Im Dezember war ich in Ägypten und habe mir sowohl in El Gouna wie auch in Kairo einen Eindruck von der Situation vor Ort gemacht. Eines der dringlichsten Probleme des Landes ist die fehlende Bildung – Ursache für die wirtschaftliche Situation ebenso wie für die politische: Jeder fünfte Ägypter ist Analphabet und Hochschulabsolventen haben nur dann Aussichten auf einen guten Job, wenn sie die teueren Privatunis besucht haben. Löblich daher, die Deutschen hier ansetzen wolle. Indes das “Wie” ist fraglich.

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TU Berlin, Außenstelle El Gouna, Ägypten

Unter der Überschrift “Eine neue Ära: Wissen schafft Zukunft in Ägypten” luden Mitte Januar die ägyptische Botschaft und die Technische Universität Berlin zu einer Informations-Veranstaltung zum Campus El Gouna ein.

Dort, am Roten Meer, richtet die Technische Universität Berlin einen Satellitencampus als wissenschaftliche Außenstelle ein.  Angeboten werden ab dem Wintersemester 2012/13 die drei von der TU neu eingerichteten weiterbildenden Masterstudiengänge “Energy Engineering”, “Urban Development” und “Water Engineering”.

Der Satelliten-Campus versteht sich als Außenstelle der TU die sowohl inhaltlich als auch strukturell ausschließlich deutscher Hochschulgesetzgebung unterliegt, auch wenn die Unterrichtssprache englisch ist. Mit dem ägyptischen Hochschulministerium wurde eine Vereinbarung getroffen, die die akademische Unabhängigkeit garantiert.

Bildung für die Zukunft Ägyptens fördern?

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Auf der Einladung las sich das ganz toll: Dabei spielte man auf die “enthusiastischen Ereignisse” vor rund einem Jahr auf dem Tahrir-Platz an (die jüngsten Ereignisse überging man dabei geflissentlich) und wollte die Rolle des Projekts für die Zukunft Ägyptens betont wissen. So heißt es:

“Dabei stehen die Bedeutung von Bildung und Wissen und vor allem die zentrale Rolle der jungen Generation für eine nachhaltige Entwicklung Ägyptens im Vordergrund.”

Doch damit nicht genug: Auch Klemens Semtner, Leiter des Arbeitsstabs “Transformationspartnerschaften” im Auswärtigen Amt und Peter Webers vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sprachen bei ihren Reden in der Bedeutung des Projekts für die Zukunft Ägyptens.

Für die Forschung mag das auch durchaus zutreffen: So will man El Gouna, das sich ja als Vorreiter eines ökologischen Tourismus in Ägypten, ja ökologischen Städtebaus sieht, zum Beispiel  regenerative Energiegewinnung oder Wärmedämmung erforschen und erproben.

Public Private Partnership mit dem El Gouna-Gründer

Nur die Gelder dafür kommen eben nicht aus staatlicher Förderung, sondern aus einer Non-Profit Public Private Partnership (PPP) mit dem Erbauer von El Gouna, Samih Sawiris.

Sawiris ist selbst Alumnus – 1976 bis 1980 studierte er in Berlin Wirtschaftsingenieurwesen – und vom deutschen Bildungssystem offenbar so begeistert, dss er 38 Millionen in Bau und Wartung der Gebäude investierte. Eine deutsche Hotelfachschule gibt es in El Gouna ja auch schon.

Dass solche großangelegten Projekte einen privaten Sponsor brauchen, der den Absolventen, die zudem für die Arbeit gebraucht werden, auch nach dem Abschluss unter die Arme greifen kann – das ist eine WinWin-Situation für alle beteiligten. Und als solche auch nicht verwerflich. Wobei man den Einfluss, den Unternehmen dann auf die Hochschulen haben bzw. gerne hätten, durchaus kritisch sehen muss.

5.000 Euro Pro Semester, aber nur 7 Stipendien

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Weniger schön ist, dass von Seiten der deutschen Regierung so getan wird, als wolle man die Bildung in Ägypten fördern und dem Land etwas gutes tun. Das ist nämlich nur bedingt so. Und das liegt daran, das bei der ganzen Sache gerne über ein Detail großzügig hinweggesehen: Ein Studienplatz kostet 5.000 Euro. Pro Semester, pro Student.

Zwar hat man in der Vergangenheit gerne betont, dass für jeden besonders begabten Studierenden Stipendien zur Verfügung ständen – in der Praxis sieht das aber heute, gut ein Dreiviertel Jahr vor Semester-Anfang anders aus, wie mir Prof. Dr. Rudolf Schäfer, Gründungsdirektor des Zentralinstituts Campus El Gouna im Interview verriet:

Interview mit dem Leiter von Campus El Gouna

Bislang habe er sieben Stipendien pro Studiengang. Dass sei mehr als in vergleichbaren Studiengängen in Deutschland. Außerdem sei das Studium in Ägypten vergleichsweise preiswert – wenn man es mit vergleichbaren Studiengängen in Australien oder Kanada vergleiche.

Und bei der Gelegenheit wird dann auch gleich klar, wen das Studium in El Gouna adressiert: Angehörige der ägyptischen Oberschicht, die sonst ins Ausland abwandern würden und jetzt im Land bleiben. Natürlich könnten sich auch Leute von überallher bewerben. Die Präferenzen liegen aber auf Ägypten und dem arabischen Raum. Das Interview gibts hier in voller Länge:

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Kandidaten werden direkt von Unternehmen entsandt

Zudem ist das Studium in El Gouna nicht als konsekutiver sondern weiterbildender Masterstudiengang gedacht. Das heißt: Wer sich bewirbt, hat bereits ein abgeschlossenes Hochschulstudium und mehrjährige Berufserfahrung. Oder wird direkt von seinem Unternehmen entsandt.

Und mehr noch: Nachdem ich mein Mikrofon ausgeschaltet hatte, vertraut mir der Professor an, dass ihm die Unternehmen, zu denen Sponsor Sawiris die Kontakte herstellt, vermutlich auch selbst Kandidaten vorschlagen würden. Das gesamte gut fünminütige Interview mit Professor Dr. Schäfer gibt es hier als MP3 zum Nachhören:

Staatliche Institutionen, die selektive Bildung unterstützen

Wie gesagt, auf einem privaten Bildungsmarkt ist diese Praxis durchaus gängig. Problematisch wird es m.E. wenn staatlich finanzierte Institutionen, die einen Bildungsauftrag für alle haben sollten, auf diese Weise selektive Bildung unterstützen.

Noch schwieriger wird es, wenn sich dann aber gleichzeitig Regierungen diese privat finanzierte Bildung als gute Taten ans Revers heften. Eine echter Marketingschwindel!


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