Laut IBM werden täglich weltweit 2,5 Trillionen Byte Daten produziert. Doch die Datensammelwut von Unternehmen und Behörden macht Kunden wie Bürgern Angst. Für Unternehmen bietet dieses “Big Data” jedoch große Chancen: Wie sehr Unternehmenserfolge in Zukunft von der Vernetzung und Auswertung großer Daten einerseits, aber auch vom Vertrauen der Kunden andererseits abhängt, zeigt jetzt eine Studie des Zukunftsinstituts, die wie hier auch als Leseprobe anbieten.

Big Data

Big Data – der Rohstoff des 21. Jahrhunderts

Mit seiner neuen Studie “Power of Openess” springt das Zukunftsinstitut nun auch auf den digitalen Zug auf und will in acht Kapiteln einmal mehr das Ende der Privatsphäre einläuten. Denn in der Welt des “Big Data” ist “Information” der Rohstoff des 21 Jahrhundert.

Hersteller und Händler werden wieder zu Jägern und Sammlern. Ihre Beute: Kundendaten. Und Gewinner der Jagd sind jene Firmen, die es schaffen, Daten nicht nur zu sammeln, sondern auch zu interpretieren, um sie gewinnbringend einsetzen zu können.

Datenwust oder datenbasiertes Marketing?

Diese Daten auszuwerten, ist die wichtigste Kernaufgabe für Unternehmen in Zukunft. Im Kapitel “Open Economy” zeigen die Studienautoren auf, dass Unternehmen heute nicht mehr am datenbasierten Marketing vorbeikommen.

Die Studie will außerdem Wege aufzeigen, wie Unternehmen, aber auch staatliche Institutionen, aus der riesigen Datenflut ihren Nutzen ziehen und Probleme, die sich aus den explodierenden Datenmengen ergeben, lösen können.

90 Prozent des derzeitigen globalen Datenbestandes sind in den beiden letzten zwei Jahren entstanden. Um das Potenzial von Big Data bis 2018 auszuschöpfen, werden allein in den USA 1,5 Millionen Manager mit Data-Mining-Kenntnissen sowie 190.000 Spezialisten zur Datenanalyse benötigt.

Online, offline oder beides gleichzeitig?

Insbesondere durch Social Media, Cloud Computing und den alltäglichen Gebrauch des Smartphones wachsen die Datenmengen ins schier Unermessliche. Mobiltelefone ermöglichen heute zahlreiche Möglichkeiten der Lebensgestaltung.

Apps sagen uns, wo sich die Freunde gerade aufhalten, wo wir das beste Schnäppchen finden oder den nächsten Babysitter herbekommen. Wir hinterlassen massenhaft Spuren im Netz und das zumeist still duldend und wissend.

Datenschutz oder persönliche Vorteile?

Datenschutz ist gerade in Deutschland ein hochsensibles Thema. Doch der Datensammelwut von Unternehmen wie Facebook, Google und Co. dürfte das keinen Abbruch tun.

Denn in dem Moment, wo der persönliche, kurzfristige Vorteil des Nutzers überwiegt, spielen für die meisten Datenschutzaspekte eine untergeordnete Rolle – so haben es die Studienautoren um Trendforscher Harry Gatterer, der auch Geschäftsführer des Zukunftsinstituts ist, beobachtet.

Bremst der “Fachkräftemangel” die Datenauswertung?

Doch wer als Unternehmen die schier ausufernde Datenmenge intelligent nutzen will, muss zu einem Spurenleser werden. Qualifizierte Experten zur Datenanalyse sind rar.

Gerade mal ein Drittel aller Unternehmen weltweit können laut einer aktuellen Studie von EMC Deutschland die vorhandenen Daten nutzen. “Der Fokus eines Big-Data-Experten der Zukunft liegt auf dem Management von großen Datenmengen und der Wertschöpfung daraus”, betont Hans-Peter Kemptner von IBM in der Studie.

Grund hierfür: Es fehlt an Fachleuten auf diesem Gebiet. Bis 2018 werde der Bedarf an diesen Experten die verfügbaren Arbeitskräfte in den USA um 60 Prozent übersteigen, prognostiziert McKinsey im Bericht: “Big Data: The Next Frontier for Innovation, Competition and Productivity”.

Neue Chancen auch für Konsumenten

Mit der zunehmenden Vernetzung ergeben sich aber auch für die Konsumenten neue Möglichkeiten. Sie können viel leichter direkt miteinander in Kontakt treten. Neben eBay entwickeln sich zahlreiche neue Internet-Handelsplätze, auf denen Privatpersonen anderen Privatpersonen ihr persönliches Hab und Gut zur Verfügung stellen – und das zu erheblich günstigeren Preisen als kommerzielle Anbieter.

Auf http://www.airbnb.com lassen sich freie Zimmer und Wohnungen von Privat mieten. Bei Couchsurfing kann man bei jemanden kostenlos übernachten (www.couchsurfing.com). Und Autos können bei http://www.tamyca.de an Privatpersonen vermietet werden, wenn man nicht gerade selbst unterwegs ist.

Partizipation

Renaissance alter Konsumformen

Die Welt des Konsums befindet sich im Wandel. Konsumenten werden immer mehr zu Anbietern und Produzenten. Die Autoren sprechen von einer Renaissance alter Formen des Handels: Formen des Mietens, Teilens, Tauschens und Spendens.

“Collaborative Consumption” entwickelt sich zum alternativen Wirtschaftsmodell, bei dem es vermehrt um das Nutzen anstelle von Besitzen geht. Dabei entsteht eine globale Commmunity, in der Vertrauen zum Schlüsselfaktor ökonomischer Austauschbeziehungen wird.

Gleichzeitig erhöht sich durch die technologische Vernetzung der Welt  die Transparenz und immer mehr Menschen werden hinter den Daten sichtbar. Das zeigt auch, worum es bei der Vernetzung letztlich geht: Um menschliches Miteinander, Kommunikation und Austausch.

Wie im Tante-Emma-Laden?

Ganz falsch ist der Vergleich mit einem Tante Emma Laden dabei nicht: Damals erfuhren Verkäufer im persönlichen Plausch noch von den Vorlieben und Wünschen seiner Kunden, heute ersetzen digitale Daten dieses Wissen.

Neu, und nicht zu verharmlosen ist jedoch die Systematik, mit der diese Kundenwünsche heute abgefragt, ausgewertet und miteinander in Verbindung gebracht werden: Wer früher dem Verkäufer seine geheimen Wünsche erzählte, konnte davon ausgehen, dass diese nur ein paar Leute erfuhren.

Wer heute davon erfährt, was wir bei Facebook hinschreiben, ist für den Einzelnen gar nicht zu durchschauen. Ganz abgesehen von den Möglichkeiten der Manipulation, die sich durch neuste Ergebnisse der Hirnforschung (Stichwort Neuromarketing) ergeben, wenn uns Wünsche nicht mehr nur von den Augen abgelesen werden (z.B. von Werbetafeln mit Gesichtserkennung) sondern geradezu eingebläut werden.

Ehrlichkeit und Vertrauen als Wettbewerbsvorteil

Genau hier liegt für mich die Schwäche dieser Studie: Der relativ kritiklose Umgang mit den Gefahren des Datensammelns. Kein Wunder, adressiert das Zukunftsinstitut mit der Studie doch die Marketing-Abteilungen großer Unternehmen, denen es diese für teueres Geld verkauft.

Dabei wissen die Autoren selbst, dass das Verhalten von Unternehmen durchaus kritisch zu sehen ist. “Kultur ist das, was ein Angestellter macht, wenn niemand hinschaut”, wird Martha Rogers, Expertin für Strategisches Management und Gründungspartnerin der Peppers und Rogers Group, zitiert.

Und dann kommt ganz schnell das Aber, der ethische Zeigefinger: Denn in ihrem aktuellen Buch “Extreme Trust” zeigt Rogers, wie wichtig für Unternehmen die zunehmende Bedeutung des Faktors Vertrauen ist. Und skizziert Strategien, wie Ehrlichkeit in Zeiten der Transparenz als Wettbewerbsvorteil genutzt werden kann.

Manager müssen umdenken

Denn nicht nur auf den Konsum-, sondern auch auf den Arbeitsmärkten wird Vertrauen zur harten Währung. Manager müssen das alte hierarchische Modell “Recruit, Train, Supervise, Retain” durch “Initiate, Engage, Collabrative, Evolve” ersetzen.

Auch bei der Social-Media-Nutzung ist eine strikte Trennung von beruflicher und privater Nutzung weder sinnvoll noch effektiv und wird, was viel wichtiger ist, in Zukunft nicht aufrechtzuerhalten sein. Smartphones hat ja ohnehin schon jeder.

Ehrlichkeit und Transparenz als Strategie?

Nur mal ganz ehrlich: Ehrlichkeit und Transparenz als Strategie? Kann das funktionieren oder dreht sich da nur mir der Magen um? Die Autoren sehen für diesen Widerspruch allerdings eine Lösung: Opake (halb-transparenten) Strukturen, die jenseits von Schwarz-/ Weiß-Denken angesiedelt sind.

Sie ermöglichen für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer größere Einblicke, aber nicht den unbeschränkten Durchblick. Die richtige Mixtur aus Verbergen und Zeigen zu schaffen, wird zur Hauptaufgabe des Managements von morgen.

Orientierung und Medienkompetenz als Lösung?

Es gilt nach Meinung der Autoren Orientierung zu schaffen. Interne Regeln und Richtlinien, wie Social-Media-Kanäle genutzt werden dürfen, müssen aufgestellt werden. Fixe Standards helfen paradoxerweise Flexibilität und Freiheit zu ermöglichen. Ziel sollte es sein, eine Kultur des Sharings und der Kollaboration zu etablieren.

Junge Menschen müssen heute dazu befähigt werden, Medienkompetenz zu erlangen und mit den neuen Unwägbarkeiten (z.B. Cybermobbing) umgehen zu können. Es gilt, Resilienz zu vermitteln: also die Fähigkeit, mit Problemen und bösen Überraschungen souverän umzugehen.

Dazu gehört auch die Kompetenz, Dinge zu tun, auf die man keine Lust hat. Lernen ist zwar mühsam und die Bedeutung des “auswendig gelerntes Wissens” sinkt. Dennoch befähigt gerade ein gutes Allgemein- und Hintergrundwissen junge Menschen, Informationen in die richtigen Kontexte zu setzen. Daher ist womöglich die wichtigste Aufgabe der Bildung, Neugier zu vermitteln.

Piratenpartei als Vorbild?

So viel Transparenz kann junge Menschen auch wieder dazu bringen, sich stärker für Politik zu interessieren, wie sich in den letzten Monaten am Beispiel der Piratenpartei zeigt, die eine zumeist junge Wählerschaft für politische Prozesse interessiert.

Die Idee dahinter: Der neugierige, digitale Bürger will Bescheid wissen und mitbestimmen. Er fordert Transparenz (Open Data) und Informationsfreiheit ein. Der mündige Bürger partizipiert sich, indem er selber zum politischen Akteur wird.

Die Piratenpartei hat immerhin den Versuch gestartet, diesem Ansinnen gerecht zu werden. So hieß es auf ihrer Website programmatisch: “Wir haben die Fragen. Ihr habt die Antworten.” Ob es bei dem Versuch bleibt, wird sich zeigen.