Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll eigentlich für mehr Transparenz und weniger Diskriminierung im Bewerbungsprozess sorgen. Oft ist jedoch das Gegenteil der Fall. Ein Überblick.

- Wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bewerbern das Leben schwer macht
- Die Ossi-Diskriminierung
- Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – blanker Schwachsinn?
- Theorie und Praxis des Das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
- Die Angst, sich den Mund zu verbrennen
- Kuriose Erlebnisse
- Immer wieder wundern
- Nicht persönlich nehmen
- Offener Dialog zwischen Personalern und Bewerbern
- Text als PDF kaufen
- Mehr erfahren – unsere Bücher zum Thema
- eKurs on Demand kaufen
Wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bewerbern das Leben schwer macht
Bewerbungsprozesse werden immer undurchschaubarer: Wer Jobs zu vergeben hat, hält immer öfter den Mund und verschweigt, warum er wen für welche Jobs gewinnen will. Dafür gibt es einen Grund: das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Ausdruck eines Trends zu verordneter Gleichbehandlung und hysterischem Anti-Diskriminierungswillen, der im Bewerbungsprozess absurde Blüten treibt.
Kandidaten müssen sich durch endlose Verfahren quälen, obwohl die ausgeschriebene Stelle intern längst vergeben ist. Und sie sitzen versteinert lächelnden Gesichtern gegenüber, die behaupten, dass “alle die gleichen Chancen bei uns” haben und nicht mit den Gründen herausrücken, warum man in der Bewerbung nicht weiterkommt. Obwohl genau das eine Hilfe wäre…
Die Ossi-Diskriminierung
Ein außergewöhnlicher Streitfall vor dem Landgericht Stuttgart sorgte 2010 für Aufsehen in deutschen Personalabteilungen: Eine Bewerberin war nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden und hatte daraufhin ein Fensterbauunternehmen wegen Diskriminierung verklagt.
Der Grund: Die Frau aus Ostdeutschland hatte mit der Absage des Arbeitgebers ihre Bewerbungsmappe mit der Post zurückerhalten. Auf den Unterlagen stand in fetter Schrift das Wort “OSSI” geschrieben – daneben prangte ein dickes Minus-Zeichen.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – blanker Schwachsinn?
Bei ihrer Forderung nach Schadenersatz berief sich der Anwalt der abgelehnten Bewerberin auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – ein Gesetz, das die Arbeit der Personaler und ihren Umgang mit Kandidaten in Vorstellungsgesprächen in den vergangenen Jahren entscheidend verändert hat.
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Im Jahr 2006 trat das AGG in Kraft. Zuvor hatte es jahrelang für Diskussionen gesorgt, denn seine Wirkungskraft in der Praxis gilt – um es vorsichtig auszudrücken – als umstritten. Genauer gesagt: Personaler halten das AGG für blanken Schwachsinn. Sie meinen sogar, dass es Bewerbern schadet. Warum?
Theorie und Praxis des Das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
Blicken wir zunächst in den genauen Wortlaut des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes: “Ziel ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.”
In der Praxis hat das unter anderem zur Folge, dass in Stellenausschreibungen verschwiegen wird, ob man sich eher eine Frau oder einen Mann für den zu besetzenden Job wünscht. Es gibt keine Angaben zum Alter oder dazu, was man körperlich leisten können muss, um einen Job erledigen zu können.
Die Angst, sich den Mund zu verbrennen
Um sich nicht den Mund zu verbrennen, sagen die Arbeitgeber deshalb: “Bei uns haben alle die gleichen Chancen!”. Wir wissen, dass das eine AGG-Notlüge ist. Denn am Ende picken sie sich doch genau jene Bewerber heraus, die sie haben wollen.
Bei der Recherche zu unserem Buch verriet mir eine Personalleiterin im Gespräch, dass ihr im Voraus selbstverständlich klar sei: “Diesen Job kann nur eine Frau machen!” oder “Ein Mann wird dieser Unternehmensabteilung gut tun!” Aber öffentlich zugeben würde sie diese Überlegungen nie. Die Entscheidung fällt sie dann aber doch häufig nach Geschlecht oder dem Alter eines Bewerbers.
Kuriose Erlebnisse
Unfreundliche Absagen oder gar keine Reaktionen, kuriose Vorstellungsgespräche unentschlossene Arbeitgeber: Annette Gerlach kennt sie alle aus eigener Erfahrung, die kuriosen Situationen bei der Jobsuche. Die Diplom-Betriebswirtin und Personalreferentin schrieb zu ihren besten Zeiten acht bis zehn Bewerbungen pro Woche, deutschlandweit.
Und erinnert sich an Erfolge. Zum Beispiel an jenes Jobinterview, das nur 27 Minuten dauerte. Da war sie vom Ablauf des Gesprächs erst wenig überzeugt: “Der Personaler hat die Fragen einfach durchgetaktet und ich habe die ganze Zeit geredet”, berichtet Gerlach. “Da fragt man sich im ersten Moment schon, warum man eigentlich 565 Kilometer gefahren ist!”
Als dann die positive Rückmeldung kam, war die Bewerberin überrascht: Sie war im Bewerbungsprozess eine Runde weiter.Man müsse eben, so ihr Fazit, immer erstmal abwarten was kommt. “Denn Personaler schätzen ein Gespräch oft besser ein, als man selbst!”
Immer wieder wundern
Gewundert hat Annette Gerlach sich oft genug. Einmal hat sie vier Tage lang zur Probe bei einer Kommune gearbeitet, für eine Stelle als Jobcoach: “Doch mir konnte keiner sagen, ob die Stelle überhaupt frei ist.”
Am Schluss zog die Personalfachfrau entnervt ihre Bewerbung zurück. Anfang September sei die Stelle wieder ausgeschrieben gewesen. Ein weiteres Vorstellungsgespräch hat sie in einer DB-Lounge geführt: “Da muss man als Bewerber mit der Geräuschkulisse klarkommen,” berichtet sie. Und vor wenigen Tagen hat Gerlach Unterlagen zurückerhalten – von einer zwei Jahre alten Bewerbung.
Nicht persönlich nehmen
Doch die Betriebswirtin versucht, die negativen Erlebnisse nicht persönlich zu nehmen: “Personaler sind auch nur Menschen – und oft nur kleine Rädchen im Unternehmen,” weiß Gerlach durch ihre Erfahrung von der anderen Seite des Schreibtischs. Oft hätten sie einfach zu wenig Zeit, um die hohen Stapel an Bewerbungen angemessenen abzuarbeiten. Oder zu wenig Einfluss auf die Stellenpolitik im Unternehmen.
Dennoch gibt sie zu, dass viele Kollegen eher verschlossen sind oder den Bewerbern gegenüber keinerlei Wertschätzung zeigen – zum Beispiel, indem sie mit einem fingierten Profil in Online-Netzwerken nach Kandidaten suchen. “Dadurch fühlen sich Bewerber als Mensch nicht ernst genommen und demotiviert”, warnt Gerlach. Das führe schließlich dazu, dass Unternehmen auf einschlägigen Websites negativ bewertet würden.
Offener Dialog zwischen Personalern und Bewerbern
Annette Gerlach tritt daher offen für den Dialog zwischen Bewerbern und Personalern ein: Sie twittert und bloggt über ihre Bewerbungserfahrungen unter. Seit 2005 betreut sie die Gruppe “Arbeitslos na und!? Mach Dich nicht kleiner als Du bist” im Online-Netzwerk Xing.
Durch Xing hat sie auch schon einmal einen Job gefunden. Die Unternehmen reagierten auf ihre Online-Aktivitäten gemischt: “Die eher konservativen Kollegen warnen mich, zu offen zu sein,” berichtet Gerlach. Viele andere jedoch fänden ihr Engagement absolut super. “Und das sind wahrscheinlich die Unternehmen, die zu mir passen.”
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17 Antworten zu “Bewerbungs-Transparenz & Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Der Irrsinn verordneter Anti-Diskriminierung”
Ich habe auch schon so viele schreckliche Bewerbungssituationen hinter mir, daher danke für diesen wirklich sehr schönen und ausführlicher Artikel. Und wieder mal wieder zeitlich perfekt passend.
[…] und Berufebilder.de bieten weiterführende Informationen zum […]
Gleichbehandlungsgesetz #Bewerbung: Vor- oder Nachteil? Teil 1: #Beruf
Gleichbehandlungsgesetz #Bewerbung: Vor- oder Nachteil? Teil 1: #Beruf
Hallo liebe Blogger,
sowohl der eine wie auch der andere Weg sind für mich nicht zielführend. Diskriminierung ist in der Personalauswahl eine Selbstverständlichkeit. Ich möchte einen Führungsverantwortlichen kennen lernen, der die ihm/ihr sympathischste Person abgelehnt hat, weil eine andere Person besser qualifiziert war.
ich würde dem Bewerber die Wahl lassen, sich ehrliches Feedback einzuholen, am Besten mit einem unterschriebenen Versprechen, auf jegliche Klagen zu verzichten. Es ist wirklich deprimierend, wenn man trotz sehr gutem Uniabschluss und ausreichender Berufserfahrung die ganze Zeit nur formalisierte Schreiben bekommt, und sich vor Allem nicht fortbilden kann, weil man ja nie weiß, welche Qualifikationen fehlen.
Mittlerweile würde ich alles unterschreiben, um endlich einmal Feedback zu bekommen. Man wird mit der Zeit mürbe und das Ego versteht es nicht, weil man bei Jobs abgelehnt wurde, bei denen man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der beste Kandidat gewesen wäre (die anderen Jobs, bei denen man Quereinsteiger wäre, tun auch nicht so weh bei der Absage). Noch besser ist das: Mit ins Vorstellungsgespräch eingeladen werden, weil man so gute Qualifikationen hat und formell eingeladen werden muß, nur um kurz vor Schluß am Gegenkandidaten zu scheitern, der seit Anfang an schon feststand.
Aber immer hoch die Rübe, Deutschland braucht ja unbedingt qualifizierte Kräfte, zumindest hört man das im Fernsehen.
Julius
Hallo Julius,
danke, du bringst die Problematik auf den Punkt: Sowohl mit als auch ohne AGG ist schwierig. Und richtig, von der fehlenden Ehrlichkeit, hat keiner was. Was das mit den qualifizierten Kräften angeht, will ich dir ja nicht den Mut nehmen, aber…
Als Lösung empfehle ich da nur: Eigene Idee entwickeln und loslegen. Nur Mut!
Lieber Oligo,
die entscheidende Frage ist, ob man Gleichstellung gesetzlich erzwingen kann oder ob das nicht ein kontraproduktiver Ansatz ist. Simone Janson hat völlig recht, wenn sie sagt: Nur Aufklärung auf gesellschaftlicher Ebene kann da weiterhelfen. Worauf es mir in meinem Beitrag ankommt: Gesetzliche Zwänge helfen uns nicht weiter, solange in den Köpfen der Entscheider nicht die Bereitschaft vorhanden ist, die viel beschworene “Diversity” auch in die Tat umzusetzen. Was jedenfalls ein Resultat unserer Recherchen in den Personalabteilungen ist: Initiativen wie das AGG führen eher dazu, dass für Kandidaten das Verständnis für den Ablauf einer Einstellung noch stärker verschleiert wird als vor Einführung des AGG. Wohlmeinende Empfehlungen wie “Ihre Berufserfahrung passt nicht zu unserer Stelle” oder “Sie sind noch zu jung für die ausgeschriebene Position” oder im Extremfall auch “Ziehen Sie sich beim nächsten Mal etwas Anderes an” werden totgeschwiegen – und das hilft keinem auch nur einen Schritt weiter. Mit anderen Worten: Es geht um klare Aussagen, um Ehrlichkeit, um einen offenen Umgang miteinander, der durch das AGG verhindert wird. Dass Arbeitgeber diskriminierend sein können, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Was ich mit dem Beitrag zeigen möchte: Als Bewerber muss man die Hintergründe eines Einstellungsprozesses so weit wie möglich verstehen, um Schaden von sich selbst abzuwenden…
“Bei der Recherche zu unserem Buch verriet mir eine Personalleiterin im Gespräch, dass ihr im Voraus selbstverständlich klar sei: „Diesen Job kann nur eine Frau machen!“ oder „Ein Mann wird dieser Unternehmensabteilung gut tun!“ Aber öffentlich zugeben würde sie diese Überlegungen nie.”
Wer beliebige und nicht erfolgsentscheidende Kriterien für die Stellenbesetzung heranzieht, ist selbst schuld. Dummheiten kann man nicht verbieten.
Man hat als Bewerber einen Anspruch darauf, dass man halbwegs fair und objektiv behandelt wird bei der Bewerbung. Das ist natürlich nach wie vor nicht der Fall – das war es, bevor es das AGG gab, aber auch nicht. Mittlerweile hat man aber die Möglichkeit zu klagen, wobei das Unternehmen dann eine objektive Auswahl belegen muss.
Das AGG hat aber auch dazu geführt, dass einige Unternehmen und auch Verwaltungen ihren Einstellungsprozess verändert haben.
“„Das AGG schadet Bewerbern. Denn wir können ihnen kein ehrliches Feedback geben.“”
Achso, also sowas Ehrliches wie: “Es tut mir leid, Sie sind ein Moslem/eine Frau/zu dick/zu hässlich….” kann man sich auch verkneifen. Haben jene Personaler schon mal daran gedacht, dass ihr laienhaft dümmliche Bewertung auch niemanden ernsthaft interessiert?
Hallo Oligo,
danke für den Kommentar. Das ist eben die Frage, ob die Situation mit oder ohne AGG besser ist. Mit AGG, da haben Sie recht, kann man wenigstens noch klagen. Dafür gibt es dann, wie im geschilderten Fall, im besten Fall etwas Geld (siehe 2. Teil des Artikels – es gab einen Vergleich) und die Genugtuung sie wehren zu können.
Den Job bekommt man eher nicht, ist vielleicht nicht empfehlenswert: Möchte man einen Job haben, den man einklagen muss?
Was mich zu dem Kern der Sache bringt: Das eigentliche Problem, die Diskriminierung in den Köpfen lässt sich nicht gesetzlich verhindern, sondern nur gesellschaftlich. Denn so wird auch mit AGG weiterdiskriminiert: Sprach letztes Jahr mit einem Personalberater, der mir gestand, er habe keine Probleme damit, auch Ausländer auszusortieren, falls das gewünscht wird. Das hat mich auch umgehauen.
Was ist also besser: AGG haben, klagen können, aber Scheinheiligkeit? Oder kein AGG aber dafür wenigstens ein ehrliches Feedback?
Wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Bewerbern das Leben schwer macht
Bewerber – dank AGG auch nicht schlauer als vorher
#Beruf Wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Bewerbern das Leben schwer macht – Teil 1: Der Irrsinn verord
Wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Bewerbern das Leben schwer macht – Teil 1: Der Irrsinn ver #Business
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