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Offenlegung & Urheberrechte: Bildmaterial erstellt im Rahmen einer kostenlosen Kooperation mit Shutterstock.
Von Simone Janson (Mehr) • Zuletzt aktualisiert am 24.10.2024 • Zuerst veröffentlicht am 15.08.2018 • Bisher 7395 Leser, 3512 Social-Media-Shares Likes & Reviews (5/5) • Kommentare lesen & schreiben
Aberglaube und Esoterik hatten nicht nur im Mittelalter Konjunktur, sondern sind auch heute noch anzutreffen – und zwar ausgerechnet
Orakel und Hellseher sind so alt wie die Menschheit, doch auch im 21. Jahrhundert hat Esoterik Hochkonjunktur – und zwar auch in einem Bereich, wo man sie kaum vermutet, nämlich in gestandenen Wirtschaftsunternehmen, die offenbar seit dem Mittelalter auch nichts dazu gelernt haben. Ein Bereich scheint besonders prädistiniert zu sein: Das Personalwesen.
Tatsache ist: Immer mehr Unternehmen setzen auf esoterische Praktiken, um die Teamentwicklung zu fördern und die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern. Methoden wie Astrologie, Tarot oder energetische Heilung finden ihren Weg in Personalstrategien, um nicht nur die individuellen Talente der Mitarbeiter zu erkennen, sondern auch um eine harmonische und kreative Arbeitsatmosphäre zu schaffen.
In Workshops und Seminaren wird zunehmend Wert auf intuitive Entscheidungsfindung gelegt, wobei viele Führungskräfte an die Kraft von Wahrsagungen glauben, um ihre strategischen Entscheidungen zu untermauern. Diese unerwartete Verbindung zwischen Esoterik und Personalwesen spiegelt ein wachsendes Interesse an alternativen Ansätzen zur Förderung von Teamdynamik und Innovation wider.
Diese Information beruht auch auf eigenen Erfahrungen: Vor einigen Jahren rief bei mir eine Wahrsagerin an. Passend zu Beginn des neuen Jahres, um mir die Zukunft mittels Tarotkarten, Horoskopen usw. zu orakeln. Und so geschah es, dass man mir weissagte, dass ich in diesesm Jahr einen Bestseller landen und reich und berühmt werden würde….-)
Aber nein, so war es nicht. Tatsächlich hat bei mir eine Wahrsagerin angerufen. Aber nicht, um mir die Zukunft zu orakeln, sondern um von mir eine Auskunft zum Thema Existenzgründung zu erfahren: Nämlich, wie das denn sei mit der Umsatzsteuer und der Wahrsagerei. Nicht nur dieses Erlebnis hat dazu geführt, dass ich meine Telefonnummer nicht mehr so einfach herausgebe. Und es zeigt, wie absurd das Thema Esoterik ist.
Mal davon abgesehen, dass ich aufgrund des Rechtsdienstleistungsgesetzes solche Rechtsauskünfte gar nicht geben darf und es daher auch nicht tat sondern die Dame auf eine Informationssite zum Thema umleitete: Wie kann man Wahrsager sein und so etwas nicht wissen? Ich meine, für einen guten Wahrsager müsste Existenzgründung doch ein Klacks sein. Nicht nur, dass ich bislang immer dachte, sie könnten gesetzliche Fallstricke und alle Regeln mit einem Schlag finden – am besten auspendelnd vor dem Kaffeesatz vor dem Gesetzesbuch, bzw. dem Computer – sie müsste doch alle Probleme vorhersehen und damit gleich umgehen können.
Und sie müssten von vorneherein wissen, in welche Geschäftsidee es sich zu investieren lohnt und welche sie reich macht. Von daher könnten Sie sich dann auch Top-Berater leisten und hätten es nicht nötig, Experten um einen kostenlose Auskunft anzujammern. Aber da das alles in diesem Fall nicht gegeben war, bescheinige ich dieser Geschäftsidee keinen durchschlagenden Erfolg. Und dazu gehört gar keine Wahrsagekunst. Oder möchten Sie, egal wegen was auch immer, von jemandem beraten werden, der sich selbst ganz offenbar nicht beraten kann?
Nun mal im ernst, denn leider ist das Thema gar nicht so komisch wie es auf den ersten Klick klingt, denn Esoterik hat zur Zeit Hochkonjunktur. In der Gesellschaft, in der Politik – und leider auch im sonst so seriös scheinenden Personalwesen. So hat vor einiger Zeit Henner Knabenreich in seinem Blog personalmarketing2null.de über eine umstrttene Keynote-Speakerin auf einem Recruiting-Event geschrieben und gibt dabei auch einen verschiedenen, am Markt erhältlichen fragwürdigen Methoden:
„Stellen Sie sich vor, es gäbe eine Software, die anhand einer 15-minütigen Sprachanalyse beurteilt, ob ein Bewerber für einen Job geeignet ist, oder nicht. Wäre das nicht ein Traum? Oder aber ein Tool, welches anhand von 100 geschriebenen Worten die Eignung eines Kandidaten beurteilt. Alles algorithmenbasiert und vorurteilsfrei natürlich. Oder aber es gäbe einen „Profiler“, der anhand der Analyse von Frisur, Brillentyp und Körperform sowie von Schriftproben beurteilt, ob ein Bewerber wirklich der richtige ist. Ein Traum, nicht wahr? Klar, dass jemand mit nahezu übersinnlichen Fähigkeiten auch bei angesagten Recruiting-Events nicht fehlen darf. Und so bereichert eben dieses „Profiling-Talent“ namens Suzanne Grieger-Langer auch die diesjährigen Social Recruiting Days als Keynote-Speaker. Die HR-Community gibt sich (zurecht) empört.“
Das perfide bei all den genannten Beispielen ist die geschickte Verzahnung zwischen wissenschaftlich fundierten Methoden und Esoterik, Tatsächlich ist das Thema Esoterik in der Personalauswahl nämlich gar nicht so neu, wie die folgende Übersicht der Anwendung in Unternehmen zeigt:
Nun gibt es neben Methode wie z.B. die Personalauswahl nach Sternzeichen, die für viele unschwer als Mumpitz zu erkennen sind. Und man könnte über die ganze Geschichte lachen, wären da nicht die Leute, die das wirklich ernst nehmen. Wirklich problematisch an der geschickten Verzahnung von Wissenschaft und Esoterik sind nämlich vor allem Methoden, die mittlerweile eine pseudowissenschaftliche Aufwertung erfahren haben und daher vergleichsweise unkritisch betrachtet und werden. Und diese halten auch nach und nach in seriös scheinende Karriere-Ratgeber-Literatur Einzug.
Ein gutes Beispiel ist etwa Graphologie, besser bekannt als Handschriftenerkennung: Ich z.B. habe damals noch in der Schule gelernt, dass man Lebensläufe mit der Hand schreibt, weil die Unternehmen aus dem Schriftbild Rückschlüsse ziehen. Angeblich greifen immerhin 2,4 Prozent der deutschen Unternehmen bei der Personalauswahl auf die Graphologie zurück, so Kanning in dem Interview.
Wirklich krass finde ich aber die Schädeldeutung, die sogenannte Psycho-Physiognomik. Die behauptet, anhand der Schädelform, der Gesichtszüge, der Form von Nase und Ohren Aussagen über die Persönlichkeit machen zu können. Das ist laut Kanning nicht nur Quatsch, sondern erinnert mich auch stark an die nationalsozialistische Rassentheorie.
Tatsache ist, dass viele dieser Methoden auf Aberglauben basieren und keine empirische Grundlage haben, was die Validität der Auswahlverfahren infrage stellt. Der Einsatz esoterischer Praktiken kann außerdem zur Diskriminierung führen, da sie nicht objektiv messbar sind und die Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz beeinträchtigen können. Und Unternehmen, die solche Methoden einsetzen, laufen Gefahr, ihren Ruf zu schädigen, da sie als unprofessionell oder unseriös wahrgenommen werden könnten.
Auch wenn man erstmal versucht ist, sich darüber zu ärgern, dass so viele Leute den Quatsch überhaupt mitmachen. Warum glauben auch gestandene Personaler án so einen Humbug, ja sind regelrecht davon beeindruckt sind?
Alle Pseudowissenschaften versprechen schnelle, einfache Ergebnisse und vermitteln den Eindruck, dass Bewerber hier ihre Selbstdarstellung nicht manipulieren können – im Gegensatz zu einem Jobinterview, wo dies zumindest teilweise möglich ist. Die Schädelform oder gar das Sternbild bei der Geburt sind jedoch unveränderbar. Genau diese Vorstellung wirkt auf viele Personalverantwortliche äußerst verlockend, da sie nach einem Weg suchen, um Bewerber mit all ihren Schwächen besser einschätzen zu können.
Dazu kommt noch der Aspekt, dass immer mehr Menschen in einer zunehmend unsicherer werdenden Welt Rat und Orientierung suchen – man denke nur politische Ereignisse, Terrorismus und Klimawandel, alles Dinge die vielen Menschen Angst machen.
Und auch, dass man den richtigen Beruf oder als Personaler den richtigen Mitarbeiter finden will, nein muss, weil man alles andere schlicht nicht verantworten kann – diese unabänderliche Entscheidung macht vielen Menschen Angst. Das erklärt übrigens auch, warum das Interesse an Zukunftsforschern so groß ist, die zwar vergleichsweise seriös arbeiten, im Ergebnis dann aber auch einen todsicheren Blick in die Zukunft versprechen.
Dabei ist diese Idee so alt wie die Menschheit: Die Griechen fragten das Orakel von Delphi, die Germanen ihre Runen. Andere lasen aus den Eingeweiden von Tier- oder Menschenopfern. Heute gibt es Glücksbringer, Tarot-Karten, Horoskope, Physognomen oder Profiler und Octupusse oder Ziegen sagen die WM-Ergebnisse vorher – und auch seriöse Medien berichten darüber.
Sie erinnern sich vielleicht noch an den Octupuss Paul, der bei der WM 2010 die Ergebnisse voraussagte und damit immer recht hatte? Es mag ja eine unterhaltsame Idee sein, ein Tier als WM-Orakel zu nutzen. Aber dass das Thema auch in seriösen Medien derart gehypt wurde (Focus, Spiegel, WDR und sogar die New York Times), fand ich schlicht unglaublich! Ist denn damals niemand auf die Idee gekommen, mal zu fragen, ob nicht das Muschelfleisch entsprechend präperiert war?
Der Mensch ist also auch im 21. Jahrhundert noch kein vernunftgesteuertes, aufgeklärtes Wesen, sondern auf der Suche nach einfachen Erklärungen und einem sicheren Blick in die Zukunft, der ihnen die Angst nimmt und sie ruhig schlafen lässt?
Fast scheint es sogar, als sei die Vernunft in Zeiten politischer und Klima-Kriesen rückläufig. Mein Rat ist dagege: Lassen Sie’s bleiben. Das haben Sie gar nicht nötig! Verlassen Sie sich viel besser auf sich selbst denn auf irgendwelchen Aberglauben. Und seien Sie kritisch, wenn Ihnen irgendjemand entsprechende Dienste anbietet und Ihnen das blaue vom Himmel verspricht.
Hier sind 5 gute Gründe, die gegen das Anheuern von Hellsehern, Kartenlegen Physognomen und ähnlichen Scharlatanen sprechen.
Esoterische Praktiken in der Personalauswahl sind ein kontroverses Thema, das die Grenzen zwischen Tradition und Moderne in der Unternehmensführung herausfordert. Diese Methoden, die auf mystischen oder pseudowissenschaftlichen Grundlagen basieren, versprechen oft, tiefere Einblicke in die Persönlichkeiten von Bewerbern zu gewähren. Während einige Führungskräfte an die Vorteile dieser Ansätze glauben und hoffen, durch sie eine bessere Passung zwischen den Mitarbeitern und der Unternehmenskultur zu erreichen, gibt es erhebliche Bedenken hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Ethik. Kritiker argumentieren, dass diese Praktiken nicht nur wissenschaftlich unhaltbar sind, sondern auch eine Vielzahl von rechtlichen und moralischen Fragen aufwerfen, insbesondere im Hinblick auf Diskriminierung und Fairness im Auswahlprozess.
In einer zunehmend datengetriebenen Welt, in der fundierte Entscheidungen auf objektiven Analysen basieren sollten, scheint die Akzeptanz solcher esoterischen Praktiken jedoch zurückzugehen. Immer mehr Unternehmen setzen auf evidenzbasierte Auswahlverfahren, die psychologische Tests, strukturierte Interviews und andere wissenschaftlich fundierte Methoden einbeziehen, um die Eignung von Bewerbern zu bewerten. Dies ermöglicht nicht nur eine transparentere und gerechtere Entscheidungsfindung, sondern fördert auch ein integratives Arbeitsumfeld, in dem Vielfalt und Chancengleichheit im Mittelpunkt stehen.
Letztendlich sind Unternehmen aufgefordert, ihre Personalstrategien kritisch zu hinterfragen und sich von Methoden zu distanzieren, die keine nachweisliche Grundlage haben. Stattdessen sollten sie sich auf bewährte Praktiken stützen, die sowohl die Fähigkeiten der Bewerber objektiv bewerten als auch die Werte und Ziele des Unternehmens fördern. In dieser dynamischen und sich ständig verändernden Geschäftswelt ist es entscheidend, dass die Auswahlprozesse sowohl effektiv als auch ethisch sind, um langfristigen Erfolg und Mitarbeiterzufriedenheit sicherzustellen.
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Simone Janson ist Verlegerin, Beraterin und eine der 10 wichtigsten deutschen Bloggerinnen laut Blogger-Relevanz-Index. Sie ist außerdem Leiterin des Instituts Berufebilder Yourweb, mit dem sie Geld für nachhaltige Projekte stiftet. Laut ZEIT gehört ihr als Marke eingetragenes Blog Best of HR – Berufebilder.de® zu den wichtigsten Blogs für Karriere, Berufs- und Arbeitswelt. Mehr zu ihr im Werdegang. Alle Texte von Simone Janson.
Ist aber der Ausdruck selbsterfüllende Prophezeiung nicht auch Esoterik? oder warum soll das geschehen was ich denke? Gibt es hierfür Beweise? Und wieso soll der Händedruck was aussagen oder die Körpersprache. Ich finde diese Psychophysiognomie nicht viel anders, als das was bisher gelehrt wird und das sehr oft unverständlich und verkopft. Ich habe schon viele angeblich seriöse Seminare besucht und auch da war am Ende nicht viel über! Selbst Jörg Löhr nutzt die Macht der Gedanken! Was ist das? Beweisbar? Nein. Es sollte also nicht in Absolutismus verhöhnt werden.
Hallo Herr Sobotka,
danke für Ihren Kommentar. Natürlich ist Vieles, was diesbezüglich gelehrt wird, auch schon eseoteriknah – die Leute wollen eben gerne glauben, dass sie selbst einen Einfluss auf Ereignisse haben. Daher ist der Ausdruck selbsterfüllende Prophezeiung hier durchaus ironisch zu verstehen.
Vielen Dank.
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