Frauenquote und Gleichberechtigung sind immer wieder Gegenstand heftiger Diskussionen. Doch weder im Job noch im Privatleben sind wir schon so weit wie viele meinen. Einblicke in die Personalauswahl in einem deutschen Unternehmen.

job-interview

Offener Brief an einen Personaler

Kürzlich gab es auf Edition F einen aufsehenerregenden offenen Brief von Leserin Anne-Lu zu lesen. Aufmerksam wurde ich darauf durch Nina Kalmeyer via Facebook. Gerichtet war der Brief an den Personaler eines – leider nicht genannten – Unternehmens, bei dem die junge Frau wegen eines Jobs vorstellig geworden war.

Die Bewerbungsunterlagen hatten offenbar überzeugt, die Bewerberin war zum Assessment Center eingeladen worden, hatte auch hier überzeugt. In der letzten Runde waren nur noch sie und ein weiterer männlicher Kandidat übrig, beide mussten eine Präsentation halten.

So läuft Personalauswahl in Deutschland auch

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Die Beschreibung sagt viel darüber, wie Personalauswahl in Deutschland tatsächlich läuft:

“An dem Tisch saßen vier Männer und eine Frau. Sie war die Gleichstellungsbeauftragte und schaute mich lächelnd an. Ich gab Dir die Hand und stellte mich vor… Alle machten sich Notizen. Niemand fragte weiteres zu meiner Familie, oder zu unserem Lebensmodell.”

Frauen gehören an den Herd?

Die Konstellation taugt ja durchaus zur Einschüchterung, vor allem wenn sich die Herren am Tisch nichtmal vorstellen. Aber der dicke Hund an dieser Schilderung kommt noch: Die Frau hat den Job, man ahnte es schon, nicht bekommen. Hinter vorgehaltener Hand teilte man ihr mit, das sie nach Meinung der Personaler zu unflexibel für einen 40-Stunden Job sei – wegen ihrer zwei Kinder.

Dass die Kinderbetreuung vollständig durch Kita und Ehemann organisiert war, hatte sie dabei nichtmal interessiert — sie hatten einfach die Schublade im Kopf aufgemacht und die Bewerberin hineingesteckt. Fertig. Die krasseste Aussage des Textes aber steckt für mich in einem Nebensatz:

“Der Haken seien meine Kinder. Der Mitbewerber hätte auch eines, aber da sei die Frau zu Hause.”

Deutsche Unternehmen: Fortschrittlicher als gedacht?

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Dabei zeigen Studien, dass deutsche Unternehmen sich offiziell zumindest fortschrittlicher geben: Eine von dem Büroausstatter Regus weltweit unter 11.000 Unternehmensvertretern aus 13 Ländern durchgeführte Studie ergab, dass fast die Hälfte (44%) der Unternehmen in Zukunft plant, mehr Teilzeitstellen für Mütter zu schaffen, die ins Arbeitsleben zurückkehren möchten.

Deutsche Firmen liegen dabei sogar über dem weltweiten Durchschnitt: Hier gaben 48% der Befragten an, in den nächsten 24 Monaten mehr Teilzeitarbeitsplätze für ins Berufleben zurückkehrende Mütter bereitstellen zu wollen. Ob man daraus ablesen kann, dass Deutschland ein mütterfreundliches Land ist oder ob die Angaben viel mehr nur ein frommer Wunsch ist, bleibt abzuwarten.

Indien – ein Herz für Mütter?

Am mütterfreundlichsten zeigte sich Indien, wo 64% der Unternehmen planen, mehr Mütter einzustellen. Dahinter liegen mit 55 und 54 % Australien und Mexiko. Mit 50 % der Unternehmen liegt China aber noch vor Deutschland.

Verhalten hingegen reagierten die Unternehmen in den Niederlanden: Dort erwarten nur 24% eine zunehmende Beschäftigung von Müttern – die Niederlande verzeichnen damit die niedrigste Quote.

Deutschland hat noch Nachholbedarf

Insgesamt zeigt sich, dass Deutschland bei der flexiblen Arbeitsplatzgestaltung für Mütter noch Nachholbedarf hat: Bei einer Studie des Weltwirtschaftsforums belegt Deutschland unter 58 Industrienationen bezüglich des Frauenanteils unter den Erwerbstätigen den 20. Platz.

Hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen liegt Deutschland auf dem 28. Platz und in Bezug auf den Bildungsstand auf Platz 3Angesichts der Tatsache, dass Deutschland in den meisten anderen Kategorien Spitzenplätze belegt, ist dies eine relativ schwache Leistung.

Starke Branchenunterschiede

Das Ergebnis der von Regus durchgeführten Studie unterschied außerdem je nach Branche. Während im Banken- (47%) und Produktionssektor (47%) die Einstellung von mehr Müttern nach der Elternzeit geplant wird, sind in der Informations- und Kommunikationsbranche weniger Unternehmen dazu bereit (39%).

Dies ergibt sich möglicherweise aus der Tatsache, dass die Informations- und Kommunikationsbranche eher eine Männerdomäne darstellt. Wenn also von Haus aus wenig Frauen in dieser Branche tätig sind, ist es wenig verwunderlich, dass die Einstellung von Müttern in Teilzeit in diesem Bereich in geringerem Maße geplant ist.

Zudem ergab die Studie, dass 77% der größeren Firmen (mit mindestens 1.000 Mitarbeitern) mehr Mütter in Teilzeit beschäftigen wollen. Unter Unternehmen mit 250-999 Mitarbeitern ist diese Bereitschaft mit 39% am geringsten.

Wunsch und Wirklichkeit

Auch wenn Unternehmen im Rahmen ihrer Strategie gegen die Wirtschaftskrise mehr Mütter einstellen möchten: Es gibt große Aufgaben beim Übergang von der Elternzeit zurück ins Arbeitsleben zu bewältigen. Arbeitsplatzflexibilität für Mütter heißt, ihre Herausforderungen und Bedürfnisse zu verstehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, produktiver und stressfreier zu arbeiten – z.B. gerade auch außerhalb des Firmengeländes.

Tiefsitzende Vorurteile in den Köpfen

Spannend ist allerdings: Als einer der wichtigsten Faktoren bei der Verbesserung der WorkLifeBalance der Mitarbeiter gilt die Flexibilität, entweder ganz oder teilweise unabhängig des Firmengeländes zu arbeiten.

An dem obigen Beispiel zeigt sich hingegen ganz klar, dass es hier nicht etwa um Flexibiliät bei der Kinderbetreuung ging, sondern schlicht um vorgeschobene Argumente und tiefsitzende Vorurteile. Und es zeigt einmal mehr, wo wir beim Thema Gleichberechtigung in Deutschland wirklich stehen – aller Diskussion zum Thema Frauenquote zum Trotz.

Besser doch gleich klagen?

Vielleicht wäre es tatsächlich besser gewesen, Anne-Lu hätte das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bemüht und gegen diese offensichtliche Diskriminierung geklagt – das ganze medial begleitet. Dann wäre der Name des besagten Unternehmens als abschreckendes Beispiel durch die Presse gegangen und hätte vielleicht bei dem einen oder anderen Personaler mit ähnlicher Haltung zumindest zu einem gewissen erschreckten Nachdenken geführt.

Persönlich verstehe ich sehr gut, dass sie sich diesen Stress, der zudem richtig teuer ist, erspart hat. Und wer möchte schon in einem Unternehmen arbeiten, in das er sich eingeklagt hat. Allerdings zeigt sich so nur einmal mehr, dass die vermeintlichen privaten Probleme vieler Bewerber durchaus auch eine politische Dimension haben. Und dass man deshalb darüber sprechen muss. Also gehen wir es an!


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