Der Berufseinstieg für Geisteswissenschaftler ist nicht einfach. Zeitarbeit, die einen flexiblen Jobeinstieg bedeutet, kann hier eine Hilfe sein. Chancen und Risiken im Überblick.

Erfahrungsbericht Berufseinstieg für Geisteswissenschaftler: Zeitarbeit – Chance oder Risiko?

Volontariat und Studium

Ich habe Kultur- und Medienwissenschaften mit Schwerpunkt Anglistik, Romanistik und Niederlandistik studiert und während des Studiums auch ein Jahr an der Sorbonne in Paris studiert.

Der Berufseinstieg als Geisteswissenschaftler war auch für mich nicht einfach – und das, obwohl ich bereits vor dem Studium eine Ausbildung absolviert und auch Auslandserfahrung in Paris verbracht habe.

Verkäufer-Job statt Perspektive

Denn vor meinem geisteswissenschaftlichen Studium habe ich ein zweijähriges TV-Volontariat absolviert. Während des anschließenden Studiums arbeitete ich ein Jahr als PR-Fachkraft in Brüssel. Dort sammelte ich wichtige Erfahrungen in der internationalen Pressearbeit für die Diplomatie und im Event Management.

Außerdem erwarb ich umfassende Kenntnisse des Web Content Managements und konnte meine Mehrsprachigkeit effizient ausbauen und vertiefen. Demnach schuf ich mir bereits während des Studiums ein “Profil” mit entsprechender Perspektive hinsichtlich internationaler PR… Zumindest dachte ich das damals.

Wunsch vs. Wirklichkeit

Die Realität sah anders aus: Ich arbeitete als Verkäuferin und meine Bewerbungen blieben meist unbeantwortet. Mein Eindruck ist, dass Personaler eher auf die Berufserfahrungen achten, die nach dem Studienabschluss auf dem CV stehen, während die Vorigen -bewusst oder unbewusst- abgewertet werden.

Persönliche Vorstellungsgespräche ergaben sich fast ausschließlich aufgrund meines persönlichen Netzwerkes. Vielleicht ist das aber auch ein branchentypisches Problem, das heutzutage viele Absolventen mit PR-Berufswunsch in “Dauerpraktika-Schleifen” katapultiert?

Zeitarbeit: Chance auf dem zweiten Arbeitsmarkt

Momentan mache ich Erfahrungen mit Zeitarbeit, die ich zur Zeit eher als Chance denn als Risiko wahrnehmen. Wie seht Ihr Zeitarbeit? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?

Mein Glück ist es, dass ich auf dem zweiten Arbeitsmarkt – als sogenannte Zeitarbeitnehmerin – die Chance bekomme, mich wieder in meinem Bereich zu beweisen und weitere Erfahrungen in spannenden Projekten zu erwerben. Mir ist natürlich klar, dass Zeitarbeit starkt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist, zum Beispiel in einschlägigen TV-Talks-Shows. Einige sagen dazu wenig prosaisch:

“Früher gingen die Sklavenhändler zum Markt und kauften Sklaven, heute sitzen die Sklaventreiber am Markt und die Sklaven kommen und verkaufen sich selbst.”

Zeitarbeit: Gemischte Gefühle

Ich muss zugeben, dass ich das Thema Zeitarbeit durchaus mit gemischten Gefühlen sehe: Einerseits ist sie natürlich für Arbeitnehmer weniger sicher und man verdient auch weniger als in einer festen Anstellung.

Es gibt sicher Fälle, in denen es berechtigt ist, über die Ausbeutung von Leiharbeitern zu klagen, weil diese feste Jobs verdrängen. Denn es ist anzunehmen, dass der Trend zu flexiblen Beschäftigungen in den kommenden Jahren eher noch zu- als abnehmen wird.

Unternehmen müssen flexibler agieren

Andererseits bin ich auch selbst Unternehmerin. Daher sehe ich, dass Unternehmen heutzutage auch flexibler reagieren müssen, da die Auftragsbücher eben längst nicht mehr so konstant prall gefüllt sind wie früher. Daher kein Zeitarbeit für Unternehmen eine echte Erleichterung sein.

Und auf für Angestellte kann es eine Alternative zur Arbeitslosigkeit sein. Mit moderner Sklaverei hat Zeitarbeit für mich nichts zu tun – die Zeitarbeiter haben ja immer noch eine Wahl. Was ich auch nicht ganz verstehe: Warum soll Leiharbeit die bessere Bezeichung sein? Weil Sie weniger euphemistisch ist?

Geisteswissenschaftler und Perfektionismus

Perspektivisch möchte ich jedoch als freie Autorin und Redakteurin ein zweites Standbein entwickeln.  Jeder muss ja auch selbst dafür sorgen, dass er vorankommt. Ich habe während meiner Karriere oft festgestellt. dass gerade Geisteswissenschaflter zum Perfektionismus, zum Wunsch alles besonders richtig und besonders korrekt machen zu wollen, neigen. Möglich, dass uns dieser an der Hochschule regelrecht anerzogen wird.

Einen “gesunden” Perfektionismus, verfeinert mit der entsprechenden Prise Humor und einer nicht zu verachtenden Portion Selbstbewusstsein, halte ich für unersetzlich. Aber wo dieser seine Grenze zum krank machenden Extrem hat, vermag ich aufgrund der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation nicht zu verorten. Wie sehen Sie die Chancen, aber auch die Risiken von Zeitarbeit? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?