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Dr. Stephan Böhm ist seit 2006 Professor für Telekommunikation / Mobile Media am Studiengang Media Management der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Im Interview erzählt Böhm, was Mobile Recruiting ist und was man damit machen kann.

Nach seinem Diplom im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen Elektrotechnik an der TU Darmstadt promovierte Dr. Böhm zum Thema Innovationsmarketing für UMTS-Mobilfunkdienste an der Universität Duisburg. Er war mehrere Jahre als Unternehmensberater für die internationale Strategie- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton in Berlin und Düsseldorf tätig und verfügt über langjährige Erfahrung in Telekommunikations- und Medienmärkten. Als Experte für Mobile Media hält er Vorträge auf Fachveranstaltungen und ist Autor mehrerer Veröffentlichungen in den Bereichen Telekommunikation und innovative mobile Diensteangebote. Dr. Böhm ist zudem Mitinitiator des Mobile Media Forums in Wiesbaden und leitet seit 2008 gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Jäger das BMBF-Forschungsprojekt Remomedia zum Thema Mobile Recruiting.

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Wie genau definieren Sie Mobile Recruiting?

Mobile Recruiting ist nach meinem Verständnis eine elektronisch unterstützte Form der Personalbeschaffung, d.h. eine Variante des E-Recruiting, bei der die Kommunikation mit potenziellen Bewerbern über mobile Endgeräte (z.B. Featurephones, Smartphones) sowie auf der Grundlage von Mobile Media-Technologien bzw. über (Mobil-)Funknetze erfolgt und so auch eine Bewerberansprache in mobilen Nutzungssituationen bzw. “unterwegs” ermöglicht.

Also praktisch jeder Internetauftritt, der sich an Bewerber richtet und für mobile Endgeräte optimiert ist…

Richtig. Mobile Recruiting liegt eigentlich schon dann vor, wenn Unternehmen ihre konventionellen Karrierewebsites für einen Zugriff über mobile Endgeräte optimieren. Auch darf nicht vergessen werden, dass Unternehmen und Jobbörsen bereits seit einiger Zeit SMS einsetzen, um beispielsweise über neue Stellenangebote zu informieren.

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Das klingt aber ein wenig so, als würde man einfach das Stationäre Web auf das Handy übertragen?

“Echtes” Mobile Recruiting bzw. Mobile Recruiting im engeren Sinne liegt erst dann vor, wenn Unternehmen nicht nur versuchen, die Limitationen mobiler Endgeräte zu bewältigen, sondern gezielt die spezifischen Besonderheiten und neuen Möglichkeiten nutzen, die ein solcher Zugriff in der mobilen Nutzungssituation bzw. über mobile Endgeräte erlaubt.

Warum braucht man denn überhaupt eine mobile Optimierung?

Bisher beträgt der Smartphone-Anteil in Deutschland erst um die 20 Prozent. Die große Masse der Nutzer mit einfachen Endgeräten und ohne Daten-Flat-Rate benötigt heute demnach noch mobil optimierte Webseiten. Ziel einer solchen Optimierung ist es, die Seiten an die Limitationen mobiler Endgeräte (kleines Display, geringere Datenraten, höhere Verbindungskosten) anzupassen.

Moderne Smartphones wie das iPhone können aber auch konventionelle Seiten gut darstellen – entfällt in Zukunft die Notwendigkeit einer Optimierung?

Auch bei modernen Smartphones ist es nicht unbedingt sinnvoll, für die Nutzung auf Desktop-Rechnern entwickelte Karriereseiten auszuliefern, um diese dann lediglich verkleinert oder in Ausschnitten zu präsentieren. Neben geringen Displaygrößen und eingeschränkten Eingabemöglichkeiten wird auch eine deutlich reduzierte Aufmerksamkeit bei der Nutzung “unterwegs” weiterhin das mobile Medium prägen. Dies macht andere Konzepte der Ansprache und Information von Bewerberzielgruppen sowie der Präsentation von Inhalten notwendig.

Wie verbreitet sind mobile Recruiting-Angebote denn?

Mobil optimierte Karrierewebsites wurden Ende 2009 erst von weniger als 10 Prozent der Unternehmen angeboten, wie unsere Mobile Recruiting-Studie ergab.

Und wie viel Anwender nutzen Sie?

Dazu muss man sagen, dass nach einer Studie von Accenture (Mobile Web Watch 2010) Anfang 2010 erst jeder fünfte deutsche Internetnutzer (17 Prozent) auch mit seinem Mobiltelefon im Web surft.

Deswegen, und weil eben nur wenige Karrierewebsites überhaupt für mobile Endgeräte optimiert sind, ist bei dieser Mobile Recruiting-Technologie beispielsweise bezogen auf die Gesamtheit der Internetnutzer von einer Nutzungsrate noch eher im einstelligen Bereich auszugehen.

Woran liegt das?

Zwar steigt die Leistungsfähigkeit der Netze und Geräte zunehmend (s. iPhone oder anstehende Einführung des UMTS-Nachfolgestandards LTE). Auch die Preise für die mobile Datennutze sinken stetig bzw. verlieren durch die Verbreitung günstiger Pauschaltarife bzw. “Flat Rates” ihre Bedeutung als Nutzungsbarriere….

…was eigentlich die Verbreitung erhöhen müsste…

Ja, aber Vertragskunden behalten ihre Endgeräte typischerweise zwei Jahre. Zusätzlich sinkt die Endgerätesubventionierung und viele Prepaid-Kunden müssen den Wechsel auf ein modernes Smartphone ganz aus eigenen Kosten bestreiten. Auf absehbarer Zeit wird daher ein großer Teil der in Nutzung befindlichen Endgeräte noch durch solche Einschränkungen gegenüber dem stationären Web gekennzeichnet sein.

Was sind denn typische mobile Anwendungen?

Dazu gehört die “Loslösung” vom Desktop-Arbeitsplatz durch die Umsetzung crossmedialer Konzepte in Verbindung mit Out-of-Home-Medien – z.B. Quick-Response(QR)-Codes auf Plakaten wie hier (Link: Remomedia-Website) – oder auch die automatische Einbeziehung von Informationen mit Bezug zum augenblicklichen mobilen Nutzungskontext des Rezipienten, wie dies bei Location Based Services (ortsbezogene Jobsuche wie z.B. bei der Jobstairs iPhone-App) oder auch bei Augmented Reality-Anwendungen (z.B. Jobsuche von Tempo Team im Layar AR-Browser in den Niederlanden) erfolgt.

Welche Angebote werden am häufigsten eingesetzt?

Unsere Studie von 2009 hat gezeigt, das SMS und Mobile Internet/Web die bisher am meisten eingesetzten Technologien sind.

Und was erwarten User von mobilen Recruiting-Anwendungen?

Nutzerseitig liegen mir hierzu keine Befragungsergebnisse vor. Grundsätzlich ist aber zu erwarten, dass auch hier SMS, mobile Karrierewebsites und mobile Applikationen die am häufigsten genutzten Mobile Recruiting-Technologien repräsentieren. Um hier fundierter Informationen zu erhalten, forscht gerade unsere Projektmitarbeiterin, Frau Dipl.-Kff. Susanne Niklas, im Bereich der Akzeptanzfaktoren von mobile Recruiting-Anwendungen und erstellt hierzu projektbegleitend eine Dissertation.

Ich würde mir ja wünschen, dass ich Jobs nicht nur finde, sondern mich auch gleich bewerben kann…

Eine Interaktion – z.B. in Form einer Bewerbungsmöglichkeit – wir bisher noch nicht sehr häufig unterstützt. Vielfach steht noch die Aktivierung für eine mobile Nutzung (z.B. durch QR-Codes auf Print-Medien) im Vordergrund. Aber auch dies ist beispielsweise bei den Apps von Monster.de oder JobsundMore der Deutschen Telekom bereits möglich. Hier werden wir bereits in naher Zukunft mehr Angebote sehen – die sich auch zunehmend mit Social-Media-Plattformen vernetzen.In Teil zwei des Interviews geht es darum, wie aus ersten Spielereien zukunftsträchtige Technologien werden.

Wie beurteilen Sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Mobile-Recruiting-Angeboten – Zukunftsmarkt oder mehr Spielerei?

Mobile Recruiting ist dann eine “Spielerei”, wenn damit ein zielloses Ausprobieren von einzelnen Mobile Media-Technologien im Umfeld von Personalmarketing und?beschaffungsaktivitäten gekennzeichnet wird. Hier ist dann tatsächlich kein weiterer Effekt zu erwarten, als ein Staunen über die technischen Möglichkeiten, der demonstrierten Anwendung, ohne dass ein messbarer wirtschaftlicher Effekt durch diese Maßnahme registriert werden kann.

Was werden Nutzer in Zukunft stärker nutzen – Desktop oder Mobile Geräte?

Das Zeitbudget für die Nutzung des Internet wird sich aber auf neue Zugangsformen wie mobile Endgeräte oder Tablet PCs verteilen und zwar in dem Ausmaß, in dem sich diese Technologien zukünftig verbreiten. Dabei werden nicht nur neue Nutzungssituationen und damit bisher unerschlossene Zeitbudgets erschlossen, sondern auch Zeitbudgets von klassischen Desktop-Arbeitsplätzen verlagert.

Das bedeutet?

Für das Personalmarketing und -beschaffung relevante Nutzungen sind häufig nicht abhängig von Nutzungskontext oder zeitkritisch und werden daher auch in der Zukunft in der Regel über den Desktop-Zugang abzuwickeln oder auf diesen zeitlich zu verlagern sein. Interessiert sich beispielsweise ein Hochschulabsolvent für den Berufseinstieg bei einem bestimmten Unternehmen, wird er dieses auch dann finden, wenn er entsprechende Informationen nicht von unterwegs abrufen kann, da eine solche Entscheidung typischerweise nicht “ad hoc” bzw. situations- oder ortsabhängig gefällt wird.

Und was wird durch das mobile Recruiting nun so grundlegend neu?

Einiges. Denn anders verhält sich der Sachverhalt bei Anwendungen, bei denen gerade der Zeit- und Ortsaspekt von Bedeutung ist – z.B. bei der Vermittlung von Praktika, Aushilfstätigkeiten oder auch der Vermittlung in Zeitarbeitsverhältnisse. Hier können Ad-hoc-Charakter und auch Kontextsensitivität des mobilen Zugriffs einen Zusatznutzen vermitteln. Auch wird das mobile Endgerät als Kommunikationskanal in dem Maße zur Zielgruppenansprache an Bedeutung gewinnen, wie zukünftige Bewerbergenerationen ihre Nutzung auf dieses Medium verlagern und entsprechende Zugangsmöglichkeiten und Services von Unternehmen erwarten.

Also ein grundlegener Wandel der Recruiting-Methoden?

Während heute im “War for Talents” ein mobiler Zugang noch ein verzichtbares Zusatzangebot darstellt, wird dies mit dem Wandel der Mediennutzung zu einer erwarteten Standardleistung werden. Art und Umfang dieser Leistungen werden sich aber erst noch herausbilden. Die Herausforderungen sind durchaus vergleichbar mit der Situation in den 1990er-Jahren, als die noch weitgehend auf den Print-Bereich gestützten Personalmarketing und -beschaffungsaktivitäten der Unternehmen auf das stationäre World Wide Web ausgeweitet bzw. das E-Recruiting von Unternehmen entdeckt wurde.

Wie sollen sich Unternehmen denn darauf einstellen?

Wichtig ist, dass Unternehmen eine Mobile Recruiting-Strategie entwickeln und für die Gesamtheit ihres Engagements in diesem Bereich, aber auch für einzelne Kampagnen, Ziele und Strategien festlegen sowie auch den Erfolg einzelner Maßnahmen systematisch auswerten und daraus Konsequenzen für weitere Aktivitäten ableiten.

“Konsequenzen ableiten” klingt irgendwie, als müssten Unternehmen aus Fehlern der Vergangenheit lernen und unbequeme Entscheidungen fällen…

Kampagnen sollten sich nicht an der aktuellen Popularität einer Technologie oder Anwendung orientieren, sondern an der Passung für eine spezifische Zielgruppe ausgerichtet geplant werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass ansonsten die Gefahr besteht, sich in der Vielzahl der verschiedenen Aktivitäten zu “verzetteln”. Dies ist beispielsweise aktuell auch bei Mobilen Applikationen zu erkennen. So ist fraglich, ob Unternehmen nach dem “Hype” des iPhone nun auch Applikationen für andere Plattformen (wie z.B. Android) entwickeln und pflegen wollen.

Was spricht dagegen?

Insbesondere der damit stetig steigende Entwicklungs- und Pflegeaufwand, der nur von großen Unternehmen zu leisten ist. Applikationen im HR-Bereich sind keine “Fire-and-Forget Apps” wie Spiele, die ggf. schnell entwickelt und dann auch nur kurze Zeit und beiläufig von Kunden eingesetzt werden.

Und daraus folgt?

Zu erwarten ist, dass der Weg zurück zu möglichst universellen bzw. plattformunabhängigen Lösungen und damit z.B. zu Browser- und Webtechnologien (Stichworte: Webapplikationen) führen wird. Solche Ansätze sind aber nur erfolgversprechend, wenn sich Unternehmen von einer Strategie sowie einer systematischen Auseinandersetzungen mit den neuen Möglichkeiten des Mobile Recruiting und nicht vom Hype einzelner Technologien leiten lassen.

Wie sehen die Unternehmen das denn?

In unserer Studie 2009 konnten sich 42 Prozent der Befragten vorstellen, in den nächsten 24 Monaten in ihrem Unternehmen eine Mobile Recruiting-Kampagne umzusetzen, wobei jedoch nur 15 Prozent einer solchen Aussage auch stark zustimmten (Seite 13 unserer Studie). Während bei 8 Prozent eine mobile Karrierewebsite bereits verfügbar war, befand sich diese bei weiteren 14 Prozent der Befragten in Planung. Insofern ist davon auszugehen, dass mittelfristig die Verbreitung von Mobile Recruiting zunehmen wird.

Ihre Ergebnisse sind aber von 2009 – hat sich da in der Zwischenzeit nicht einiges getan?

Zwischen Ende 2009 und heute ist aufgrund der konjunkturellen bzw. gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eher von einer Seitwärtsbewegung auszugehen. Dies zeigen auch die zwischen 2009 und 2010 weitgehend konstant gebliebenen Nutzerzahlen des mobilen Internet allgemein (Nutzung mobiles Internet laut Accenture-Studie: 13%/18%/17%). Wir arbeiten aber aktuell an einer Neuauflage der Studie, deren Ergebnisse vermutlich Mitte 2011 veröffentlicht werden.

Haben die Unternehmen keine Lust, sich mehr zu engagieren?

Mobile Recruiting ist gegenwärtig noch ein Zusatzthema, für das in der Regel noch keine festen Strukturen und Budgets in den Unternehmen vorgesehen sind. Insofern ist davon auszugehen, dass solche Aktivitäten auch zuerst zurückgestellt werden, wenn die Budgets in den Personalmarketingabteilungen knapp werden. Wenn der Wettbewerb um neue Arbeitskräfte und Talente aber an Intensität gewinnt, wird auch das Mobile Recruiting als zusätzlicher und innovativer Kommunikationskanal für die Bewerberansprache wieder bzw. weiter an Bedeutung gewinnen.

Und wie könnte sich das ändern?

Mit zunehmender Verbreitung von Smartphones, steigenden Datenraten und der Verfügbarkeit günstiger Flatrates wird auch die Nutzung des mobilen Endgeräts den Massenmarkt weiter durchdringen und dann zu einem Medium werden, das Unternehmen für die Bewerberansprache nicht mehr ignorieren können.

Wir suchen uns also bald unsere Jobs bzw. Mitarbeiter nur noch unterwegs per Handy, nicht mehr zu Hause am Rechner?

Der stationäre Desktop-Rechner wird sicherlich auch mittelfristig weiter als Endgerät den Zugang zum Internet dominieren. Mit mobilen Endgeräten und auch Tablet PCs kommen neue Geräte mit jeweils besonderen Eigenschaften hinzu, die alternativ zum PC/Laptop zuhause auf dem Sofa oder unterwegs genutzt werden. Welche Kommunikationskanäle hier genutzt werden, ist abhängig von der konkreten Zielsetzung, Zielgruppe und auch der Zahl und den Merkmalen der adressierten Bewerber.

Welche Rolle übernimmt dann Mobile Recruiting in den Unternehmen?

Mobile Recruiting-Instrumente werden eher das bestehende Portfolio der Personalbeschaffung und des Personalmarketing erweitern, als ersetzen. Unternehmen werden in der Zukunft viel stärker vor der Herausforderung stehen, ihre Personalmarketing- und -beschaffungsaktivitäten in einem immer heterogener werdenden Medienportfolio zu orchestrieren und hier einen eigenständigen und für das Unternehmen passenden Ansatz zu entwickeln.

Welches Recruiting-Instrument ein Unternehmen erfolgreich einsetzt, hängt also von der Zielgruppe ab?

Richtig. Verschiedene Endgeräte und Zugangsformen haben – insbesondere vor einer weitgehend ubiquitären Verbreitung im Massenmarkt – charakteristische Nutzergruppen die mit den Zielen und Zielgruppen des Personalmarketing abzugleichen sind.

Welche Ziele verfolgen Unternehmen mit mobiler Technologie?

Gegenwärtig dominiert wohl eher noch das “In and Out” das Engagement vieler Unternehmen im Bereich innovativer Medien bzw. Kommunikationstechnologien: Oft ist es nach meiner Einschätzung für Unternehmen wichtiger, mit einem solchen “Key Visual” bzw. einer Mobile Recruiting-Kampagne ein innovatives Arbeitgeberimage zu transportieren, als wirklich nachhaltig und stringent ein auf die mobile Nutzungssituation ausgerichtetes und diesbezügliche Zielgruppen optimiertes Informationsangebot zu schaffen.

Das heißt, es wird viel ausprobiert, aber nicht alles ist auch sinnvoll?

Richtig. Nehmen wir z.B. Bluetooth: Die Bluetooth-Technologie ist dadurch gekennzeichnet, dass Sie über kurze Distanzen am Point-of-Information eine kostenlose Übertragung von Medieninhalten zwischen Bluetooth-Hotspot und mobilen Endgeräten ermöglicht. Die Idee über solche Technologien ziellos Informationen an vorbeilaufende Passanten zu verteilen, wurde in frühen Visionen diskutiert und ist technisch auch möglich, aber in der Praxis kaum vertretbar.

Warum nicht?

Zum einen wird eine solche Push-Ansprache schnell als Belästigung empfunden. Des Weiteren sind größere Datenmengen nur dann zu übermitteln, wenn der Nutzer zumindest kurz im Versorgungsbereich einer solchen Bluetooth-Station verweilt. Somit ist eine Pull-Interaktion bzw. der gezielte bzw. nutzerinitiierte Abruf von Informationen von solchen Systemen zu bevorzugen. Grundsätzlich kann aber die Funktionalität von Bluetooth-Hotspots auch mit netzbasierten Technologien (wie z.B. UMTS für den Datentransfer und GPS zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Nutzers) realisiert werden.

Bluetooth ist also nur nutzlose Spielerei?

Nein. Bluetooth bietet so lange Vorteile, wie Flatrates und hochbitratige Mobilfunknetze (indoor) noch nicht vollumfänglich verfügbar sind. Bluetooth ist somit aktuell eher als Nischentechnologie (z.B. Eventbereich) einzuschätzen und hat einen Interim-Charakter bzw. wird aufgrund der genannten Eigenschaften tatsächlich mit der Zeit für das Mobile Recruiting an Bedeutung verlieren bzw. vermutlich auch nicht weiter an Relevanz gewinnen. Abhängig von den Zielen und Zielgruppen kann der Einsatz von Bluetooth gegenwärtig aber in spezifischen Bereichen durchaus sinnvoll sein.

Was macht Sie so sicher, dass Mobile Recruiting nicht nur ein Hype ist?

Zum Erfolg von Mobile Recruiting-Kampagnen lässt sich sagen, dass in unserer Studie Ende 2009 seitens der Personalverantwortlichen 63 Prozent von denjenigen, die solche Kampagnen bereits durchgeführt haben, mit der Response zufrieden oder sehr zufrieden waren. Zudem übersteigt in vielen Bereichen heute schon die Zahl der Nutzer, Zugriffe oder Anschlüsse mit mobilen Endgeräten die der Festnetze oder ein solcher Durchbruch steht kurz bevor. Es wäre verwunderlich und ich sehe keine Gründe, warum vor dem Hintergrund dieser Gesamtentwicklung das Thema Recruiting ausschließlich dem stationären Internet vorbehalten bleiben sollte. Auch wenn Recruiting hier sicherlich eher der Entwicklung folgen wird, als ein Schrittmacher zu sein.

Studien zeigen aber z.B. auch, dass User aktuelle Medieninnovationen wie Social-Media-Anwendungen lieber privat nutzen – und nicht zur Jobsuche…

Das mag sein, aber da muss man differenzieren: Mobile Recruiting bezeichnet die mobile Zugangsvariante zu E-Recruiting-Angeboten – also eine Weiterentwicklung, die auf einem ganzen Bündel von innovativen Mobile Media-Basistechnologien basiert. Twitter oder Facebook – und auch die heute schon fast wieder vergessene Hype-Themen MySpace und Second Life – sind und waren hingegen sehr spezifische bzw. proprietäre Plattformen einzelner Unternehmen, bei denen das Interesse der Personalmarketingverantwortlichen eher darin bestanden haben dürfte, über ein entsprechendes Engagement in diesen Bereichen auch am aktuellen Medienrummel zu partizipieren.

Der Fehler liegt also im Angebot, nicht in der Nachfrage?

Richtig: Denn was bei solchen Studien häufig vergessen wird: Angefacht durch aktuelle Medienberichte entsteht oft ein selbstverstärkender Effekt. Immer mehr Nutzer probieren einen Dienst oder eine neue Anwendung aus, und registrieren sich oder installieren die Software. Dadurch steigt weiter das öffentliche Interesse und wiederum die Aufmerksamkeit der Nutzer bzw. der Anreiz zum selber Ausprobieren. Die Zahl der registrierten Nutzer oder Downloads steht aber nicht unbedingt in direkter Verbindung mit einem nachhaltigen Nutzungsinteresse.

Können Sie das näher erklären?

Vielfach bleibt es eben auch beim Ausprobieren – auch bei iPhone-Applikationen werden geladene Programme häufig nach ihrer Installation direkt wieder gelöscht oder nur wenige Tage aktiv genutzt. Nur wenn tatsächlich ein nachhaltiger Nutzwert durch eine neue Anwendung vermittelt wird, ist auch von einer regelmäßigen Verwendung und einer langfristig stabilen aktiven Nutzerbasis auszugehen. Dies ist nicht unbedingt bereits bei der Einführung zu erkennen.

Und was folgt für Unternehmen daraus?

Unternehmen müssen daher entscheiden, ob sie in frühen Phasen ein Engagement wagen oder zunächst die Entwicklung abwarten. Auch hier sollte wieder eine Entscheidung von den individuellen Zielen und nicht vom “In and Out” einzelner Anwendungen abhängig gemacht werden.

Wie sieht es mit anderen Techniken aus?

Wir stehen insgesamt noch am Anfang. Beispielsweise beim Einsatz von Mobile Tagging im Mobile Recruiting. Hierzu haben wir in den vergangenen zwei Jahren bei uns an der Hochschulen Testkampagnen durchgeführt und dabei je Plakatstandort oftmals nur zweistellige Zugriffsraten über ein und zwei Wochen hinweg registriert.

Ist das Interesse der Nutzer so gering?

Man muss dabei berücksichtigen, dass für einen solchen Zugriff vorauszusetzen ist, dass sich ein Rezipient durch die Botschaft auf dem Plakat angesprochen fühlt und dann eine Endgerät eingesetzt hat, dass zudem über eine installierte Reader-Software zum Lesen der 2D-Barcodes auf dem Plakat sowie über einem mobilen Internet-Zugang zum Abruf der verknüpften Informationen verfügt. Da eine solche Software in der Regel auf mobilen Endgeräten nicht vorinstalliert ist, stellt dies eine Nutzungsbarriere dar.

Und wie lässt sich die Barriere überwinden?

Dann, wenn ein möglichst vielfältiges Nutzungsangebot die Besitzer mobiler Endgeräte dazu animiert. Unternehmen müssen hierzu – nicht nur im Mobile Recruiting-Bereich – Gelegenheiten schaffen. Einmalaktionen sind hier ebenso wenig zielführend, wie ein generelles Abwarten auf eine sich automatisch ergebende weitere Verbreitung dieser Technologie.

Wird nicht andersherum ein Schuh daraus: Erst die Nachfrage, dann das Angebot?

In Deutschland besteht aktuell etwas die Gefahr, dass Unternehmen und Nutzer beiderseitig auf eine weitere Verbreitung warten bzw. die eigentlich nützliche Technologie schon wieder zerredet wird. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass mit Mobile Tags nicht immer unbedingt nutzbringende Informationen verknüpft werden, die einen spezifischen Zusatznutzen in der mobilen Nutzungssituation eröffnen.

Bitte ein Beispiel!

Ein QR-Code auf einer Stellenanzeige verlinkt nicht auf die konkrete Stellenanzeige als “Deep Link”, sondern allgemein auf das Jobportal. Der Nutzer muss sich dann trotzdem umständlich durch die Eingabemaske durcharbeiten muss, um die markierte Stellenanzeige wieder zu finden

Und dann soll ausgerechnet die Personalbranche zum Innovationstreiber werden?

Sicherlich kann hier der Personalmarketing bzw. -beschaffungsbereich nicht alleine das Überschreiten der erforderlichen kritischen Masse für ein selbsterhaltendes Wachstum leisten. Ein Erfolg wie z.B. in Japan ist nur dann möglich, wenn auch z.B. im Marketing auf diese Technologien gesetzt wird.

Wann sind neue Technologien wie Location Based Services (LBS) sinnvoll?

Ein Einsatz ist nur für bestimmte Ziele und Zielgruppen überhaupt sinnvoll bzw. stiftet abgesehen von einem einmaligen “Wow-Effekt” nur in sehr spezifischen Anwendungssituationen im Bereich des Mobile Recruiting einen nachhaltigen Zusatznutzen.

Und wie sieht das mit dem Datzenschutz aus?

Die Auswertung des augenblicklichen Aufenthaltsorts sollte immer die explizite Zustimmung des Nutzers erfordern (also nicht etwa einmalig über die Annahme der AGB o.ä. eingeholt werden), von diesem wahrnehmbar und kontrollierbar sowie zu widerrufen sein. Dann bieten solche Dienste im mobilen Nutzungskontext eine sinnvolle Hilfe anstelle der ggf. notwendigen umständlichen Orts- oder Adresseingabe per Tastatur.

Was sollten Unternehmen, die LBS nutzen wollen, im Umgang mit Nutzerdaten beachten?

Unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit sollten Unternehmen auf die Speicherung von Nutzungsprofilen mit Ortsbezug verzichten. Aufgrund des Umgangs mit sehr persönlichen Bewerberinformationen oder -präferenzen sollten hier Nutzen und Risiken sehr genau abgewogen werden, bevor die technisch und juristischen Möglichkeiten ausgereizt, aber ggf. Vertrauen bei den Nutzern in das neue Medium unnötig verspielt wird.


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