Das Internet generell und die Social Communities im speziellen führen dazu, dass immer mehr Menschen digitale Spuren im WWW hinterlassen – als Text, Ton, Bild oder Video. Das wiederum führt dazu, dass immer mehr Menschen Angst um ihre Daten, ja um ihr Privatleben und ihre Identität haben. Und die allgegenwärtige Frage lautet: Wie viel kann ich preisgeben und was wird mir passieren?

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Cybermobbing und Datenklau: Bedroht das Internet unsere Identität?

Am 15. Juni 2011 strahlte das ZDF die Sendung “ZDFzoom – Hilfe, ich bin nackt” aus. Darin  geht es um Privatsphäre und Datenschutz in Zeiten von sozialen Medien. Hendrik Speck, Professor für Digital Media an der University of Applied Sciences Kaiserslautern, rechechiert das Digitale Leben von Thomas Praus und findet durch die Verknüpfung verschiedener Informationen nicht nur die Daten, die Praus in Sozialen Netzwerken freiwillig herausgibt – sondern auch solche, die er eigentlich niemandem mitgeteilt hat wie den Namen und den Wohnort seiner Eltern.

Informatiker der Universität Darmstadt entwickeln zu Testzwecken eine Android-App, die unbemerkt im Hintergrund Smartphone-Daten wie Kontakte oder SMS ausliest und zu einem Server hochlädt. Können wir uns gegen diesen Identitätsverlust überhaupt noch wehren? Der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt hatte einen kreativen Vorschlag: Einfach seinen Namen ändern. Doch so einfach ist das nicht, wie der kölner Standesbeamte Lutz Zacharias am Ende des Films erklärt: Jeder, der sich freiwillig ins Internet begibt, sei selbst dafür verantwortlich für das, was dort mit seinen Daten geschieht. Ein wichtiger Grund für eine Namensänderung sei das nicht.

Wie wichtig ist Anonymität?

Als sich im Januar 2011 in Kairo tausende, vor allem junge Menschen zum Protest gegen die Regierung zusammenfinden, ist das der Beginn der größten Demonstrationswelle in Ägypten seit Jahren, die schließlich mit dem Rücktritt von Staatspräsident Mubarak endete. Doch damit nicht genug: In der Folgezeit kam es in immer mehr arabischen Ländern zu Unruhen. Doch die Revolutionen gegen die alten Herrscher in diesen Ländern kamen jedoch nicht von heute auf morgen. Sie sind in den vergangenen Jahren heimlich gewachsen – im Internet. Vor allem die Revolutionen in Tunesien, Ägypten oder in Bahrain sind auf die rasante Verbreitung des World Wide Web in diesen Ländern zurückzuführen. Die steigende Internetnutzung ist einer der Gründe, warum es gerade in Tunesien und Ägypten zu den ersten Revolutionen im arabischen Raum kam. Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt – im Netz ist, zum Beispiel auf politischen Blogs, möglich was die Regierungen sonst untersagen. Und mehr noch: Über soziale Netzwerke wie Facebook war es den Demonstranten überhaupt erst möglich, ihre Veranstaltungen zu organisieren. Von den westlichen Medien wurden die Veränderungen im arabischen Raum daher schnell zur Facebook-Revolution hochstilisiert und Soziale Netzwerke als unablässlich für die Demokratie angesehen.

Doch damit soziale Netzwerke so funktionieren können, müssen die Nutzer dort vor staatlichen Zugriffen sicher sein, um sich frei bewegen und austauschen können. Der wirksamste Schutzmechanismus wäre, neben Verschlüsselungsmechanismen der, sich anonym auszutauschen. Doch genau eine hundertprozentige Anonymität zu gewährleisten, ist technisch schwierig, wie die Informatiker George Danezis und Seda Gürses schreiben. Denn auch anonymisierten Datensätzen lassen sich durch entsprechende Werkzeuge wiederum entanonymisieren. Hinzu kommt dass sich selbst aus anonymen Daten Nutzerprofile erstellen lassen, wenn ein ein Service entsprechend häufig genutzt wird. Auf Seite 92 des Beitrages heißt es:  Je mehr ‘data mining’ betrieben wird je mehr Daten aus unterschiedlichen Quellen miteinander abgeglichen werden können, desto mehr wird sich auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass User doch identifiziert oder anonyme Spuren zu konkreten Sendern zurückverfolgt werden können.

Anonymität vs. Identitätsdiebstahl

In einer Folge der für das ZDF produzierten Reihe “Elektrischer Reporter” erklärt der Psychologe Peter Kruse, dass Menschen, die ständig beobachtet werden, nur noch das tun, was von ihnen erwartet wird und sich bewusst oder unbewusst der Norm unter werfen: “Wenn man ständig unter Beobachtung steht, ist man eben nicht mehr authentisch. Man müsste in der Lage sein, sich zu verhalten wie ein genialer Provokateur, dem das ganz egal ist, wer da zuschaut, der einfach ganz er selbst ist. Sonst wird das ganze System zum Gefängnis.”Der gläserne Post-Privacy-Mensch der Zukunft also ein offenes, aber kreuzbraves Wesen, das ständig acht gibt, nicht aus der Reihe zu tanzen? Dass es genau dazu  kommt, befürchten Kritiker, wenn nicht rechtzeitig darüber diskutiert wird, ob wir wirklich bereit sind, jegliche Äußerung im Internet auch unter unserem Klarnamen abzugeben – ohne zu wissen, welche Möglichkeiten, diese miteinander zu verknüpfen es morgen geben wird. Es ging in dieser Diskussion also um die Frage, wie in Zukunft das Thema Anonymität im Netz behandelt werden soll.

Doch seine Identität kann man im Netz auch noch auf ganz andere Weise verlieren: Auch Tina Groll, Redakteurin bei ZEIT ONLINE, hat eine kafkaeske Situationen erlebt: Ende 2009 wurde sie plötzlich mit Inkassoforderungen von Unternehmen konfrontiert, bei denen sie nie etwas gekauft hatte. Recherchen ergaben, dass es sich um einen Fall von sogenanntem Identitätsdiebstahl handelte. Mit einer fiktiven eMail-Adresse und echten Daten, die die Diebe leicht im Internet fanden, wurde unter dem Namen der Redakteurin in diversen Online-Shops eingekauft und die Waren wurden an eine falsche Adresse geschickt. Als die Diebe nicht zahlten, schickten die Unternehmen die Inkassoforderungen an die echte Tina Groll. Die beschrieb ihre absurde Situation in einem Beitrag auf ZEIT ONLINE:  “Es klingt lächerlich, aber: Ich habe Angst, den Briefkasten zu öffnen. Beinahe täglich flattern mir derzeit Mahnungen und Drohschreiben von Inkassounternehmen ins Haus. ‘Weil Sie auf die vorbenannten Forderungen noch immer nicht reagiert haben, leiten wir jetzt das Mahnverfahren ein’, steht da zum Beispiel. Schulden soll ich gemacht und Waren bezogen haben von Unternehmen, deren Namen ich noch nie gehört habe. Die Sachen wurden an Adressen geliefert, die nie die meinen waren. Dort soll es sogar Menschen geben, die ‘zweifellos bezeugen können, dass Sie, Tina Groll, dort gewohnt haben’, schreibt mir eine Inkassofirma. Sogar Haftbefehle gibt es gegen mich – und das völlig unverschuldet.”

“Guck mal wie peinlich!” – Cybermobbing

Doch unsere Identität kann noch auf ganz andere Weise im Netz beschädigt werden: Dann nämlich, wenn unser guter Name wissentlich von anderen durch den Schmutz gezogen wird. Und das passiert schneller, als viele denken.

Cybermobbing, auch Cyberbullying genannt, ist das das Beleidigen, Bedrohen oder Verunglimpfen anderer mit Hilfe des Internets. Und diese Erfahrungen machen meist schon ganz junge Menschen. Die aktuelle JIM-Studie zeigt: 15 Prozent der befragten Jugendlichen haben bereits erfahren, wie es ist, wenn jemand peinliche oder beleidigende Bilder oder Videos des Befragten im Internet verbreitet. Mädchen sind mit 17 Prozent etwas häufiger betroffen als Jungen (13 Prozent). Dabei gilt: Je älter die Jugendlichen werden, desto häufiger kommen solche Vorfälle vor: Während nur sechs Prozent der 12- bis 13-Jährigen über eine ungewollte Verbreitung von Bildern berichten, steigt dieser Anteil auf etwa ein Fünftel bei den ab 16-Jährigen an (14-15 Jahre: 14 Prozent, 16-17 Jahre: 21 Prozent, 18-19 Jahre: 18 Prozent). In einer ähnlichen Größenordnung können die Internet-Nutzer auch darüber berichten, dass generell falsche oder beleidigende Äußerungen über die eigene Person in Umlauf gebracht wurden. Allerdings gibt es hier jenseits der Altersgruppen auch hinsichtlich der Bildungsniveaus deutliche Unterschiede – Jugendliche mit Hauptschulhintergrund berichten fast doppelt so häufig wie Gymnasiasten davon, Opfer von Beleidigungen im Internet zu sein. Vereinzelt kam es auch vor, dass nicht nur Lügen und Verunglimpfungen in Umlauf gebracht, sondern auch Fake-Accounts unter falschem Namen erstellt wurden. Und: gut ein Viertel der jugendlichen berichtete davon, in ihrem Bekanntenkreis schonmal jemand gezielt via Internet fertig gemacht wurde.

Dass Menschen von anderen mehr oder minder gezielt fertiggemacht bzw. gemobbt werden, ist kein Phänomen des Internetzeitalters. Neu ist die Art und Weise. Zwar war Mobbing schon immer kein Kampf mit offenem Visier, doch das Internet bietet Mobbenden, die meist anonym agieren, noch ganz neue Möglichkeiten. Zum einen lassen sich über Soziale Netzwerke potenzielle Opfer noch viel besser über Schwachstellen und potenzielle Angriffspunkte ausspionieren – sofern jemand eine gezielte Aktion plant. Oder sie liefern das Material für spontane Mobbingaktionen in Form von peinlichen Fotos gleich selbst. Zudem bietet das Internet den Tätern die Möglichkeit, selbst völlig unerkannt zu agieren. Dieser scheinbare Schutz der Anonymität lässt viele Menschen ihre Skrupel, auch falsche Tatsachen zu behaupten, vergessen.

Soziale Netzwerke als Bühne für Mobber

Und ein wichtiger Aspekt, der leider oft vergessen wird: Gerade soziale Netzwerke bieten Tätern nicht nur Schutz, sondern gleichzeitig auch eine große Bühne mit einem gierig nach neuen Inhalten lechzenden Publikum, das nur allzu bereit ist, ihnen Beifall zu klatschen. Oder sogar mitzumachen. Die Mobbenden fühlen sich durch die Claqueure in ihrem feigen Tun natürlich noch zusätzlich bestärkt und machen so um so bereitwilliger weiter. Für das Opfer potenziert sich dadurch umgekehrt der schmerzvolle Effekt noch: Früher auf dem Schulhof konnte man das Getuschel der anderen zwar erahnen, war aber nie direkt damit konfrontiert. Nun sieht man praktisch schwarz auf weiß, was andere über einen sagen und denken. Schlimmer noch: Häufig werden solche Bemerkungen unbedacht dahingeworfen, weil es eben cool und witzig ist. In der gesprochenen Sprache würden solche Beleidigungen innerhalb weniger Sekunden verhallen, im Netz sind sie zum Teil über Jahre hinweg noch auffindbar. Kein Wunder, dass es bereits zu Selbstmorden unter Cyberbullying-Opfern kam.

Denn man ist vergleichsweise machtlos gegen diese Art der Ruf- und Identitätsschädigung. Sicherlich gibt es juristische Möglichkeiten, bis die jedoch greifen, haben die Angriffe oder  peinlichen Fotos oder Videos bereits ihr Publikum gefunden, ja mehr noch, wenn man Pech hat kommt es zum Streisand-Effekt. Ähnliches gilt für außerdem recht schwierigen Versuch, die prekären Informationen wieder zu löschen oder löschen zu lassen. Was also tun? Die beste Lösung wäre eigentlich: Aussitzen. Und zu sich stehen. Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird. Die Schnelligkeit der Kommunikation hat auch Vorteile: Nach kurzer Zeit wird bereits die nächste Sau durchs Dorf getrieben und die Mobbing-Attacke, die gestern noch die Gemüter erregte, ist morgen von vielen bereits vergessen. Nur der oder die Betroffene leidet selbst vermutlich deutlich länger unter den Folgen. Und gerade für Jugendliche ist in so einer Situation durchaus auch psychologische Hilfe anzuraten.

Manch einer mag sich hier dann doch Axel Fischers Vermummungsverbot für das Internet wünschen. Das würde aber Mobber auch nicht abhalten. Und sich ganz aus sozialen Netzwerken herauszuhalten, wie einige glauben, ist auch kein probates Mittel gegen Mobbing. Denn selbst wenn man nicht vertreten ist, verbreiten andere ja dennoch ihre negativen Informationen. Langfristig gesehen sollte man eher dafür sorgen, dass die Daten nicht mehr oder wenigstens nicht mehr so leicht auffindbar sind. Zum Beispiel indem man beim Betreiber des entsprechenden Netzwerks einen Antrag auf Löschung stellt. Oder indem man schlicht dafür sorgt, dass die positiven Informationen zuerst gefunden werden. Genau um das zu erreichen, muss man sich ausführlich mit dem Thema befassen. In eine panikartige Internet-Phobie zu verfallen, hilft da leider nicht weiter. Auch wenn Medien und Politiker immer wieder versuchen, uns mit ihren merkwürdigen Vorschlägen genau dahin zu bringen.

Wie sicher sind Soziale Netzwerke?

Im Jahr 2010 wurden Mitarbeiter der Stiftung Warentest zu Hackern: Mit Erlaubnis der Betreiber wollten die Tester herausbekommen, ob soziale Netzwerke die Daten ihrer Nutzer ausreichend gegen Angriffe von außen schützen. Nur sechs der zehn geprüften Netzwerke erteilten die Erlaubnis. Abgelehnt haben den Test neben Xing auch die großen US-amerikanischen Netzwerke Facebook, Myspace und LinkedIn. Sie wurden im Test wegen mangelnder Transparenz abgewertet.

In einigen Netzwerken wie Stayfriends dauerte es nur wenige Tage, bis die Tester an der Passwortschranke vorbei waren. Die selbsternannten Hacker hätten jedes beliebige Nutzerkonto übernehmen und auf alle dort vorhandenen Daten zugreifen und diese beliebig verändern können. Bei lokalisten.de und wer-kennt-wen.de war es vor allem einfach, in die Accounts einzudringen, wenn diese von den Nutzern mit einem zu einfachen Passwort versehen wurden. Negativ aufgefallen ist den Testern darüber hinaus, dass die Zugänge aller Netzwerke über mobile Endgeräte wie Handys eher ungeschützt waren. Insgesamt erhielt keines der getesteten Netzwerke Bestnoten: Ein befriedigendes Ergebnis und deutliche Mängel wurden den deutschen Netzweken Lokalisten wer-kennt-wen und Xing bescheinigt. Immerhin gingen die deutschen Netzwerke, abgesehen von Lokalisten, sorgfältig mit ihren Nutzerdaten um. Das gilt auch für die Testsieger schülerVZ und studiVZ, die zur   Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck gehören. Ihnen bescheinigten die Tester vorbildliche Rechte für Nutzer und einen guten Umgang mit Nutzerdaten, allerdings auch einige Mängel,  in der Datensicherheit und im Jugendschutz, weswegen es auch der Testsieger studiVZ nur auf die Gesamtnote 2,2 brachte. Ohnehin haben auch die VZ-Netzwerke schon den einen oder anderen Datenschutzskandal hinter sich. Erhebliche Mängel in allen getesteten Bereichen zeigten hingegen amerikanische Netzwerke wie Facebook, LinkedIn oder MySpace, die darüber hinaus durch Intransparenz und problematische Geschäftsbedingungen “glänzten”.

Vor allem Facebook hat sich in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit Datenschutzverstößen hervorgetan. Schon 2009 sorgten die Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für Aufruhr unter den Nutzern. Denn die neuen AGB sorgten nicht nur dafür, dass man keine Accounts unter fremdem Namen mehr anlegen kann, sondern wollten auch, ganz neben bei, mal eben den Nutzern ihre Rechte auf die eigenen Inhalte abspenstig machen. Facebook wollte sich nämlich uneingeschränkte Rechte auf die Weitergabe kommerzieller Daten an Dritte genehmigen – und das mit allen Daten, die jemals in das Netzwerk eingespeist wurden, selbst dann wenn die Accounts gelöscht würden. Nach heftigen Reaktionen kehrte Facebook schließlich zu den vormaligen Datenschutzrichtlinien zurück. Allerdings weist Facebook-Gründer Mark Zuckerberg im Firmenblogdarauf hin, dass etwa beim Versand einer Nachricht diese automatisch kopiert werde, sodass es, wie bei einer eMail auch, schwierig ist, sie nachträglich zu löschen. In der derzeitigen Datenschutz-Policy heißt es momentan einigermaßen beruhigend: “Entfernte oder gelöschte Daten können für eine Dauer von max. 90 Tagen noch in Sicherungskopien vorhanden sein, stehen anderen jedoch nicht mehr zur Verfügung.”Allerdings lässt Facebook in der gleichen Policy keinen Zweifel daran, dass es diese Bedingungen auch jederzeit wieder ändern kann: Wir können diese Datenschutzrichtlinien gemäß den in der Erklärung der Rechte und Pflichten von Facebook beschriebenen Verfahren ändern. Nutzer sollten also stets wachsam gegenüber den Vorgängen sein und bei Bedarf auch ihr Konto nicht nur deaktivieren, sondern samt aller Daten gleich ganz und endgültig löschen lassen.

Alternativen zu Facebook?

Überhaupt: Account löschen und sich eine datenschutzrechtlich weniger bedenkliche Alternative zu Facebook suchen – die Lösung könnte so einfach sein. Problematisch nur, dass gerade in den sichereren VZ-Netzwerken die Mitgliederzahlen kontinuierlich so lange schrumpften, dass diese schließlich schließen mussten. Das obwohl die Stuttgarter Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck über die Investmentbank Goldman Sachs noch einen Käufer für die VZ-Gruppe gesucht hatte. Letztendlich dürften es auch daran liegen, dass Facebook über erheblich größere Resourcen an Programmierern und Designern verfügen – und mit einer viel größeren Aufmerksamkeit in den Medien aufwarten können. Dazu kommt auch der Nutzwert: Während Facebook für viele Menschen alternativlos scheint, weil eben “alle” dort waren.

Nur so ist es zu erklären, dass auch andere Alternativen wieder von der Bildfläche verschwanden, z.B. das prominente Google+, das anfänglich als ein Licht der Hoffnung am Ende de Tunnels gefeiert wurde, das dem Zuckerberg-Imperium mit seiner immensen Mitgliederzahl irgendjemand seinen Rang als Nr. 1 streitig machen könnte. Zu seiner Einführung schrieb der Journalist Richard Gutjahr in seinem Blog:

“Der eigentliche Grund aber, weshalb Google+ ein Erfolg werden könnte, hat nichts mit Technik zu tun: Google+ ist Facebook; aber nicht von Facebook. Die Netzwelt wartet sehnsüchtig auf eine Alternative zur großen blauen Gesichtskladde. Aktuell zählt die Freunde-Plattform rund 750 Millionen Mitglieder. Doch auch bei Facebook weiß man: In der Online-welt ist die Konkurrenz nur einen Mausklick entfernt.”

Vom Regen in die Traufe

Ohnehin hinterließ die Tatsache, dass ausgerechnet Google Facebook die Weltherrschaft streitig machen wollte,bei Datenschützern kein gutes Gefühl. Es schien irgendwie wie vom Regen in die Traufe kommen. Denn auch Goolge ist, was Datenschutz angeht, keinesfalls unumstritten: Ähnlich wir Mark Zuckerberg so hatte auch Googles Ex-Vorstandschef Eric Schmidt bei einer Rede in Berlin 2010 das Konzept der Privatsphäre für überholt erklärt.

Bei der Absicht bleibt es nicht: Beispielsweise stimmen die Nutzer von Google-Mail zu, dass ihre gesamten eMail-Daten, also die Inhalte eingehender und ausgehender Daten automatisiert durch einen Bot durchleuchtet werden, um passende Werbung vermarkten zu können. Doch auch bei Suchanfragen, der Benutzung des Google-Kalenders, Google Maps oder bei der Verwendung des Google-Betriebssystems Android auf dem Smartphone erhebt Google Daten von den Nutzern über Vorlieben, Gewohnheiten und Aufenthaltsorte seiner Nutzer.

Google vs. Facebook?

Immerhin schien Google+, gerade was die Weiterverwendung der Daten zu Werbezwecken angeht, einiges besser zu machen, wie die Journalistin Christiane Schulzki-Haddouti schreibt:

“Anders als Facebook lässt sich Google allerdings die Nutzungsrechte nur nicht-exklusiv übertragen. Über ein Werkzeug namens ‘Data Liberation’ können Nutzer ihre Daten auch jederzeit exportieren, um sie in anderen Diensten zu verwenden… Nutzer können außerdem einstellen, wie genau die Anzeigen, die sie sehen, auf sie zugeschnitten werden sollen.”

Wie sicher sind Soziale Netze?

Kurz nach der Einführung von Google+ wurde bekannt, dass Google Profile von Nutzern, die sich unter einem Pseudonym angemeldet haben, sperrt – und zwar wahlweise nur das Google+-Profil oder gleich den gesamten Google-Account, so dass auch kein Zugriff mehr auf andere Dienste wie Google-Mail oder den Kalender möglich war. Zu den gesperrten Accounts gehörten absurderweise auch die “Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften”, Profile von Zeitungen wie “Der Freitag”, “Berliner Morgenpost” oder der aus Star Treck bekannt William Shattner. Dass nach Beschwerden oder Presseberichten einige Profile wieder freigeschaltet wurden, zeigt nur, wie inkonsequent Google dabei vorging. Offenbar ging es dem Konzern vor allem darum Fake-Accounts rechtzeitig zu identifizieren und abzuschalten. Schließlich gab der Konzern auch Fehler zu, versprach, seine Nutzer vor der Sperrung zukünftig zu warnen und über Wege nachzudenken, in Zukunft auch Nicknames zuzulassen.

Der Software- Entwickler und Berater Enno Park, dessen Googl+ Profil “Die Ennomane” ebenfalls kurzzeitig gesperrt worden war, skizzierte die absurde Situation treffend: “Googles Community-Richtlinien sehen vor, dass man den Namen verwenden soll, unter dem man ‘von Freunden und Bekannten angesprochen wird’, und dass es OK ist, sich statt Michael auch Micha zu nennen. Das ist kein Verbot von Pseudonymen oder Künstlernamen. Das Problem ist nur, dass niemand, nicht einmal Google selbst, entscheiden kann, wann ein Pseudonym nach dieser Regel denn nun eigentlich erlaubt ist. Streng genommen werde ich im so genannten ‘real Life’ nicht unter meinem Pseudonym angesprochen, trotzdem ist es im Netz das bekanntere.”

Nun gibt es Leute, die sich über dieses Vorgehen von Google gefreut haben. Zum Beispiel weil ihnen die Trolle, die im Internet unter dem Deckmantel der Anonymität undifferenzierte Pöbeleien posten, ein Dorn im Auge sind. Oder weil sie hoffen, auf diese Weise frühzeitig potenzielle Kriminelle und Pädophile erkennen zu können. Nicht umsonst erhielt im Herbst 2010 der CDU-Politiker Vorsitzender der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” des Deutschen Bundestages rege Zustimmung für seine Forderung nach einem Vermummungsverbot im Internet. U.a. auf seiner Facebook-Seite erklärte er: “Es kann nicht sein, dass sich viele Bürger in Foren oder anderen Einrichtungen des Netzes hinter selbst gewählten Pseudonymen verstecken und sich so vermeintlich jeglicher Verantwortung für Äußerungen und Verhalten entziehen.” Wenig später machte sich Fischer allerdings damit lächerlich, als herauskam, dass er selbst anonym bloggt, wie der Netzaktivist Christian Heller kommentierte:

“Wenn Google uns Förmchen vorgibt, in die wir uns einpassen sollen, um Google zu nutzen – dann setzt Google einflussreiche Normen und Präzedenzfälle… Aber ich finde es hier viel wichtiger als bei Facebook, denn Facebook ist eh schon Nordkorea und kaum reformierbar. Bei einem so jungen Dienst wie Google+ dagegen glaube ich, dass sich durch Verhaltensdruck noch Einiges ändern lässt.”

Pseudonyme im Netz – sinnvoll oder nicht?

Doch nicht nur die Netzaktivisten sprechen sich für Pseudonyme und Anonymität im Netz aus: Google selbst war noch vor einigen Monaten selbst für Pseudonyme, weil sie helfen, freie Meinungsäußerungen zu schützen. Und in § 13 des Deutschen Telemediengesetzes ist verankert:”(6) Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.” Wie bigott der Umgang von Google mit den für die Nutzer so wichtigen Namen ist, zeigt eine Antwort Google-Pressesprecher Stefan Keuchle auf eine Nutzer-Anfrage bei Google+: “Um G+ nutzen zu können bitten wir um einen Vor- und einen Nachnahmen. Das sind die ‘Spielregeln’ auf die sich ein Nutzer einlassen muss. Aber: Niemand verlangt einen Identitätsnachweis. Die von Dir beschriebenen Menschen die auf Anonymität angewiesen sind, werden G+ sicher mit einem entsprechenden Namen nutzen.”

Oder anders ausgedrückt: Natürlich können die Nutzer ein Pseudonym nutzen – so lange sie den Namen nur so geschickt auswählen, dass Google es nicht merkt. Allerdings schützt dieses System aber genau diejenigen, die Google nutzen möchten, um herumzupöbeln oder Schlimmeres – eben weil die Identität nicht nachgewiesen werden muss. Selbst wenn also ein solcher falscher Troll-Account stillgelegt wird, wird der betreffende User einfach mit einem Schulterzucken einen neuen aufmachen. Umgekehrt hat, wer unbedingt anonym bleiben will oder – etwa aus politischen Gründen muss – nur diese Möglichkeit. Er muss dann aber auch mit der ständigen Gefahr, dass sein Profil, ja vielleicht sein ganzer Google-Account unbrauchbar gemacht wird, leben. Und ist dabei der Willkür von Google ausgeliefert. Wie das enden kann, zeigt das folgende Beispiel:

Wenn der Account weg ist: Identitätsfalle Internet

Am Donnerstag, den 27 Juli 2011 brach für Thorsten Edinger seine kleine Online-welt zusammen: Sein Google-Account wurde völlig überraschend gelöscht. Mit allen Daten! In einem Kommentar beschreibt er seine Gefühle – und kritisiert das Verhalten von Google: “Die Mails, die ich an Google schrieb, blieben unbeantwortet. Immerhin hat mir Stefan Keuchel, der Pressesprecher von Google Deutschland, am Freitag seine Hilfe angeboten – auch wenn er mir nichts versprechen kann – jedoch habe ich bis jetzt noch nichts von ihm gehört. Ich finde es unverantwortlich, Leute, die jahrelange, treue Kunden von Google sind, einfach so auszusperren, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Daten runter zu laden, oder sie wenigstens mit den Anschuldigungen zu konfrontieren. Ein einfacher Hinweis, dass ich gegen folgende ToS verstoßen hätte, mit der Löschung der entsprechenden rechtswidrigen Daten, hätte mich so erschreckt, dass ich nie wieder diesen Fehler erneut getan hätte. Mich aber von allen Google-Diensten auszusperren – ja, ich hatte mehr als 80% meines Onlinelebens auf Google ausgelagert – ist wie ein harter Tritt in den Bauch. Ich komme nicht mehr an meine Emails, an meine Dokumente und Rechnungen, nicht mehr an meine Fotos, meine Kontakte, an meine RSS-Feeds. Ja, mein Blog wurde gelöscht. Bis Mitte der Woche konnte ich noch behaupten, dass ich ein großer Fan von Google war, und ich habe wann immer sich mir die Gelegenheit anbot, meinen Freunden und Bekannten versucht, Google näher zu bringen. Das hat sich nun schlagartig geändert. Alle meine Daten der letzten 6 Jahre sind verloren. Alles weg. Man fühlt sich verdammt leer, so ohne alles.”

Edinger ist kein Einzelfall. Aus den USA ist mindestens ein weiterer Fall bekannt, in dem ein sieben Jahre alter Account plötzlich nicht mehr benutzt werden könnte. Das daraus resultierende Szenario erinnert an Kafkas Prozess, in dem der beschuldigte K. hilfesuchend herumirrt und stets auf eine Mauer des schweigens trifft. Ähnlich ergeht es Google-Nutzer, dem sein Online-Leben geraubt wurde und der nichtmal weiß, womit er denn nun genau gegen die Google-Nutzungsbedingungen verstoßen hat. Und es könnten im Zuge der Diskussion um die Anonymisierung von Google+-Profilen noch mehr werden.

Kai Biermann, Redakteur von ZEIT ONLINE hat seinerzeit Facebook und Google+ miteinander verglichen. Und kam ungeachtet aller oben genannten Probleme zum  Ergebnis: Google+ ist tatsächlich ein wenig besser. Zwar lässt Biermann keinen Zweifel daran, dass  Google+, wie auch Facebook, dafür geschaffen wurde, damit die Nutzer Freunden, Bekannten und auch dem Unternehmen selbst so viel wie möglich über sich mitteilen. Dennoch konnte man das bei Google+ intuitiv und mit wenigen Klicks ändern, während man sich bei Facebook erst durch seitenlange Erklärtexte graben muss. Und auch ihre Kontakte konnten die User schnell in einfach in Circles organisieren, während bei Facebook die Möglichkeit, Freunde und Bekannte in Gruppen einzusortieren, erst nachträglich aufgepropft wurde und daher entsprechend unbekannt ist. Am Ende kommt Biermann zu dem klaren Fazit: “Geht es um Transparenz, Kontrolle und Bedienbarkeit der Privatsphäre, ist Google+ daher der klare Sieger.”

Diaspora und Co: Der Versuch, weitere Alternativen zu schaffen

Der Blogger Martin Weigert hat genau diesen Zustand kritisiert:

“…dass die zwei führenden digitalen Kommunikations- und Interaktionskanäle der digitalen Welt sich in privater Hand befinden und von gewinnorientierten Unternehmen betrieben werden. Diese Tatsache beunruhigt, bedenkt man, wie abhängig viele User, aber auch Organisationen und Unternehmen mittlerweile von den zwei Firmen sind. Eine derartige Abhängigkeit von einzelnen kommerziellen Anbietern ist niemals wünschenswert.Erst recht nicht, wenn es keine Alternative gibt. Und genau des Fehlen einer unabhängigen, nicht profitorientierten Alternative ist das eigentlich Bedauernswerte.”

Dabei gab es im Laufe der Zeit immer mal wieder mehr oder weniger gehypte Alternativen:

Zum Beispiel der Mikroblogging-Dienst http://identi.ca, eine offene Alternative zu Twitter. identi.ca wollte Nutzern Freiheit und Transparenz durch die Verwendung der Freien Software StatusNet garantieren, die die User auch auf eigenen Servern installieren können.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktionierte auch Diaspora, das 2010 in den Medien groß als Alternative zu Facebook gehypt wurde: Daniel Grippi, Maxwell Salzberg, Raphael Sofaer und Ilya Zhitomirskiy, allesamt IT-Studenten der New York University, wollten, angeregt durch die ständigen Datenschutz-Diskussionen bei Facebook, einiges anders machen, als die Konkurrenz: Ihr soziales Netzwerk sollte quelloffen sein, die Nutzer untereinander direkt und nicht über eine zentrale Stelle verbinden, ihnen dabei die volle Kontrolle über ihre Daten lassen und die Kommunikation mit den eigenen Kontakten durch Verschlüsselung schützen. Den Diskussionen um Facebook hatten es die vier Gründer auch zu verdanken, dass sie in wenigen Wochen mehr als 200.000 Dollar für das Projekt zusammensammeln konnte. Allerdings ist denn nicht viel passiert: Immerhin bestach Diaspora durch ein klares, minimalistisches Design und die Möglichkeit, Freunde leicht und übersichtlich in sogenannten Aspekten hinzufügen – Zwei Punkte übrigens, an denen sich Google+ durchaus orientiert haben dürfte.  Kritiker bemängeln jedoch dass diese Grundfunktionen von Diaspora nicht ausreichen, um Facebook oder Google+ ernsthafte Konkurrenz zu machen und dass die Entwickler sich zu sehr auf die Arbeit im stillen Kämmerlein beschränken und zu wenig die Werbetrommel rühren. Denn auch wenn Mit-Gründer Maxwell Salzberg 2011 zur re:publica nach Berlin kam, konnte sein Vortrag doch kaum überzeugen.