen klicken müssen, um nicht Informationen preis zu geben, die sie eigentlich nicht preisgeben wollten.

Zur Zeit befinden sich diese rechts oben unter “Konto”. Individuell händeln lassen sich die einzelnen Optionen, wenn man auf “Benutzerdefinierte Einstellungen” klickt: Nun kann man für jeden einzelnen Punkt wie Pinnwandeinträge, Geburtstag oder auch Aufenthaltsort auswählen, wer die jeweilige Information sehen kann: Alle, Freunde von Freunden, nur Freunde – oder nur man selbst. Im Vorschauprofil kann man sich dann ansehen, wie viel die jeweiligen Freunde von dem Profil sehen. Aber es ist noch mehr möglich: Zum Beispiel kann man seine Freunde in verschiedene Gruppen einteilen, zum Beispiel “Privat”, “Beruflich” oder “enge Freunde” und diesen dann jeweils nur bestimmte Informationen freigeben.

Den Chef von der eigenen Facebook-Pinnwand fern halten – so geht’s

Wenn Sie beispielsweise verhindern möchten, dass Ihr Chef – oder wer auch immer – die Einträge auf Ihrer Facebook-Pinnwand sieht, haben Sie dazu verschiedene Möglichkeiten:

Wie gut sind die Privatsphäre-Einstellungen von Facebook?

Klingt kompliziert? Das mag sein: Man muss herumsuchen, klicken, ausprobieren. Und vermutlich wird Facebook in naher Zukunft sogar wieder etwas an den Einstellungsmöglichkeiten ändern. Doch wer noch Zweifel hat, ob sich der Aufwand lohnt, dem empfehle ich als Entscheidungshilfe, Freunde oder Verwandte das eigene Profil begutachten zu lassen. Nicht etwa, weil sie einem dabei helfen würde, die komplizierten Privatsphäre-Einstellungen von Facebook zu verstehen. Sondern weil openbook jedem radikal vor Augen führt, was er denn nun für alle sichtbar öffentlich gepostet hat – nach dem Motto: “Facebook® helps you connect and share with the people in your life. Now, even if they are not your friends and you don’t know them, you can still read peoples recent posts (based on their own words)” (Frei übersetzt: “Facebook hilft den Menschen, in Kontakt zu treten und Informationen zu teilen. Ob Du sie kennst oder mit ihnen befreundet bist, Du kannst dennoch ihre Beiträge lesen.”

Nein, man muss noch nicht einmal bei Facebook angemeldet sein, um prekäre Informationen oder rassistische Entgleisungen frei Haus mit Name des Absenders geliefert zu bekommen. Geben Sie dazu einfach mal entsprechende Suchbegriffe oder gleich den Namen von Personen ein. Die Site sieht zwar fast aus wie Facebook, hat mit Mark Zuckerberg aber nichts zu tun – im Gegenteil: Die drei Openbook-Gründer Will Moffat, Peter Burns und James Home sind Software-Entwickler oder Designer in San Francisco und selbst bei Facebook angemeldet. Ihre Sorge um die Privatsphäre bei Facebook war aber so groß, dass sie zur Abschreckung Openbook schufen. Und sie raten jedem Mitglied, ihre Privatsphäreeinstellungen bei Facebook zu überprüfen. Oder noch besser: Es gleich ganz abzuschalten.

Spuren im Netz: Nichts bleibt geheim!

Das c’t magazin veröffentlichte in seiner Januar-Ausgabe 2011 einen aufsehenerregenden Artikel. Die Autoren Marcus Lindemann Jan Schneider hatten frei verfügbare Informationen im Internet so miteinander verknüpft, dass sich daraus das Profil einer realen Person ergab. Sie wollten damit zeigen, welche Spuren Menschen in Sozialen Netzwerken hinterlassen.

Als Protagonisten wählten sie bezeichnenderweise den hochrangigen Mitarbeiter eines Internet-Unternehmens, der noch gerne öffentlich mit seiner Offenheit prahlt. Dabei finden die Autoren in Texten, Meldungen und auf Fotos Informationen über den beruflichen Werdegang und Arbeitgeber, Hobbys, persönliche Vorlieben, Tagesabläufe, Haustiere, das Wohnhaus samt Stockwerk, das Autokennzeichen. Und die Autoren finden noch weitere intime Informationen, etwa zu Familie und Freunden, Kindern, Früheren Partnerschaften sowie zur Liebesgeschichte des Ehepaares. Und all diese Personen stehen wieder mit Daten im Netz und ließen sich leicht kontaktieren. Alles Informationen, die alleine völlig unbedenklich sind, in der Kombination jedoch ein großes Ganzes ergeben. Am Ende war selbst der sonst so internet-affine Protagonist dieser Geschichte so schockiert über die zusammengetragenenen Informationen, dass er eine Veröffentlichung unter seinem Namen untersagte – und das, obwohl er selbst alle verfügbaren Daten selbst zur Verfügung gestellt hatte.

Dumm im Umgang mit den eigenen Daten

Zu unbesorgt mit seinen persönlichen Daten, ja man könnte fast schon dämlich sagen, war auch der demokratische US-Abgeordnete Anthony Weiner. Ende Mai stellte Weiner eine Nahaufnahme seiner eng anliegenden Unterhose mit verdächtiger Ausbeulung versehentlich über den Online-Kurznachrichtendienst Twitter ins Internet. Nun verbreiten sich gerade solch prekären Dinge gerne wie ein Lauffeuer – nachträgliches Löschen hilft da nicht mehr viel, der Streisand-Effekt lässt grüßen. Daher brachte es Weiner auch nichts, die Sache abzustreiten oder angebliche Hacker dafür verantwortlich zu machen. Am Ende gestand der verheiratete Abgeordnete auf einer Pressekonferenz unter Tränen ein, anzügliche Fotos ins Internet gestellt und mit sechs Frauen erotische eMails ausgetauscht zu haben. Es kam, wie es kommen musste: Weiner trat zurück.

Solche Geschichten mögen spaßig klingen, weil sie die Schadenfreude ihrer Leser bedienen. Der Effekt, der daraus entsteht, dass jeder denkt: “Selbst schuld, warum stellen die auch sowas ins Netz!”. Doch so einfach ist das leider nicht: Selbst wenn wir uns im Netz bedeckt halten oder vielleicht gar nicht aktiv sind, verraten wir uns: Durch unsere Freunde und Bekannten. Denn der alte Spruch: “Sage mir wer Deine Freunde sind und ich sage dir, wer Du bist” gilt im Netz noch viel mehr. Und es gibt Leute, die daraus durchaus ihren Nutzen ziehen!

Datenschutz-Checkliste

Ich weiß heute schon, was Du morgen willst?

Vor einiger Zeit suchte ich im Internet nach günstigen Flügen. Von da an wurde mir auf beim Surfen im Internet auf ganz verschiedenen Seiten wie Blogs, Nachrichtenseiten oder Online-Shops immer wieder Flugwerbung angezeigt – und zwar genau für das von mir ins Auge gefasste Flugziel. Und da ich bei meiner ersten Suche erfolglos geblieben war, klickte ich auch einige Male hoffnungsvoll auf die Werbung. Offenbar hatte ich bei meiner ersten Suche im Hintergrund ein Cookie heruntergeladen, das genau meine Suchanfrage abgespeichert hatte. Erst als ich meine gesammelten Cookies im Browser gelöscht habe, verschwand die Werbung. Genau so funktioniert erfolgreiche, auf die persönlichen Wünsche des Nutzers zugeschnittene Werbung im Internet.

Wer Amazon-Kunde ist, kennt das bereits: Wenn ich nach einem Buch suche oder beim letzten Besuch gesucht habe, bekomme ich eine Handvoll Bücher zu ähnlichen Themen angezeigt. Nicht wenige finden das praktisch: So bekommen sie auch nur das angezeigt, was sie auch wirklich kaufen würden. Und auch bei mir hat das bei der Flugwerbung ja hervorragend funktioniert – ich habe gleich draufgeklickt. Oder die Google-Instant-Suche, bei der uns häufig eingegebene Suchegriffe zuerst angezeigt werden – und die sich immerhin abschalten lässt. Aber das wollen wir gar nicht, denn wir klicken darauf, weil wir zu faul sind, selbst zu tippen. Aber vielleicht sind wir auch zu faul, selbst zu denken?

So funktioniert Social Media als Geschäftsmodell

Genau nach diesem Muster funktioniert auch das Geschäftsmodell in Sozialen Netzwerken. Nur, dass unsere Daten da nicht durch ein Cookie abgespeichert werden, das wir hinterher leicht wieder löschen können, sondern dass wir selbst unsere Daten mit Freude eingeben. Google, Facebook und auch andere Netzwerke sammeln nicht nur unsere Interessen für bestimmte Musik, Bücher, Filme – nein sie verzeichnen auch, wo wir in Urlaub, waren, worüber wir uns freuen und auch sonst jede kleinste Gefühlsregung, die wir dort von uns geben. Und das alles zusammen mit unserem Namen, unserer Adresse und unserer Telefonnummer. Daraus können sie genaue Profile jedes einzelnen Nutzers erstellen.

Mit welchen Algorhitmen diese Daten gesammelt, ausgewertet und verknüpft werden, ist das gut gehütete Geheimnis der Firmen. Natürlich sind die Erfassung und Weitergabe von personenbezogenen Daten ohne ausdrückliche Einwilligung des Nutzers gesetzlich verboten. Die Erfassung und Weitergabe von anonymen Daten und hingegen auch ohne Einwilligung zulässig. Und genau das wird gemacht, wie wir zum Beispiel in den Werbeinblendungen unser Nutzerprofile bei Facebook sehr schön sehen können. Und auch die Nutzer selbst werden zu Werbeflächen: Durch ihre Bewertungen, Likes, Retweets oder Kommentare lassen sie uns glauben, dieses oder jenes Produkt sei besonders wertvoll, gut und kaufenswert. Denn objektiv sind solche Empfehlungen leider nicht immer und es wird immer schwieriger, zu unterscheiden, ob jemand nun wirklich begeistert von einem Produkt ist oder ob – gewollt oder ungewollt – doch eine ausgeklügelte Marketingstrategie dahinter steckt.

Der Sinn hinter dem ganzen Aufwand: Werbung, die nicht zu uns passt, die langweilig ist und die klar als Werbung zu erkennen ist, wird nicht beachtet. Wir kennen das von den Werbeunterbrechungen im Fernsehen. Je passgenauer Werbung allerdings auf unsere Interessen zugeschnitten ist, je witziger sie ist und je eher der Absender jemand ist, dem wir vertrauen – desto wahrscheinlicher ist unser Interesse. Und auch wenn gerne behauptet wird, dass es doch praktisch sein mag, wenn wir Werbung bekommen, die genau zu dem passt, was schon gesucht haben: Niemand ist gegen Manipulation gefeit. Und möglicherweise läuft die Sache ja genau anders herum: Nicht wir suchen etwas und finden dann die passende Werbeinformation, sondern die Werbung weckt Wünsche und verleiten uns am Ende dazu, etwas zu kaufen, dass wir vielleicht gar nicht wollten.

Data Mining und Predective Analysis

Denn genau das ist das Ziel von statistischen Methoden wie Data Mining und Predictive Analysis: Aus bestehenden Daten Mustern zu erkennen und so zukünftige Trends und Entwicklungen vorherzusagen. In ihrem Blog versuchen beispielsweise Mitarbeiter der Firma Recorded Future zu zeigen, wie aus öffentlichen Nachrichten kommende politische Entwicklungen “vorhergesagt” werden können. Das funktioniert aber natürlich im Marketing genau so gut – könnte schon bald schon eine neue Qualität haben: Werbeflächen, die schon im Voraus erkennen, was wir wollen!

Das ist gar nicht so absurd, wie es klingt: Das amerikanische Unternehmen Intel ist vor allem für die Herstellung von PC-Mikroprozessoren und Chips bekannt. Doch mit seiner Tochterfirma Cognovision könnte Intel nun den Werbemarkt revolutionieren. CognoVision hat nämlich ein System zur Gesichtserkennung durch Werbetafeln entwickelt. Klingt witzig, ist es aber nicht. Erfasst wird jeder, der auf die Tafel schaut. Die Software sammelt Informationen über Größe und Form der Gesichtszüge. Diese werden dann mit einer Datenbank in Übereinstimmung gebracht, die Vergleichsmaterial enthält. So ergeben sich dann Geschlecht und ungefähres Alter der Personen. Die Trefferquote liegt zwischen 85 und 95 Prozent. Das soll aber erst der Anfang sein: Intels zuständiger Abteilungsdirektor Jose Avalos glaubt, dass das System in einigen Jahren auch einzelne Gesichter erkennen wird.

Das Leben der anderen: Was machen die mit unseren Daten?

In dem oscargekrönten Film “Das Leben der anderen” beschattet ein Stasi-Hauptmann ein Künstlerpaar rund um die Uhr und nimmt dadurch mehr und mehr Anteil an deren Leben. Die Geschichte endet für die Beteiligten tragisch. Auch an unserem Leben nehmen durch Internet und moderne technologien mehr und mehr Menschen teil. Das kann für uns tragisch enden, wenn wir nicht aufpassen.

Folgt man den Informatikern Constanze Kurz und Frank Rieger, beide Sprecher der Hacker-Vereinigung Chaos Computer Club dann ist das nur der Anfang. Denn eigentlich geht es nicht nur darum, den Leuten ein paar Produkte zu verkaufen,  sondern um das große gesellschaftlie Ganze: Nämlich um Kontrolle, Machterhalt und Manipulation – und zwar durch Staat und Wirtschaft gleichermaßen. In ihrem Buch “Die Datenfresser” malen sie daher düstere Zukunftszenarien. Beispielsweise die eines Staates, in denen Effizienz, Ordnung und Sicherheit groß geschrieben werden und der Datenschutz eher klein – und wo Menschen sich durch irgendwelche digitalen Auffälligkeiten der Gefahr staatlicher Repressalien und Schikanen aussetzen. Die Maxime “Ich habe ja nichts zu verbergen”, mit der viele Post-Privacy-Befürworter argumentieren, ist für die Autoren nur eine hohle Phrase. Denn: Jeder hat irgendetwas zu verbergen. Für Kurz und Rieger nutzt die Diskussion um die Abschaffung der Privatsphäre vor allem denen, die finanziell von dem fehlenden Datenschutz profitieren: Den Unternehmen, die unsere Daten meistbietende an Werbetreibende verkaufen wollen. Und mehr noch: Internet-Dienstleister, so warnen die Autoren, könnten sich anschicken, unser allumfassender Lebensmanger zu werden, der uns morgens beim Wecken (natürlich mit unserer Lieblingsmusik!) schon die Termine und eMails vorliest und uns beim Zähneputzen die nach unserer Interessenslage vorselektierten Nachrichten serviert – die Filterblase lässt grüßen. Von da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt bis zur vollständigen Gehirnwäsche. Ja Ex-Google-Chef Eric Schmidt wird sogar auf Seite 95 mit dem Satz zitiert: “Ich glaube, die meisten Leute wollen nicht, dass Google Ihre Fragen beantwortet. Sie wollen dass Google ihnen sagt, was sie als nächstes tun sollen.”

Am Ende aber stellen Kurz und Rieger selbst fest: Diese Zukunft ist noch nicht geschrieben. Was uns hilft, sie positiv zu gestalten, ist digitale Mündigkeit: Das bedeutet kritisch mit den Geschäftsmodellen von Unternehmen und den Maßnahmen des Staates umzugehen, Werbeinflüsterungen zu widerstehen, darauf zu achten, welche Daten man wem preisgibt – und insgesamt die Balance zu finden zwischen Datenkosten und dem Nutzen, den man durch Preisgabe seiner Daten hat.